VwGH 2008/06/0087

VwGH2008/06/00879.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des Ing. Mag. M K in F, vertreten durch Stix Rechtsanwälte Partnerschaft in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. April 2008, Zl. Ve1-8-1/453-1, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2001 §26;
BauO Tir 2001 §59 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;
BauO Tir 2001 §26;
BauO Tir 2001 §59 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Beschwerdeverfahren betrifft ein bebautes Grundstück im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Das auf dem Grundstück ursprünglich bestandene Haus (Baubewilligung vom 15. März 1962) wies ein Kellergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Obergeschoss auf, gedeckt war es mit einem Satteldach. Mit dem (unbekämpft gebliebenen) erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 7. April 2003 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues zu diesem Gebäude und zum Aufbau eines Dachgeschosses erteilt. Der Zubau erfolgte im Kellergeschoss, dann (über die gesamte Breite des Hauses) im Erdgeschoss und im Obergeschoss, die Aufstockung (ein neues Dachgeschoss) erstreckte sich auch über den Altbestand. Im Zubau war ein neues Treppenhaus vorgesehen, welches vom Kellergeschoss bis ins neue Dachgeschoss führte. Im Anbau waren sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Obergeschoss jeweils zwei abgeschlossene Zimmereinheiten mit Bad/WC geplant, im Dachgeschoss war eine Wohneinheit vorgesehen. Die bestehende Wohneinheit im Erd- und Obergeschoss blieb unverändert (der Zugang zum Erdgeschoss des Altbestandes erfolgte über eine bestehende Außentreppe, das Gelände ist auf den Plänen nicht eben, das Erdgeschoss ist im Bereich des Zuganges gegenüber dem Gelände erhöht), das Obergeschoss des Altbestandes war durch eine Innentreppe vom Erdgeschoss aus aufgeschlossen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 4. August 2003 wurde dem Beschwerdeführer weiters die Baubewilligung für den Zubau eines zweiten Untergeschosses beim geplanten Zubau erteilt; auch dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Am 5. September 2003 (Eingangsvermerk) reichte der Beschwerdeführer einen Plan zwecks Genehmigung weiterer baulicher Maßnahmen durch Errichtung eines Schwimmbeckens sowie einer Pergola Holz-Konstruktion auf einem Flachdach (bei Änderung der bereits bewilligten Dachform) sowie durch Errichtung einer Außenwendeltreppe (auf der Seite des Altbestandes) vom Erdboden bis zum Flachdach ein. Die Baubehörde eröffnete dem Beschwerdeführer, dass sie dieses Vorhaben für nicht bewilligungsfähig halte (wurde näher ausgeführt). In einer Verhandlung am 12. Dezember 2003 erläuterte der beigezogene Sachverständige diese Bedenken. Am 3. Mai 2005 brachte der Beschwerdeführer ein neues Baugesuch ein (zwecks Abänderung des genehmigten Zubaues und Errichtung einer Dachterrasse). Nach verschiedenen Verfahrensschritten kam es am 7. Februar 2006 zu einer Bauverhandlung, in welcher das Projekt modifiziert wurde, abweichend von den Einreichungsunterlagen sollte das Geländer über dem Dachgeschoss nicht ausgeführt und die Dachterrasse nur als begehbares (Flach-)Dach ausgeführt werden. Mit dem (ebenfalls unbekämpft gebliebenen) Bescheid des Bürgermeisters vom 16. März 2006 wurde die entsprechende Baubewilligung erteilt. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde eine offene Außen-Wendeltreppe (an der Seite des Altbestandes) bewilligt (gemäß den Plänen mit einem runden Querschnitt und mit einem Außendurchmesser von rund 1,80 m), die vom Erdboden bis zum Dach reicht. Das Flachdach (im Plan nun als begehbares Dach bezeichnet) weist seitlich keinerlei Geländer auf (diese sind im Plan gestrichen; im Pkt. 4. der "baupolizeilichen Bedingungen" dieses Bescheides wird auch ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Decke über dem Dachgeschoß nicht als Dachterrasse, sondern nur als begehbares Dach ausgeführt werden darf). Festzuhalten ist, dass die Erschließung des Zubaues und des neuen Dachgeschosses durch die neu errichtete Innentreppe und die Erschließung des Erdgeschosses des Altbestandes durch die Außentreppe sowie des Obergeschosses des Altbestandes durch die weiterhin bestehende Innentreppe unverändert blieben.

