VwGH 2012/07/0053

VwGH2012/07/005323.4.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Ing. P P in I, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/3/14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. Jänner 2012, Zl. FA13A-38.40-53/2010-8, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach § 73 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §2 Abs1 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §2 Abs4 Z1 litb;
AWG 2002 §2 Abs4 Z1;
AWG 2002 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §2 Abs4 Z1 litb;
AWG 2002 §2 Abs4 Z1;
AWG 2002 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Einer Meldung der Steiermärkischen Berg- und Naturwacht zufolge wurde am 14. April 2010 auf dem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstück Nr. 2684, KG N., eine Ablagerung von Bauschutt unmittelbar an der Uferböschung des I.baches festgestellt, worüber der Bürgermeister der Gemeinde I. die Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld (im Folgenden: BH) mit Schreiben (Mail) vom 14. April 2010 in Kenntnis setzte.

Die BH zog einen Amtssachverständigen für Abfluss- und Stoffflusswirtschaft bei, der das Grundstück am 21. Juli 2010 besichtigte und die gutachterliche Stellungnahme vom 19. August 2010 abgab.

Mit Bescheid vom 3. November 2010 erteilte die BH dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 - AWG 2002 den Auftrag, (Spruchpunkt 1.) die auf dem Grundstück befindlichen Abfälle hinsichtlich Art und Menge zu registrieren und nachweislich einem dafür befugten Abfallsammler/-behandler zu übergeben, (Spruchpunkt 2.) die Entfernung der Abfälle bzw. den Fortschritt der Arbeiten durch eine ausreichende und aussagekräftige Fotodokumentation festzuhalten sowie (Spruchpunkt 3.) nach Abschluss der Arbeiten der Behörde unaufgefordert die Fertigstellung der Flurreinigung mitzuteilen.

Dazu führte die BH u.a. nach Wiedergabe der gutachterlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 19. August 2010 und der diesbezüglichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 30. September 2010 aus, dass zuerst zu prüfen sei, ob es sich bei den gelagerten Materialien um Abfall im Sinne des § 2 AWG 2002 handle. Diese Prüfung sei in der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Abfall- und Stoffflusswirtschaft vorgenommen worden. Es sei eine Zuordnung der gelagerten Stoffe zu den im Anhang 1 des AWG 2002 enthaltenen Gruppen von Abfällen getroffen und eine Beurteilung sowie Zuordnung zu den Abfallgruppen Q1, Q5, Q14 bzw. Q16 erfolgt. Auch eine Prüfung der Entledigungsabsicht sei erfolgt, und der Amtssachverständige sei zum Schluss gekommen, dass diese in Anbetracht der Materialbeschaffenheit (nicht aufbereiteter Ziegelschutt, zum Teil verunreinigt) und der Lagerart (einzelne Haufen am Wiesenrand, Ablagerungen ohne erkennbare bautechnische Funktion) vorliege, weil die Abfälle vom Verursacher zum Zweck der Entsorgung abgelagert worden seien. Ferner sei eine Prüfung vorgenommen worden, ob die vorgefundenen Materialien nach den objektiven Kriterien des § 2 Abs. 2 AWG 2002 unter Berücksichtigung der Ausschlusskriterien gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. als Abfall eingestuft werden könnten. Demnach handle es sich nach allgemeiner Verkehrsauffassung bei den Materialien nicht um solche, für welche der Begriff "Neuheit" zutreffe, und bei der Ablagerung liege keine bestimmungsgemäße Verwendung vor (kein Einsatz von qualitätsgesichertem Recyclingbaustoff von definierter Güte- und Qualitätsklasse in einem zulässigen Einsatzbereich). Da sich am Grundstück keine genehmigte Lagerstätte befinde und unaufbereiteter Ziegelschutt, zum Teil verunreinigt, gelagert worden sei, handle es sich dabei um eine unzulässige Verwendung oder Verwertung. Schließlich sei geprüft worden, auf Grund welcher Kriterien gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. die Sammlung und Lagerung des Abfalls im öffentlichen Interesse gelegen sei, und dazu sei festzustellen, dass die Umwelt durch die Lagerung der unaufbereiteten mineralischen Baurestmassen auf einer nicht genehmigten Deponiefläche gemäß § 1 Abs. 3 Z 4 leg. cit. über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt worden sei.

Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass auf Grund der vollständigen, schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen, denen durch den Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene begegnet worden sei, wobei jedoch seine Angaben in die Beurteilung eingeflossen seien, die Maßnahmen gemäß § 73 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt seien.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. Darin brachte er u. a. vor, dass sich aus seinem Ziegelbruch ein dem oststeirischen Riedelland gleichwertiges Bodensubstrat entwickle, also ein mit dem Urboden der Liegenschaft identer Boden mit guten Wasserbindungseigenschaften, sodass das Aufbringen der zerkleinerten handgeschlagenen Ziegel den ökologischen und ökonomischen Voraussetzungen entspreche. Das Auffüllen von Mulden und Befestigen von Abrutschungen mit Ziegelbruch sei auch eine traditionelle Methode im Forst- und Güterwegebau. Trotz des höheren Qualitätsstandards des Ziegelbruchs des Beschwerdeführers werde im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt, dass er nicht den Qualitätsmerkmalen entspreche, ohne auszuführen, welcher Art die Qualitätskriterien seien. Das Verfahren des Beschwerdeführers befinde sich auf einem höheren Stand der Technik als das der Industrie, die sich händisches Sortieren, stückweise händische Reinigung und absolute Trennung des Materials nicht mehr leisten könne. Zudem sei das Zerschlagen mit Handwerkzeug ein Einsatz von abfallarmer Technologie. Es würden keine Immissionen freigesetzt, keine Energie und Rohstoffe verbraucht und keine Auswirkungen auf die Gesamtheit der Umwelt bewirkt. Die Maßnahme sei in ökologischer Weise - energie- und ressourcensparend - gesetzt worden, um weiteres Abrutschen von Erdreich in den I.bach zu verhindern. Nach Art. 3 der Richtlinie 2008/98/EG sei "Verwertung" jedes Verfahren, bei dessen Hauptverfahren Abfälle einem sinnvollen Zweck zugeführt würden, indem sie andere Materialien ersetzten, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder indem die Abfälle so vorbereitet würden, dass sie diese Funktion erfüllten. Die Schüttung sei vom Amtssachverständigen in seinem Gutachten als Haufen beschrieben worden und bilde die Grundlage für die Feststellung, dass hier Abfall gelagert sei. Die vom Beschwerdeführer gesetzte bautechnische Maßnahme sei offensichtlich nicht erkannt worden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (im Folgenden: LH) vom 30. Jänner 2012 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 73 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 der Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid insoweit abgeändert, dass dem Beschwerdeführer folgende Maßnahmen aufgetragen wurden:

"1. Die auf Grundstück Nr. 2684, KG. (N.), gelagerten Baurestmassen, welche Abfall darstellen und der Abfallart 31409 Bauschutt zuzuordnen sind, sind bis längstens 30.05.2012 zu beseitigen und nachweislich einem dafür befugten Abfallsammler/- behandler zu übergeben. Die Entsorgungsnachweise sind der Bezirksverwaltungsbehörde unaufgefordert binnen 14 Tagen nach Beseitigung, längstens bis 15.06.2012, vorzulegen.

2. Über die Entfernung der Abfälle ist eine Fotodokumentation anzufertigen und ist diese gemeinsam mit den Entsorgungsnachweisen der Bezirksverwaltungsbehörde bis längstens 15.06.2012 vorzulegen."

