Normen
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z3;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11;
VwGG §42 Abs2 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z3;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, ihm im Hinblick auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - aus, der Beschwerdeführer habe seit April 2007 seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Am 23. Jänner 2009 habe er in Wien die österreichische Staatsbürgerin M geheiratet und am 13. März 2009 den hier gegenständlichen Antrag eingebracht.
Zwar habe der Beschwerdeführer ursprünglich behauptet, seine Ehefrau sei drei Monate lang in M als Geschäftsführerin eines Unternehmens tätig gewesen. Er habe dafür aber keine Nachweise beigebracht. Es sei somit nicht nachgewiesen worden, dass ein "Freizügigkeitssachverhalt" vorliege. im Übrigen habe er letztlich ausdrücklich einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" begehrt.
Die Bundespolizeidirektion Wien habe den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26. Jänner 2009 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts ausgewiesen. Dieser Bescheid sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien bestätigt worden. Die Ausweisung sei seit 26. Februar 2009 rechtskräftig. Der gegen die Entscheidung der Sicherheitsdirektion eingebrachten Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Mai 2009 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Im "speziellen Fall" des Beschwerdeführers sei "§ 11 Abs. 1 Ziffer 3 NAG ein entscheidender Punkt". Er hätte den Antrag nach § 21 Abs. 1 NAG erst einbringen dürfen, wenn er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen wäre. Die im gegenständlichen Verfahren eingebrachte Berufung hätte er zurückzuziehen sollen. § 11 Abs. 1 Z 3 NAG verliere nur "seine Wirksamkeit", wenn der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachkomme und dann den Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG bei der österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringe. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, seine Berufung zurückzuziehen. Dazu habe er keine Stellungnahme abgegeben.
Somit sei der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 NAG "zwingend zu versagen". Ausführungen zur Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG gingen "ins Leere, weil bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung" darauf nicht Bedacht zu nehmen sei.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sie davon ausgehe, die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers sehe sich auch im Falle der Verweigerung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer nicht de facto gezwungen, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Das Vorbringen sei bloß als Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich zu werten "bzw." lägen dem Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich wirtschaftliche Überlegungen zugrunde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (26. April 2012) nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 richtet.
§ 11 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 NAG (samt Überschrift) lautet:
"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
…
3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
…
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
- 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
- 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
- 4. der Grad der Integration;
- 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
- 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
- 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde mit dem Hinweis, dass im Entscheidungszeitpunkt eine durchsetzbare Ausweisung nicht bestanden habe und somit der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 3 NAG nicht zur Anwendung komme. Damit ist die Beschwerde im Recht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2009/18/0085, die gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Februar 2009 erlassene Ausweisung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts - mit Wirkung ex tunc (§ 42 Abs. 3 VwGG) - aufgehoben. Schon deshalb erweist sich die auf § 11 Abs. 1 Z 3 NAG gestützte Antragsabweisung als rechtswidrig.
Die belangte Behörde unterliegt aber auch einem Rechtsirrtum, wenn sie davon ausgeht, beim Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 3 NAG handle es sich um das Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung und die Erfüllung des darin enthaltenen Tatbestandes führe dazu, dass eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK nicht durchzuführen sei.
Bei den in § 11 NAG enthaltenen Erfordernissen handelt es sich - was auch schon aus der Überschrift zu § 11 NAG deutlich hervorgeht - um allgemeine Erteilungsvoraussetzungen. Schon dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 NAG ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass dieser Bestimmung zufolge trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (u.a.) gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 NAG ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. Somit entspricht die gegenteilige Ansicht der belangten Behörde nicht der Rechtslage.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 20. August 2013
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