VwGH 2012/18/0183

VwGH2012/18/018322.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des MM in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Jänner 2010, Zl. SD 620/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 87 und § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 25. August 2003 in Österreich eingereist. Am 27. August 2003 habe er einen Asylantrag gestellt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Er verfüge über eine ihm nach asylrechtlichen Bestimmungen zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung.

Der Beschwerdeführer habe am 25. April 2005 die österreichische Staatsbürgerin S geheiratet. Am 9. Juni 2005 habe er darauf gestützt einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht.

Im Weiteren legte die belangte Behörde dar, weshalb sie davon ausgehe, dass es sich bei der Ehe des Beschwerdeführers mit S um eine Aufenthaltsehe im Sinn des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG handle.

In ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Rückkehrverbotes - auch unter Bedachtnahme auf § 86 Abs. 1 FPG - rechtfertige. Der Verhinderung und Bekämpfung von Aufenthaltsehen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Zur Beurteilung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit etwa sechseinhalb Jahren in Österreich auf. Er verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einem Bruder, der österreichischer Staatsbürger sei. Es sei daher davon auszugehen, dass mit dem Rückkehrverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Im Anschluss daran legte die belangte Behörde unter Berücksichtigung der bisherigen Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers dar, weshalb sie von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung ausgehe. Dabei rückte sie in erster Linie das als hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Vordergrund.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. April 2010, Zl. B 323/10-3, abgelehnt und unter einem die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (22. Jänner 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Der gegenständliche Fall gleicht darin, dass es im Berufungsverfahren zu einem mehrjährigen Verfahrensstillstand - hier etwa vier Jahre - gekommen ist, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2012, Zl. 2012/18/0173, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall, das - ebenfalls die belangte Behörde betreffende - hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2012, Zl. 2012/18/0166).

Auch im vorliegenden Fall wäre es im Hinblick auf die seit der erstinstanzlichen Entscheidung vom 24. April 2006 vergangene Zeit geboten gewesen, die Entscheidungsgrundlage zu verbreitern, um die dem Gesetz entsprechende Beurteilung einerseits hinsichtlich einer vom Beschwerdeführer (allenfalls: immer noch) ausgehenden maßgeblichen Gefahr, andererseits hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 66 FPG vornehmen zu können. Dies hat die belangte Behörde aber - was auch in der Beschwerde mit näherem Vorbringen zu jenen Umständen, die sich seit Erlassung des angefochtenen Bescheides ereignet hätten, ausdrücklich mit dem Hinweis, die belangte Behörde hätte sich nicht dafür interessiert und insoweit jegliche Erhebungen unterlassen, gerügt wird - nicht getan, sondern vor Erlassung des angefochtenen Bescheides lediglich einen "Versicherungsdatenauszug" sowie Auskünfte aus der Fremdeninformationsdatei und dem Asylwerberinformationssystem eingeholt.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deswegen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen musste bei diesem Ergebnis nicht weiter eingegangen werden.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2013

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