Dazu führte der LH nach Darstellung des Berufungsvorbringens und Hinweis auf § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 3 bis 5 sowie § 73 Abs. 1 AWG 2002 im Wesentlichen aus, dass unstrittigerweise Ziegelbruch auf dem Grundstück Nr. 2684 aufgebracht worden sei. Zu den verwendeten Materialien werde auf die Stellungnahme des abfallwirtschaftlichen Amtssachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen, in welchem dieser die verwendeten Baurestmassen der Abfallart 31409 Bauschutt zugeordnet habe, wobei in der Berufung selbst ausgeführt werde, dass "Ziegelbruch" verwendet worden sei. Dass der verwendete Ziegelbruch keinen Abfall darstelle, werde in der Berufung nicht vorgebracht, und daher werde im Hinblick auf die Feststellung der Abfalleigenschaft auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

Entsprechend der anzuwendenden Rechtslage dürften Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden, und eine Ablagerung von Abfällen dürfe nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen. Entgegen diesen Grundsätzen sei im gegenständlichen Fall vom Verpflichteten Ziegelbruch auf dem Grundstück aufgebracht worden, das keine genehmigte Anlage darstelle, wobei vor Aufbringung nicht geprüft worden sei, ob es sich dabei um einen geeigneten Ort für die Behandlung von Abfällen handle.

Wenn in der Berufung darauf hingewiesen werde, dass das aufgebrachte Ziegelmaterial keine schädlichen oder nachteiligen Einwirkungen auf die Umwelt, Mensch, Tiere und Pflanzen habe, den ökologischen und ökonomischen Voraussetzungen entsprochen worden sei und das Aufbringen keine Umweltauswirkungen habe, so sei, wie bereits angeführt, das Vorliegen der Abfalleigenschaft in der Berufung nicht bestritten worden.

Ein Ende der Abfalleigenschaft sei durch die getroffenen Maßnahmen nicht eingetreten, weil diese nur durch eine zulässige Verwertung der Abfälle ende. Eine zulässige Verwertung könne - neben weiteren Voraussetzungen - jedoch nur dann vorliegen, wenn alle Genehmigungen bzw. Nichtuntersagungen vorlägen. Die gegenständliche Schüttung sei in unmittelbarer Nähe des I.baches durchgeführt worden, "was zumindest die Prüfung einer allfälligen wasserrechtlichen Bewilligung der gegenständlichen Maßnahme erfordert hätte". Zusammenfassend sei anzuführen, dass die Schüttung der Baurestmassen weder auf einer hiefür genehmigten Anlage noch an einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort erfolgt sei und somit gegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 verstoße.

Ergänzend werde ausgeführt, dass Verwertungsmaßnahmen mit Baurestmassen zulässig sein könnten, wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen. Ob eine zulässige Maßnahme durchgeführt werde, sei jedoch bei Durchführung der Schüttung abzuklären, und es seien die erforderlichen Nachweise einzuholen. Im gegenständlichen Verfahren sei vom Beschwerdeführer zwar vorgebracht worden, dass dem Stand der Technik entsprochen worden wäre, Nachweise dafür seien jedoch nicht erbracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der LH legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Die §§ 1, 2, 5, 15 und 73 AWG 2002 in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 9/2011 lauten auszugsweise:

"Ziele und Grundsätze

§ 1. (...)

(...)

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

  1. 5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
  2. 6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

    7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

    8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

    9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

    (...)"

    "Begriffsbestimmungen

    § 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes

    sind bewegliche Sachen,

    1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

    2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

  1. 1. eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
  2. 2. sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

    (...)

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. 'Altstoffe'

a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder

b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden,

um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung

zuzuführen.

(...)"

"Abfallende

§ 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht.

(...)"

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer § 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung,

Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(...)

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

  1. 1. hiefür genehmigten Anlagen oder
  2. 2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

    nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

    (...)"