In einer Erledigung vom 22. Mai 2007 eröffnete der Bürgermeister dem Beschwerdeführer, es sei festgestellt worden, dass die Außenstiege anders als bewilligt ausgeführt worden sei. Zudem sei auf dem Dach ein Geländer angebracht worden, obwohl dies nicht genehmigt worden sei. In der Folge legte der Beschwerdeführer Abänderungspläne (Eingangsvermerk vom 8. Juni 2007) zur Genehmigung vor. Vorgesehen ist nun die Errichtung einer Stiegenanlage rechteckigen Grundrisses mit einer Breite von 3,74 m und einer Tiefe von 2,20 m (um dieses Maß ragt die Anlage vor die Front des Altbaues bzw. des darüber aufgesetzten neuen Dachgeschosses; aus den Plänen ergibt sich eine Breite dieser Fassade von rund 10,80 m). Die Konstruktion soll mit einer Stahlpfosten-Riegel-Konstruktion erfolgen, die Einhausung mit einem verzinkten Gitternetz (laut Bauplan "wie Bauzaun"). Im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss sind je ein Ausstieg vorgesehen, gemäß dem Projekt ragt die Konstruktion über das Dach.

In der Bauverhandlung vom 25. Juni 2007 erklärte der beigezogene hochbautechnische Sachverständige, dieses Stiegenhaus entspreche bezüglich seiner Lage zur Grundgrenze einem nachträglich angebauten Stiegenhaus gemäß § 59 TBO. Bezüglich der Höhe sei festzuhalten, dass die Vorgaben des Bebauungsplanes nicht eingehalten worden seien, weil der darin festgelegte höchste Punkt der baulichen Anlage mit 579,20 m durch das Geländer überragt werde. Diesbezüglich sei dieser Bauteil abzuändern und so auszuführen, dass die Höhe laut Bebauungsplan eingehalten werde. Die im Baubewilligungsbescheid vom 16. März 2006 erteilten Auflagen sollten unverändert aufrecht bleiben. Der Beschwerdeführer nahm das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 27. Juni 2007 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zur Änderung der genehmigten Treppe mit der Maßgabe (im Spruch) erteilt: "Alle Bestandteile der Treppe und das Geländer sind in der Höhe laut den Vorgaben des Bebauungsplanes abzuändern"; es folgen verschiedene Vorschreibungen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und führte darin aus, der Bescheid werde insoweit angefochten, als die Baubewilligung unter der Bedingung erteilt worden sei, dass alle Bestandteile der Treppe und das Geländer in der Höhe gemäß den Vorgaben des Bebauungsplanes abzuändern seien. Beim gegenständlichen Geländer handle es sich nicht um einen massiven, sondern lediglich um einen untergeordneten Bauteil. Es handle sich um eine selbsttragende Stahlskelett-Konstruktion mit Gitterfüllung als Absturzschutz und eingelegten Gitterrosten als Trittstufen. Gemäß § 62 Abs. 5 TROG blieben untergeordnete Bauteile bei der Bestimmung des obersten Punktes von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen außer Betracht. Beantragt wurde, den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die baurechtliche Bewilligung ohne die bekämpfte Bedingung erteilt werde.

Mit dem Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom 15. November 2007 wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Baubewilligung zur Gänze versagt und das Baugesuch abgewiesen wurde. Zusammengefasst wird dies damit begründet, die Treppe reiche in den Mindestabstand zur Nachbargrenze (wurde näher errechnet). Gemäß § 2 Abs. 16 TBO 2001 zählten unter anderem Freitreppen zu den untergeordneten Bauteilen. Bei einer Freitreppe handle es sich um eine an einem Gebäude außen angeordnete Treppe, wie beispielsweise um eine Vortreppe oder eine Terrassentreppe. In den Erläuterungen zur 4. Bauordnungsnovelle (zur TBO 1998, LGBl. Nr. 74/2001) heiße es:

Bautechnisch werde unter einer Freitreppe eine offene Treppenanlage verstanden, die zum erhöhten Grund- oder ersten Obergeschoss eines Gebäudes empor führe. Dagegen handle es sich bei einem Treppenturm um einen an die Außenwand eines Gebäudes angesetzten, oft turmartig überhöhten runden, polygonalen oder quadratischen Baukörper, der im Inneren eine Treppe enthalte. Demgemäß könne die innere Treppe nicht als "Freitreppe" angesehen werden, weil sie gemäß den Planunterlagen zur Verbindung der einzelnen Geschosse vom Erdgeschossniveau bis 1,20 m über das Flachdach des zweiten Obergeschosses führen solle. Es handle sich dabei nicht um einen untergeordneten Bauteil, weshalb die Abstandsbestimmungen des § 6 Abs. 1 TBO 2001 relevant seien. Dieser Abstand werde nicht eingehalten (wurde näher ausgeführt).

