VwGH 2013/06/0007

VwGH2013/06/000716.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des F R in P, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. November 2012, Zl. ABT13-12.10-P287/2012-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1. G GmbH in P, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, 2. Marktgemeinde P), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Stmk 1995 §13;
BauG Stmk 1995 §22;
BauG Stmk 1995 §4 Z13;
BauG Stmk 1995 §4 Z29;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §13;
BauG Stmk 1995 §22;
BauG Stmk 1995 §4 Z13;
BauG Stmk 1995 §4 Z29;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 25. Oktober 2011 suchte die erstmitbeteiligte Partei (Bauwerberin) um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines überdachten Lagers samt Container sowie von Vordächern an einer bereits bestehenden Halle auf einem näher bezeichneten Grundstück in der zweitmitbeteiligten Gemeinde an.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des an das Bauvorhaben angrenzenden Grundstückes und erhob fristgerecht (in der Bauverhandlung) Einwendungen gegen das Vorhaben. Er machte die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Bauabstände geltend.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2011 erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 20. Dezember 2011 der Bauwerberin die beantragte Bewilligung.

Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers vom 24. Jänner 2012 wurde mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 12. März 2012 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte dieser aus, bei der geplanten Errichtung eines überdachten Lagers samt Container für das Lagern von verpackten Festbrennstoffen (Holz oder Kohle) liege keine Gebäudeeigenschaft vor, weshalb die Abstandsbestimmungen des § 13 Abs. 1 (gemeint wohl: § 13 Abs. 2) Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk. BauG) nicht zum Tragen kämen. Eine Verletzung von Nachbarrechten im Sinne des § 26 Stmk. BauG liege somit nicht vor.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer die Vorstellung vom 2. April 2012 ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. November 2012 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem vorliegenden Gemeindeakt, insbesondere dem Einreichplan, sei zu entnehmen, dass bei dem in Rede stehenden offenen Lager nur an der Nordseite eine Stahlbetonwand (Feuermauer) zum Zweck der Hintanhaltung eines Überschlagens eines möglichen Feuers projektiert worden sei. An den Seitenflächen sowie an der Südostseite der gegenständlichen baulichen Anlage seien keine Umschließungswände vorgesehen. Die Berufungsbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem geplanten Lager um kein Gebäude im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG handle, weil kein überwiegend umschlossenes Bauwerk vorliege. Von der Einhaltung der in § 13 Stmk. BauG normierten Abstandsbestimmungen habe zu Recht abgesehen werden können.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995 (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 13/2011, anzuwenden. Dessen §§ 4, 13 und 26 lauten auszugsweise:

"§ 4

Begriffsbestimmungen

  1. 1.
  2. 13. Bauliche Anlage (Bauwerk): eine Anlage, die mit dem Boden in Verbindung steht und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

    Eine Verbindung mit dem Boden besteht schon dann, wenn die Anlage

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen, Orts und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(4). …

§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

  1. 1.
  2. 2. die Abstände (§ 13);
  3. 3. …"

    Die Beschwerde machte zunächst die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, weil die Behörde nicht geprüft habe, ob das Lager in Zukunft verschlossen werden solle. Dem ist zu entgegnen, dass das Baugenehmigungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist, das sich nur auf das eingereichte, vom ausdrücklichen Antrag des Bauwerbers umfasste Projekt beziehen kann. Nur dieses ist demnach Gegenstand der Baubewilligung. Würde das Bauvorhaben in der Folge anders gebaut oder verwendet werden, hätte dies Gegenstand entsprechender baupolizeilicher Maßnahmen zu sein. Stimmen Pläne mit der Ausführung nicht überein, trägt das Risiko der Bauwerber (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 2008, Zl. 2004/06/0104). Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht somit ins Leere.

    Der Beschwerdeführer wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen, dass die Grenzabstände gemäß § 13 Stmk. BauG einzuhalten seien, weil es sich bei der von der Bauwerberin beantragten Errichtung eines überdachten Lagers samt Container um ein Gebäude gemäß § 4 Z 28 (gemeint wohl: Z 29) Stmk. BauG handle. Darunter sei eine bauliche Anlage zu verstehen, die mindestens einen oberirdisch überdeckten Raum bilde, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen sei. Aus den Plänen, welche einen integrierenden Bestandteil des erstinstanzlichen Genehmigungsbescheides bildeten, sei ersichtlich, dass ein allseits geschlossener Containerraum geplant sei. Dieses Projekt weise daher die vom Gesetz geforderte Gebäudeeigenschaft auf.

    Laut Baubeschreibung vom 27. Oktober 2011 "besteht das neu zu errichtende Gebäude aus einem offenen, überdachten Lagerbereich, der mit Schwerlastregalen ausgestattet wird sowie einem geschlossenen, zweigeschossigen Lager aus handelsüblichen Stahlcontainern".

    Die Auffassung der belangten Behörde, dass das überdachte Lager für sich kein Gebäude im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG darstellt, ist grundsätzlich zutreffend. Die Gebäudedefinition im § 4 Z 29 leg. cit. stellt nämlich darauf ab, dass ein Gebäude allseits oder überwiegend umschlossen ist. Das im vorliegenden Fall zu beurteilende Lager weist lediglich an der Grundstückgrenze zum Beschwerdeführer eine Stahlbetonwand (Feuermauer) auf, die restlichen drei Seitenflächen sind offen. Es kann somit nicht als überwiegend umschlossen beurteilt werden. Mangels Vorliegens eines Gebäudes wäre eine Verletzung der Abstandvorschriften des § 13 Stmk. BauG allein durch das offene Lager zu verneinen.

    Auf die Frage, ob die gegenständlichen Container als Gebäude zu qualifizieren sind, ging die belangte Behörde jedoch überhaupt nicht ein. Diesbezüglich sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach aus, dass Container als bauliche Anlage und zwar als Gebäude zu qualifizieren sind. Bautechnische Kenntnisse sind schon bei der Herstellung der Container erforderlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2008, Zl. 2007/06/0243, mwN.). Das Beschwerdevorbringen, der allseits geschlossene Containerraum weise die vom Gesetz geforderte Gebäudeeigenschaft auf, ist somit zutreffend.

    Laut erstinstanzlichem Bescheid wurde für das betreffende Grundstück eine offene Bebauungsweise festgelegt. Es wird daher zu prüfen sein, ob im Bebauungsplan allenfalls Baugrenzlinien festgesetzt wurden und somit die Errichtung eines Gebäudes unmittelbar an der Nachbargrenze zulässig ist. Im Hintergrund steht auch die Frage der Teilbarkeit des Vorhabens (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2008/06/0087, mwN).

    Da die belangte Behörde - in Verkennung der Rechtslage - die Gebäudeeigenschaft der Container nicht prüfte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 16. Mai 2013

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