    "Behandlungsauftrag

    § 73. (1) Wenn

    1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

    2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

    hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

    (…)"

    Die Beschwerde bringt vor, der LH sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der vom Beschwerdeführer aufgebrachte Ziegelbruchabfall im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 Abfall sei. Mit der Auffassung, dass der Beschwerdeführer die Abfalleigenschaft nicht bestritten habe, übersehe der LH, dass sich das Gegenteil aus dem ausführlichen Berufungsvorbringen zur Beschaffenheit, Eignung und Verwendung des Ziegelbruchs ergebe. Ob Abfall vorliege, sei im Übrigen eine von der Behörde zu klärende Rechtsfrage. Die Behörde habe die Abfalleigenschaft des Ziegelbruchs angenommen, ohne sich näher mit den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 auseinanderzusetzen, und die von ihr getroffenen Feststellungen reichten für die Beurteilung der Abfalleigenschaft nicht aus. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht hervor, welche der in § 1 Abs. 3 leg. cit. genannten öffentlichen Interessen beeinträchtigt würden. Es sei auch nicht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen worden, dass der Ziegelbruch in seiner Zusammensetzung und Beschaffenheit ein dem oststeirischen Riedelland gleichwertiges Bodensubstrat, also einen mit dem Urboden der betroffenen Liegenschaft identen Boden mit guten Wasserverbindungseigenschaften, darstelle. Der Beschwerdeführer habe auf die Herkunft und das Alter der Ziegel hingewiesen, was insofern wesentlich sei, als Ziegel früher anders hergestellt worden seien als heute und der von ihm aufgebrachte Ziegelbruch keine Kunststoffanteile enthalte. Hätte die Behörde zur Prüfung der Beschwerdeführer behaupteten Eigenschaften und Beschaffenheit des Ziegelbruchs sowie der von ihm zugedachten Verwendung den Amtssachverständigen mit einer Gutachtensergänzung beauftragt und weitere Gutachten eingeholt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass keines der Schutzgüter des § 1 Abs. 3 AWG 2002 gefährdet sei. Im Übrigen lägen auch kein Abfall im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 leg. cit. und keine Entsorgungsabsicht des Beschwerdeführers vor. Darüber hinaus sei der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 3 leg. cit. erfüllt, weil der Ziegelbruch in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für ihn bestimmungsgemäßen Verwendung durch das Auffüllen von Mulden stehe und auf Grund der Bearbeitung davon auszugehen sei, dass es sich um eine neue Sache handle. Aus den genannten Gründen hätte die Behörde das Vorliegen der Abfalleigenschaft prüfen müssen. Auch hätte Art. 3 der Richtlinie 2008/98/EG berücksichtigt werden müssen.

    Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

    Der LH ging im angefochtenen Bescheid von der Abfalleigenschaft des vom Beschwerdeführer auf dem Grundstück aufgebrachten Materials aus und begründete dies mit dem Hinweis auf die Feststellung der Abfalleigenschaft im erstinstanzlichen Bescheid sowie damit, dass seiner Auffassung nach die Abfalleigenschaft in der Berufung nicht bestritten worden sei.

    Dazu ist Folgendes auszuführen:

    Die wesentliche Frage, ob bestimmte Sachen als Abfall im Sinn des § 2 Abs. 1 AWG 2002 einzustufen sind, stellt eine Rechtsfrage dar, die von der Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung zu beantworten ist.

    Mit dem Hinweis auf den erstinstanzlichen Bescheid in Bezug auf die Annahme der Abfalleigenschaft hat der LH die rechtliche Beurteilung der BH insoweit übernommen und zu seiner eigenen gemacht. Zur Frage, ob es sich bei den gelagerten Materialien um Abfall im Sinn des § 2 AWG 2002 handelt, hat die BH ausgeführt, dass diese Prüfung in der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Abfall- und Stoffflusswirtschaft vorgenommen worden und eine Zuordnung der gelagerten Stoffe zu den im Anhang 1 des AWG 2002 enthaltenen Gruppen von Abfällen getroffen worden sei. Die BH führte im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung weiter aus, dass der Amtssachverständige auch zum Schluss gekommen sei, dass die Entledigungsabsicht des "Verursachers" in Bezug auf das gegenständliche Material gegeben sei und darüber hinaus eine Prüfung vorgenommen worden sei, ob die vorhandenen Materialien nach den objektiven Kriterien des § 2 Abs. 2 AWG 2002 unter Berücksichtigung der Ausschlusskriterien nach § 2 Abs. 3 leg. cit. als Abfall eingestuft werden könnten und ob eine zulässige Verwendung oder Verwertung gegeben sei.