Auch aus § 59 Abs. 10 TBO 2001 sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen: Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der TBO 2001 habe das Wohnhaus aus Keller-, Erd- und einem Obergeschoss bestanden. Diese Bestimmung sei daher "nur bis zur Höhe der bis dahin rechtmäßig vorhandenen Geschosse" anzuwenden. Da die Stiege auch über das mit Bescheid vom 7. April 2004 neu errichtete zweite Obergeschoss und über die Decke des Flachdaches auf das Dach führe, sei § 59 Abs. 10 TBO 2001 nicht anwendbar; allenfalls nur für die Stiege bis zum ersten Obergeschoss. Somit könne die Treppenanlage auch nach dieser Bestimmung nicht genehmigt werden.

Im Bebauungsplan sei als oberster Punkt des Gebäudes eine Höhe von 579,20 m festgelegt worden. Die Oberkante des Firstes sei im Plan mit 597,02 m ausgewiesen. Die Stiegenanlage inklusive Geländer reiche 90 cm darüber. Sie sei, wie dargelegt, nicht als untergeordneter Bauteil zu werten. Das Geländer sei ein Bestandteil der Treppe. Daher fielen diese sowohl unter die Abstandsbestimmung des § 6 TBO 2001 als auch unter die Begrenzung des Bebauungsplanes (oberster Punkt des Gebäudes). Die Gesamtanlage überschreite diese Festlegung.

Im Baubewilligungsbescheid vom 16. März 2006 seien die Geländer über dem Niveau des Flachdaches nicht genehmigt worden, das Dach dürfe nur als begehbares Dach ausgeführt werden.

Da die Errichtung der Außenstiege gemäß der gegenständlichen Planung unzulässig sei, sei die Berufung abzuweisen und der Bescheid der Behörde erster Instanz insoweit abzuändern gewesen, dass die Baugenehmigung zu versagen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung heißt es insbesondere, soweit der Beschwerdeführer meine, sein Recht auf Parteiengehör sei durch die Berufungsbehörde verletzt worden, treffe dies nicht zu. Die Berufungsbehörde habe nämlich keinerlei neue Beweise aufgenommen, weil die maßgeblichen bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der ersten Instanz vorgelegen seien. Darüber hinaus seien offenkundige Tatsachen den Parteien ebenso wenig vorzuhalten wie Beweise, die von der Partei selbst beigebracht worden seien, im vorliegenden Fall die eingereichten Pläne. Es treffe auch die Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu, dass der Berufungsbehörde lediglich das Recht der Prüfung hinsichtlich der bekämpften Bedingung zugekommen sei. Werde der Bescheid lediglich in einem Spruchpunkt bekämpft und blieben die übrigen Spruchpunkte unangefochten, so sei hinsichtlich des Beurteilungsspielraumes der Berufungsbehörde zu unterscheiden, ob dieser Spruchpunkt untrennbar mit dem übrigen Bescheidspruch verbunden sei oder beide Teile von einander lösbar seien. Bei Bedingungen bzw. Auflagen handle es sich um untrennbar mit dem Bescheidspruch verbundene Bestandteile. Nach ständiger Judikatur lasse deshalb die Bekämpfung einer Bedingung bzw. Auflage den Bescheid auch nicht in Teilen in Rechtskraft erwachsen und es unterliege somit der gesamte Bescheid der Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde. Ein Verbot der reformatio in peius bestehe nicht.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich hier nicht um eine Freitreppe und nicht um einen untergeordneten Bauteil im Sinne des § 2 Abs. 16 TBO 2001. Freitreppen seien grundsätzlich außen angeordnete, nicht überdachte Treppen. Jedoch sei zur exakten Anwendung im Sinne der Bautechnik zu differenzieren: Bautechnisch werde unter einer Freitreppe eine offene Treppenanlage verstanden, die zum erhöhten Grund- oder ersten Obergeschoss eines Gebäudes empor führe. Dagegen handle es sich bei einem Treppenturm um einen an die Außenwand eines Gebäudes angesetzten, oft turmartig überhöhten runden, polygonalen oder quadratischen Baukörper, der im Inneren eine Treppe enthalte (Hinweis auf Literaturmeinungen). Bei dieser Treppe könne es sich daher bautechnisch nicht um eine Freitreppe handeln, weil sie dazu bestimmt sei, das erste und zweite Obergeschoss sowie das Dach zu erreichen. Vielmehr handle es sich dabei um einen Treppenturm, weil dieser als "quadratisch" errichteter, grobmaschiger Baukörper (mit einem verzinkten Gitternetz) im Inneren eine Treppe enthalte. Da es sich somit um einen Treppenturm handle, liege kein untergeordneter Bauteil vor. Damit habe die Treppenanlage die Abstandsbestimmungen des § 6 Abs. 1 TBO 2001 einzuhalten.

