VwGH 2012/21/0212

VwGH2012/21/021224.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des S E in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 12. Juli 2012, Zl. UVS 26.20-43/2011-11, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §125 Abs14 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §52 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §52 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §55 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §55 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs2 Z8 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §125 Abs14 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §52 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §52 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §55 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §55 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs2 Z8 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §61 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste am 19. Dezember 2003 illegal in das Bundesgebiet ein. Er stellte einen Asylantrag, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Mai 2008 abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass (u.a.) die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien zulässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde, der mit Beschluss vom 26. August 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, am 10. Dezember 2009 ab.

Bereits davor war mit dem im Instanzenzug ergangenen (im zweiten Rechtsgang erlassenen) Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 24. September 2009 über den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein mit zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot verhängt worden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof (ohne Einleitung eines Vorverfahrens) mit Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0344, als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Erkenntnisses ging der Verwaltungsgerichtshof (aufgrund der Beschwerde und der damit vorgelegten Bescheidausfertigung) davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum Juni 2004 bis Ende Juli 2007 insgesamt fünf versuchte Ladendiebstähle begangen habe, wobei es sich bei der ersten Tat um einen räuberischen Diebstahl gehandelt hatte. Hierfür wurde über den Beschwerdeführer eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten (davon 8 Monate bedingt) verhängt (Urteil vom 15. Juli 2004); danach erhielt der Beschwerdeführer eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Wochen (Urteil vom 24. Juli 2006), im Übrigen blieb es bei Geldstrafen (Urteile vom 5. März 2007, vom 7. August 2007 und vom 8. November 2007). Die darauf gegründete Ansicht der Sicherheitsdirektion, es sei die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Gefährdungsannahme gerechtfertigt, teilte der Verwaltungsgerichtshof, weil der Beschwerdeführer mehrfach innerhalb relativ kurzer Zeit einschlägig rückfällig geworden sei, wobei ihn von der Tatwiederholung weder der Vollzug des unbedingten Teils der bei der ersten Verurteilung verhängten Freiheitsstrafe noch der drohende Widerruf des damals bedingt nachgesehenen Strafteils, aber auch nicht die danach bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe und die in der Folge unbedingt verhängte Geldstrafe hätten abhalten können. Außerdem seien die drei letzten Straftaten begangen worden, obwohl gegen den Beschwerdeführer damals bereits (im ersten Rechtsgang) ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen worden sei.

Die belangte Behörde habe - so der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter - im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG ausreichend auf die Wohngemeinschaft des Beschwerdeführers mit seinem Bruder und dessen Familie sowie mit seiner Mutter Bedacht genommen, diesen Bindungen aber zu Recht relativierend entgegen gehalten, dass der bereits 31 Jahre alte Beschwerdeführer (ebenso wie seine Angehörigen) nur vorläufig nach den asylrechtlichen Bestimmungen aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Im Hinblick auf das fallbezogen hoch zu bewertende öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen fremdes Eigentum habe die Erlassung des Rückkehrverbotes für dringend geboten angesehen werden dürfen. Eine aus dem Rückkehrverbot (in Verbindung mit einer Ausweisung) resultierende allfällige Trennung von seinen Familienangehörigen und eine Erschwerung des Kontakts zu ihnen sei daher - so der Verwaltungsgerichtshof abschließend - im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Sodann wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 14. Jänner 2011 gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 6. Mai 2011, mit dem die Berufung gegen die Ausweisung abgewiesen worden war, wurde mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 30. August 2011 für nichtig erklärt.