    Diese begründenden Ausführungen mit der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung, dass die Abfalleigenschaft in der Berufung nicht bestritten worden sei, stellen keine tragfähige Begründung für die Bejahung der Abfalleigenschaft dar. Entgegen der vom LH vertretenen Auffassung kann nämlich aus dem Berufungsvorbringen nicht abgeleitet werden, dass die von der BH getroffene Beurteilung, wonach das gegenständliche Material Abfall im Sinn des AWG 2002 sei, vom Beschwerdeführer geteilt und von ihm nicht bekämpft werde. Der LH hätte sich daher im angefochtenen Bescheid mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, in der auf dessen Stellungnahme vom 30. September 2010 verwiesen wurde, wonach durch das Material keine Emissionen freigesetzt würden, es keine Auswirkungen auf die Gesamtheit der Umwelt habe und das Aufbringen des Materials "ausschließlich" der Befestigung der Liegenschaft gedient habe, um das Wegschwemmen des Erdreiches zu verhindern - womit auch die Entledigungsabsicht implizit bestritten wurde -, auseinandersetzen und diesbezüglich, gegebenenfalls nach Ergänzung der eingeholten gutachterlichen Stellungnahme, konkrete Sachverhaltsfeststellungen treffen müssen.

    Für die vom Beschwerdeführer bekämpfte Auffassung des LH, dass es sich bei den gegenständlichen Materialien um Abfall im Sinn des § 2 Abs. 1 AWG 2002 handle, fehlt es daher im angefochtenen Bescheid an einer tauglichen, nachvollziehbaren Begründung, sodass dem Beschwerdevorbringen insoweit Berechtigung zukommt.

    In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass im Übrigen allein aus der Zuordnung von Materialien zu einer bestimmten Schlüsselnummer des Abfallverzeichnisses noch nicht auf die Abfalleigenschaft im objektiven Sinn gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 geschlossen werden kann, weil vor der Einordnung in das Abfallverzeichnis in einem ersten Schritt zunächst das Vorliegen von Abfall im Sinn eines Tatbestandes des § 2 Abs. 1 Z 1 und 2 AWG 2002 zu prüfen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2012, Zl. 2009/07/0123).

    Wenn der LH im angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Frage des Endes der Abfalleigenschaft (vgl. § 5 Abs. 1 AWG 2002) ausführt, dass dieses Ende eine zulässige Verwertung von Abfällen voraussetze, die im Beschwerdefall deshalb nicht vorliege, weil die Schüttung in unmittelbarer Nähe des I.baches "zumindest die Prüfung einer allfälligen wasserrechtlichen Bewilligung der gegenständlichen Maßnahme erfordert hätte", so ist dazu Folgendes zu bemerken:

    Das Abfallende gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 setzt voraus, dass es sich beim abgelagerten Material um einen "Altstoff" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 handelt. Die Definition des Begriffes "Altstoff" in § 2 Abs. 4 Z 1 lit. b leg. cit. stellt auf eine nachweislich zulässige Verwertung von Abfällen ab. Eine solche zulässige Verwertung liegt nur dann vor, wenn dadurch nicht dem AWG 2002 (oder anderen Normen) zuwidergehandelt wird (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2012, Zl. 2008/07/0179, mwN; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/07/0065).

    Die Annahme des LH, dass bereits auf Grund des Erfordernisses der Prüfung einer allfälligen wasserrechtlichen Bewilligungspflicht davon auszugehen sei, dass keine zulässige Verwertung von Abfällen vorliege, findet im Gesetz keine Deckung. Vielmehr bedarf diese Annahme eine mit konkreten Feststellungen begründete nachvollziehbare Darstellung, aus welchen Gründen eine diesbezügliche Verwertungsmaßnahme einer hiefür erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigung bedarf.

    Insoweit hat der LH daher die Rechtslage verkannt. Im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 23. April 2014

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