Gemäß § 59 Abs. 10 TBO 2001 dürften Treppentürme bei Gebäuden, für die die Baubewilligung auf Grund von Vorschriften vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes erteilt worden sei, in die Mindestabstandsfläche des § 6 Abs. 1 leg. cit. ragen. Für das ursprüngliche Gebäude sei eine Baubewilligung bereits im Jahre 1962 erteilt worden; für die erfolgten Zubauten, insbesondere für den Ausbau des nunmehr über den Treppenturm erschlossenen Dachgeschosses sei die Bewilligung im Jahr 2003 erteilt worden. Eine Differenzierung zwischen dem ursprünglichen Gebäude und dem Gebäude nach den erfolgten Umbauten gemäß der Bewilligung aus dem Jahr 2003 sei jedenfalls erforderlich, weil § 59 Abs. 10 TBO 2001 ja gerade auf die Erteilung der Baubewilligung und nicht auf den Bestand des Gebäudes abstelle. Durch die seit 1998 bewilligten Änderungen am Gebäude seien zwei neue Erschließungsebenen, nämlich ein Obergeschoss und ein begehbares Dach, geschaffen worden. Daher könne im Beschwerdefall die Übergangsbestimmung des § 59 Abs. 10 TBO 2001 nicht herangezogen werden, weshalb den Ausführungen der Berufungsbehörde zu folgen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 35/2005 anzuwenden.

§ 2 TBO 2001 enthält Begriffsbestimmungen; dessen Abs. 16 lautet:

"(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Kamine, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Erker, Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoss angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen und Solaranlagen."

§ 59 Abs. 8, 9 und 10 leg. cit. lautet:

"(8) Wird an ein im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes bestehendes Gebäude ein Vollwärmeschutz angebracht, so darf dieser bis höchstens 20 cm vor die Baufluchtlinie und in die Mindestabstandsflächen nach § 6 Abs. 1 sowie höchstens im selben Ausmaß mit Zustimmung des Straßenverwalters vor die Straßenfluchtlinie und mit Zustimmung des Eigentümers des betroffenen Grundstückes oder des sonst hierüber Verfügungsberechtigten über die Grenzen des Bauplatzes ragen.

(9) An ein im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes bestehendes Gebäude darf im Bereich der Dachflächen eine Wärmedämmung bis höchstens 20 cm angebracht werden, auch wenn dadurch die in einem Bebauungsplan festgelegten Bauhöhen überschritten oder die Mindestabstände nach § 6 unterschritten werden.

(10) Bei Gebäuden, für die die Baubewilligung aufgrund von Vorschriften vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes erteilt wurde, dürfen nachträglich angebaute Treppentürme und bauliche Anlagen für Personenaufzüge unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 erster Satz vor die Baufluchtlinie ragen oder vor dieser errichtet werden. Weiters dürfen solche Anbauten in die Mindestabstandsflächen nach § 6 Abs. 1 ragen oder innerhalb dieser Flächen errichtet werden, wenn den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird. Ist eine Baugrenzlinie festgelegt, so dürfen sie unter dieser Voraussetzung vor die Baugrenzlinie ragen oder vor dieser errichtet werden. Im Übrigen bleiben sie im Rahmen des § 6 Abs. 6 erster Satz unberücksichtigt. Der Abstand von 1 m gegenüber anderen Grundstücken als Verkehrsflächen darf jedoch nur unterschritten werden, wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt."