Nunmehr sprach der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (die belangte Behörde) über diese Berufung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Juli 2012 dahin ab, dass sie gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen werde.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte die belangte Behörde zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers fest, er erhalte von der Caritas eine monatliche Unterstützung von EUR 150,--; sonst habe er kein Einkommen. Er könne aber sofort auf einer Baustelle zu arbeiten beginnen. Der Beschwerdeführer habe seit eineinhalb Jahren eine armenische Lebensgefährtin, die als Asylwerberin aufenthaltsberechtigt sei. Die gemeinsame Tochter sei am 10. November 2011 geboren worden. Die Mutter des Beschwerdeführers habe verschiedene Krankheiten; er kümmere sich um sie. Der Beschwerdeführer habe im Jänner 2011 das "Zertifikat Modul II Niveau A 2" erworben. In der Verhandlung habe sich auch gezeigt, dass er ohne Weiteres in Deutsch habe befragt werden können. Mittlerweile habe es keine weiteren strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers gegeben.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens "im Jahr 2008" verfüge der Beschwerdeführer über keinen "Aufenthaltstitel" mehr. Danach wurden die guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers, die seit über einem Jahr bestehende Lebensgemeinschaft und die Geburt der Tochter erwähnt. Es sei jedoch - so die belangte Behörde daran anschließend - zu berücksichtigen, dass gegen den Beschwerdeführer ein seit 30. September 2009 rechtskräftiges, mit zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot bestehe und die dagegen erhobene Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe eine aus den in der Vergangenheit gezeigten Tatwiederholungen ableitbare große Rückfallgefahr angenommen, obwohl dabei vier (mit den Urteilsdaten bezeichnete) weitere rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen Eigentumsdelikten zwischen 2006 und 2007 noch gar nicht berücksichtigt worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer eine allfällige Trennung von seinen Angehörigen in Kauf nehmen müsse. Insofern liege zwar im Hinblick auf die Lebensgefährtin, die allerdings nur den Status einer Asylwerberin habe, und die gemeinsame Tochter eine Änderung vor, doch sei das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden, als bereits ein rechtskräftiges Rückkehrverbot bestanden habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer keinerlei berufliche Integration aufweise, sondern lediglich "Sozialhilfe" von der Caritas erhalte. Angesichts dessen erscheine im vorliegenden Fall eine Rückkehrentscheidung dringend geboten; das Privat- und Familienleben und die "erreichte Integration" des Beschwerdeführers könnten das öffentliche Interesse an seiner "Ausweisung" nicht überwiegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 14. Jänner 2011 wurde gemäß § 53 Abs. 1 FPG in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011), BGBl. I Nr. 38, die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt. Der vorliegend angefochtene Berufungsbescheid vom 12. Juli 2012 wurde allerdings erst nach Inkrafttreten des FrÄG 2011 (mit 1. Juli 2011) erlassen. Da für die Berufungsbehörde grundsätzlich die (Sach- und) Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich ist, war von der belangten Behörde somit mangels abweichender Übergangsbestimmungen bereits die neue Rechtslage anzuwenden (vgl. Punkt 1. des hg. Erkenntnisses vom 16. Mai 2012, Zl. 2011/21/0277; siehe daran anschließend auch das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2012, Zl. 2012/18/0027, jeweils mit dem Hinweis auf den hg. Beschluss vom 19. April 2012, Zl. 2012/21/0062).

Dass die belangte Behörde dieser Rechtslagenänderung Rechnung getragen hat, ergibt sich lediglich aus der Begründung, in der als insoweit maßgebliche Norm (nur) § 52 FPG in der geltenden Fassung wiedergegeben und mehrfach der Begriff "Rückkehrentscheidung" verwendet wurde, nicht jedoch aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides. Wie in den zitierten Entscheidungen aber bereits näher ausgeführt wurde, hätte in einem Übergangsfall wie dem vorliegenden im Spruch eine Bestätigung der erstinstanzlichen Ausweisung mit der ausdrücklichen Maßgabe erfolgen müssen, dass sie nunmehr als - nicht mit einem Einreiseverbot verbundene - Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gilt; außerdem wäre gemäß § 55 Abs. 1 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen gewesen, die nach § 55 Abs. 2 FPG grundsätzlich 14 Tage ab Erlassung des Bescheides beträgt.