§ 62 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006 (TROG 2006), LGBl. Nr. 27 (Wiederverlautbarung), lautet:

"(5) Bei der Bestimmung des obersten Punktes von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen bleiben untergeordnete Bauteile außer Betracht. Weiters gelten Festlegungen über den obersten Punkt nicht für Gebäude und sonstige bauliche Anlagen, die aus zwingenden technischen Gründen nur mit einer größeren als der danach zulässigen Höhe errichtet werden können."

Der Beschwerdeführer rügt auch im Beschwerdeverfahren, dass die Berufungsbehörde sein rechtliches Gehör verletzt habe, nur zeigt er die Relevanz des Verfahrensmangels nicht auf: Er meint, es seien Feststellungen anhand von Plänen und Aktenunterlagen getroffen worden, ohne die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort festzustellen. Ohne Verfahrensmängel hätte sich ergeben, dass der Befund des hochbautechnischen Sachverständigen, wie im Bescheid vom 27. Juni 2007 wiedergegeben ist, richtig sei, dass auch keine Nachbareinwendungen im Sinne von Verletzung von Abstandsvorschriften erhoben worden seien und dass eine Überprüfung des Grenzabstandes wegen Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides in diesem Punkt gar nicht geboten gewesen sei.

Dem ist zu entgegnen, dass ein Baubewilligungsverfahren (auch im Falle einer nachträglichen Baubewilligung) ein Projektgenehmigungsverfahren ist, dessen Gegenstand somit das Projekt ist, wie es sich in den Plan- und sonstigen Einreichungsunterlagen darstellt, nicht etwa ein (möglicherweise davon abweichender) bestehender tatsächlicher Zustand (ein Lichtbild, welches das Haus - zwei Fronten - samt diesem bereits errichteten Stiegenhaus zeigt, befindet sich ohnedies in den Verwaltungsakten). Was aus den Darlegungen des hochbautechnischen Sachverständigen in der Bauverhandlung (wiedergegeben im erstinstanzlichen Bescheid vom 27. Juni 2007 - wonach das Stiegenhaus bezüglich seiner Lage zur Grundgrenze als nachträglich angebautes Stiegenhaus den Bestimmungen des § 59 TBO 2001 entspreche, sowie, dass dessen Höhe den Vorgaben des Bebauungsplanes nicht entspreche, weshalb dieser Bauteil zu ändern und so auszuführen sei, dass die Höhe laut Bebauungsplan eingehalten werde) für den Beschwerdeführer zu gewinnen sein soll, ist nicht ersichtlich. Ob der Bescheid erster Instanz in Teilrechtskraft erwachsen konnte oder nicht, ist keine Tatfrage.

Der Beschwerdeführer vertritt weiterhin die Auffassung, es handle sich bei dieser Stiegenanlage um einen untergeordneten Bauteil, nämlich um eine Freitreppe. Dies trifft nicht zu: § 2 Abs. 16 TBO 2001 nennt (demonstrativ) Bauteile bzw. bauliche Anlagen, bei denen es sich typischerweise, also grundsätzlich, um untergeordnete Bauteile handelt. Das bedeutet nicht (arg. "untergeordnet"), dass solche Bauteile bzw. baulichen Anlagen jedenfalls, also zwingend, ohne Rücksicht auf ihre konkrete Beschaffenheit und Dimension, also mit welcher Größe auch immer, als "untergeordnete Bauteile" zu qualifizieren wären. Die konkreten Umstände des jeweiligen Falles dürfen daher nicht außer Acht gelassen werden (vgl. zu "Erschließungsgängen" das hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0089, zur TBO 1998).

Vor diesem Hintergrund kann das geplante Stiegenhaus mit Rücksicht auf seine Dimension (Breite, Tiefe, Höhe) nicht als "untergeordneter Bauteil" qualifiziert werden.

Es trifft auch nicht zu, wie der Beschwerdeführer meint, dass gerade jene Teile des Stiegenhauses, welche die im Bebauungsplan festgelegte höchstzulässige Höhe des Gebäudes überschreiten, als untergeordnete Bauteile zu qualifizieren wären, weil im Beschwerdefall für eine solche Differenzierung bei dieser einheitlichen Konstruktion keine Handhabe besteht.

Der Beschwerdeführer meint weiters, dennoch sei "der die absolute Höhe überragende Teil zu genehmigen, weil dieser aus zwingenden technischen Gründen nur mit einer größeren als der zulässigen Höhe errichtet werden kann. Es gilt in diesem Fall die Ausnahmebestimmung des § 62 Abs. 5 TROG 2006. Die zwingenden technischen Gründe ergeben sich unmittelbar aus den bescheidmäßigen Auflagen der Baubehörde erster Instanz". Auch diese Auffassung trifft nicht zu. Eine zwingende technische Notwendigkeit, dieses Stiegenhaus in dieser Dimension wie geplant bis über das Dach zu führen, ist nicht erkennbar. Freilich ist ein Zugang zu diesem Dach erforderlich, nämlich insbesondere für den Rauchfangkehrer, aber auch um Kontrollen oder auch Revisionsarbeiten durchzuführen. Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb ein Stiegenhaus dieser Dimension dafür erforderlich sein sollte und nicht etwa ein Rauchfangkehreraufstieg genüge. Dem Beschwerdeführer wäre es auch freigestanden, die bereits genehmigte Wendeltreppe zu errichten (und nicht konsenslos, somit rechtswidrig, den nun gegenständlichen Treppenturm). Nicht unerwähnt soll bleiben, dass gemäß der im Jahr 2003 erteilten Baubewilligung überhaupt kein solches äußeres Stiegenhaus oder dergleichen vorgesehen war (somit das damals wenngleich in anderer Form bewilligte Dach auf andere Weise als durch eine solche Außentreppe erschlossen werden musste). Es ist ausgeschlossen, aus dem Bescheid erster Instanz die Notwendigkeit dieses Teiles des Stiegenhauses (oberhalb der Höhenbegrenzung) ableiten zu wollen, wurde doch im Bescheid erster Instanz dezidiert aufgetragen, alle Bestandteile der Treppe und das Geländer der Höhe gemäß den Vorgaben des Bebauungsplanes abzuändern.

Die Beurteilung der Behörde erster Instanz, (jedenfalls) der Teil dieses Stiegenhauses oberhalb der höchstzulässigen Höhe gemäß dem Bebauungsplan sei unzulässig, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Auch aus § 59 Abs. 10 TBO 2001 ist für den Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nichts zu gewinnen: Diese Bestimmung - damals § 58 Abs. 10 - wurde mit § 5 Abs. 2 TBO durch die 4. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 74/2001, novelliert, das ist die nunmehrige Fassung; anlässlich der Wiederverlautbarung der TBO 1998 wurde die Paragraphenbezeichnung geändert (nunmehr § 59 Abs. 10). § 59 Abs. 10 TBO 2001 stellt (anders als die Abs. 8 und 9) auf den Zeitpunkt der Baubewilligung für das Gebäude ab, nämlich darauf, ob die Baubewilligung vor dem Inkrafttreten der TBO 1998 (irrig "2001" Bescheid erster Instanz), das war der 1. März 1998 (§ 60 TBO 2001), erteilt wurde. In den Erläuterungen zur 4. Bauordnungsnovelle (wiedergegeben in Wolf, Tiroler Baurecht2, Seite 59, zu § 5 TBO 2001) heißt es in diesem Zusammenhang, die Regelungen für Anbauten seien vereinheitlicht worden, wobei im Sinne der bereits in § 2 Abs. 16 erfolgten terminologischen Bereinigung nicht mehr von Stiegenhäusern und von Freitreppen, sondern von Treppentürmen gesprochen werde. Dabei blieben die bisherigen Sonderregelungen, die vor allem im Altbaubestand bauliche Verbesserungen und damit eine Hebung der Wohnqualität ermöglichen sollten, im Wesentlichen aufrecht. Demgegenüber sei bei Neubauten davon auszugehen, dass den aus heutiger Sicht bestehenden Bedürfnissen schon bei der Planung entsprochen werde. In diesem Sinne würden Gebäude, für die die Baubewilligung bereits auf Grund der Tiroler Bauordnung 1998 erteilt worden sei, von diesem Sonderregime nunmehr ausgenommen (Anmerkung: der frühere § 58 Abs. 10 TBO 1998 stellte auf den 1. Jänner 1975 ab).