Ungeachtet des den erstinstanzlichen Bescheid ohne Maßgabe bestätigenden Spruches des angefochtenen Bescheides besteht aber - wie erwähnt - in Verbindung mit seiner Begründung kein Zweifel daran, dass (im Ergebnis zutreffend) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ohne Einreiseverbot erlassen werden sollte. Insofern wird in der Beschwerde auch keine Verletzung in subjektiven Rechten geltend gemacht.

2. Gemäß dem genannten § 52 Abs. 1 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nichts anderes bestimmt ist, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm nach der Beendigung des Asylverfahrens kein Aufenthaltsrecht mehr zukam. Die Dauer des unrechtmäßigen Aufenthalts hat die belangte Behörde aber insofern unrichtig angenommen, als sie dessen Beginn mit der Erlassung des Asylberufungsbescheides vom 27. Mai 2008 ansetzte. Tatsächlich kam dem Beschwerdeführer aber das vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsrecht im Hinblick auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde im Asylverfahren bis zur rechtskräftigen Erlassung des Rückkehrverbotes Ende September 2009 zu (vgl. dazu § 62 Abs. 1 letzter Satz FPG idF vor dem FrÄG 2011). Seither ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers als unrechtmäßig zu qualifizieren und somit der Tatbestand des § 52 Abs. 1 FPG verwirklicht.

3. Würde durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung einer solchen Maßnahme gemäß § 61 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 61 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 61 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. Punkt 2. des schon genannten hg. Erkenntnisses vom 16. Mai 2012, Zl. 2011/21/0277, mwN).

In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerde vor allem auf die aufrechte Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit einer armenischen Asylwerberin und die Geburt der gemeinsamen Tochter im November 2011. 3.1. Die belangte Behörde hat diese Bindungen als relativiert angesehen, weil sie erst nach Erlassung des Rückkehrverbotes und nach Beendigung des Asylverfahrens entstanden sind. Richtig ist zwar, dass diesem Gesichtspunkt nach § 61 Abs. 2 Z 8 FPG Bedeutung zukommt, doch hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, die genannte Bestimmung habe vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung (nunmehr: Rückkehrentscheidung) führen könnte (vgl. etwa das zum inhaltsgleichen § 66 FPG idF vor dem FrÄG 2011 ergangene hg. Erkenntnis vom 29. März 2012, Zl. 2011/23/0176, mwN).

Vor diesem Hintergrund hätte die belangte Behörde nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass das Asylverfahren der ebenfalls aus Armenien stammenden Lebensgefährtin des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig beendet war. In diesem Stadium war ihr eine Rückreise mit dem gemeinsamen Kleinkind in ihr Herkunftsland nicht zumutbar. In der besonderen familiären Situation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen bedurfte es daher einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Armenien und die damit verbundene Trennung von seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen, erst acht Monate alten Kind für dringend geboten erachtet wird und mit der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers nicht zugewartet werden kann, bis feststeht, dass die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auch gegen seine Lebensgefährtin und das Kind zulässig und ihnen eine gemeinsame Ausreise zumutbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 2011, Zl. 2009/21/0197, mwN; siehe daran anschließend etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2009/21/0303, und das schon genannte hg. Erkenntnis vom 29. März 2012, Zl. 2011/23/0176).

3.2. Eine Rechtfertigung für die Zumutbarkeit der Trennung erblickte die belangte Behörde offenbar im Bestehen eines rechtskräftigen Rückkehrverbotes gegen den Beschwerdeführer und einer deshalb anzunehmenden aufrechten Gefährdung öffentlicher Interessen. Die diesbezügliche Begründung im angefochtenen Bescheid besteht aber nur in einem Verweis auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem das Rückkehrverbot betreffenden Erkenntnis vom 22. Dezember 2009.