§ 59 Abs. 10 TBO 2001 regelt nicht ausdrücklich den Fall, dass, so wie hier, die Baubewilligung für Teile des Gebäudes teils vor und teils nach dem 1. März 1998 erteilt wurde. Aus den Erläuterungen zur 4. Bauordnungsnovelle und dem Regelungsinhalt dieser Bestimmung ist aber abzuleiten, dass § 59 Abs. 10 TBO 2001 bei Gebäuden, für die verschiedene Bewilligungen erteilt wurden, nur für jenen Altbestand anzuwenden ist, der vor dem 1. März 1998 (In-Kraft-Treten der TBO 1998) bewilligt wurde. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass mit dieser Bestimmung auch eine Einschränkung der Abstandsvorschriften erfolgt und die Vorschriften über den Mindestabstand im Hinblick auf die Wahrung von Belichtung und Belüftung (also auch aus gesundheitlichen Aspekten) auch dem öffentlichen Interesse dienen und nicht bloß den subjektiven Interessen von Nachbarn. Diese Möglichkeit ist (daher) - als Ausnahmebestimmung - im Zweifel restriktiv zu interpretieren. Das Dachgeschoss und das Flachdach wurden auf Grund von Baubewilligungen nach dem 1. März 1998 geschaffen. Für eine entsprechende Aufschließung durch Treppen konnte daher im Zuge der Planung Vorsorge getragen werden (das Dachgeschoss ist auch nach wie vor durch das neue Treppenhaus im Zubau erschlossen), sodass aus diesem Blickwinkel eine sachliche Rechtfertigung für eine Fortführung dieses Stiegenhauses der Höhe nach (und auch in dieser Dimension) bis zum Flachdach, das bloß begehbar ist, aber nicht als Terrasse verwendet werden darf, nicht erkennbar ist (im Übrigen auch nicht eine Fortführung vom ersten Obergeschoss zum Dachgeschoss, welches durch das im Inneren des Gebäudes befindliche Stiegenhaus erschlossen wird; weshalb hingegen diese Treppenanlage, soweit sie zum ersten Obergeschoss führt, im Sinne der Erläuterungen zur 4. Bauordnungsnovelle zur Hebung der Wohnqualität des Altbestandes dienen soll, ist nicht ersichtlich).

Es bleibt aber noch zu prüfen, ob "Sache" des Berufungsverfahrens das gesamte Projekt war (was der Beschwerdeführer verneint) oder nur die bekämpfte Beschränkung. Zutreffend verweist die belangte Behörde darauf, dass eine derartige Beschränkung mit dem (übrigen) Spruch grundsätzlich eine untrennbare Einheit bildet (siehe dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, in E 60 wiedergegebene hg. Judikatur). Im Hintergrund steht somit die Frage der Teilbarkeit des Vorhabens. Technisch ist das Vorhaben fraglos teilbar. In rechtlicher Hinsicht ist aber ein Bauverfahren grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Baubehörde bewilligt oder abgelehnt werden kann. Eine Trennbarkeit in mehrere Teile ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine - der Baubehörde verwehrte - Einflussnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich ist; letztlich maßgeblich ist daher der Wille des Bauwerbers (siehe dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 119, mwN). Dass das Vorhaben in diesem Sinne teilbar wäre, gibt der Beschwerdeführer nicht zu erkennen, vielmehr geht die Tendenz seines Vorbringens dahin, es sei unteilbar, es müsse geradezu zwingend alles bewilligt werden. Vor diesem Hintergrund teilt der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung der belangten Behörde, dass "Sache" des Berufungsverfahrens wegen der rechtlichen Unteilbarkeit des Vorhabens, also ungeachtet der Formulierung der Berufung, das gesamte Vorhaben war und die in erster Instanz erteilte Bewilligung nicht in Teilrechtskraft erwachsen konnte. Da das Vorhaben, wie dargelegt, als solches jedenfalls wegen seiner höhenmäßigen Entwicklung als solches nicht bewilligungsfähig war, wurde der Antrag zu Recht abgewiesen. Daraus, dass mit dem Baubewilligungsbescheid vom 16. März 2006 bereits eine Treppenanlage, nämlich eine Wendeltreppe, bewilligt wurde, ist für den Beschwerdeführer hier nichts zu gewinnen, weil es hier um die Genehmigung einer anderen Treppenanlage geht. Die Frage, ob der Beschwerdeführer (nach Beseitigung der rechtswidrig tatsächlich errichteten Treppenanlage) in Ausnützung der Baubewilligung vom 16. März 2006 berechtigt wäre, die Wendeltreppe zu errichten, ist in diesem Beschwerdeverfahren nicht näher zu untersuchen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. September 2008

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