Dabei hat die belangte Behörde aber nicht berücksichtigt, dass das Rückkehrverbot fast drei Jahre vor Erlassung des hier angefochtenen Bescheides ergangen ist und sich die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes auf die damalige Sachlage bezogen. Demzufolge hat die belangte Behörde in ihre Überlegungen auch nicht einbezogen, dass der Beschwerdeführer die letzte Straftat - der Aktenlage zufolge: ein bloß mit einer Geldstrafe geahndeter versuchter Diebstahl von zwei Paar Schuhen und einem T-Shirt - am 31. Juli 2007 begangen hat und gemäß den Feststellungen im angefochtenen Bescheid danach strafgerichtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist. Ausgehend von einem Wohlverhalten über einen Zeitraum von fünf Jahren bis zur Erlassung der angefochtenen Rückkehrentscheidung hätte es aber einer ergänzenden, darauf Bedacht nehmenden Begründung bedurft, weshalb weiterhin von einer maßgeblichen Gefährdung auszugehen sei. Das macht die Beschwerde der Sache nach zutreffend geltend.

Dass bei Erlassung des Rückkehrverbotes vier Straftaten, die laut angefochtenem Bescheid den bezirksgerichtlichen Urteilen vom 24. Juli 2006, vom 5. März 2007, vom 7. August 2007 und vom 8. November 2007 zugrunde lagen, "noch gar nicht berücksichtigt" worden seien, ist aber - wie sich schon aus der (teilweisen) Wiedergabe der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009 ergibt - nicht zutreffend. Nach den (mit der Aktenlage übereinstimmenden) Feststellungen im angefochtenen Bescheid liegen zwar gegen den Beschwerdeführer tatsächlich zwei weitere strafgerichtliche Verurteilungen vom 9. Juni 2004 und vom 31. März 2005 vor, die noch von der Bundespolizeidirektion Graz in ihrem Bescheid vom 13. Dezember 2005, nicht mehr aber von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark in ihrem Berufungsbescheid vom 24. September 2009 dem Rückkehrverbot zugrunde gelegt wurden. Abgesehen davon, dass diese Straftaten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (zumindest) mehr als sieben Jahre zurücklagen, lässt sich daraus für die Aktualität der Gefährdungsprognose auch deshalb nichts gewinnen, weil die belangte Behörde dazu - und auch zu den anderen Verurteilungen - keine Feststellungen hinsichtlich der zugrunde liegenden Straftaten getroffen hat (vgl. zu dieser Pflicht aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2008/21/0183, mwN). Vielmehr beschränkte sich die belangte Behörde auf die Nennung der Bestimmungen des Strafgesetzbuches und es finden sich überhaupt nur in zwei Fällen Angaben zu den verhängten Strafen.

3.3. Soweit die belangte Behörde bei der Interessenabwägung schließlich vom Fehlen einer "beruflichen Integration" und eines eigenen Einkommens ausging, hätte sie aber auch die von ihr getroffene Feststellung einbeziehen müssen, dass der Beschwerdeführer "sofort auf einer Baustelle zu arbeiten beginnen" könne. Darüber hinaus wurden zwar die guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers und der Erwerb des "Moduls 2 der Integrationsvereinbarung" (vgl. § 14b NAG) erwähnt, jedoch ist aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar, dass diesen Umständen bei der Interessenabwägung ein entsprechendes Gewicht beigemessen worden wäre. Schließlich fehlt auch eine argumentative Auseinandersetzung mit dem festgestellten Umstand, dass die Mutter des Beschwerdeführers "verschiedene Krankheiten" habe und er sich um sie kümmere. Im Übrigen hätte die belangte Behörde in ihre Überlegungen auch einbeziehen müssen, dass sich in Österreich nicht nur die Mutter des Beschwerdeführers, sondern auch sein Bruder samt Familie - nach dem Beschwerdevorbringen:

jeweils mit Aufenthaltstitel - in Österreich befinden.

4. Der angefochtene Bescheid war somit angesichts der aufgezeigten Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3, 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGB. II Nr. 455.

Wien, am 24. Jänner 2013

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