VwGH 2012/15/0019

VwGH2012/15/001924.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veitgasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 3. Mai 2010, Zl. RV/1365-W/08, miterledigt RV/1367-W/08, RV/510-W/09, in der gemäß § 293 BAO berichtigten Fassung vom 6. Mai 2010, betreffend u. a. Umsatzsteuer 1993 bis 1997, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §114;
BAO §21;
BAO §22;
UGB §114;
UGB §161 Abs2;
UGB §164;
BAO §114;
BAO §21;
BAO §22;
UGB §114;
UGB §161 Abs2;
UGB §164;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Umsatzsteuer 1993 bis 1997 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 220,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die G KG wurde am 3. März 1993 gegründet. Gesellschafter waren der Beschwerdeführer als Komplementär und Dr. G als Kommanditist. Als Prokurist war Dr. M tätig. Die G KG ist infolge der Übertragung des Betriebes an den Beschwerdeführer seit 5. März 2004 im Firmenbuch gelöscht.

Anlässlich von Betriebsprüfungen betreffend die Streitjahre wurde u.a. der Vorsteuerabzug aus der Leistungsverrechnung mit der T GesmbH aus Honorarnoten für deren Geschäftsführertätigkeit für die G KG nicht anerkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - nach Ergehen des hg. Erkenntnisses vom 23. April 2008, 2005/13/0115, 0116 - im fortgesetzten Verfahren die Vorsteuer betreffend Verrechnung der Geschäftsführertätigkeit durch die T GesmbH erneut nicht anerkannt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 23. April 2008, 2005/13/0115, ausgesprochen, dass es für die Frage des Vorsteuerabzuges nicht darauf ankomme, ob die Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar seien, sondern darauf, dass ein Leistungsaustausch stattgefunden habe.

Die Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft durch einen Gesellschafter sei Ausfluss der Gesellschafterposition. Sie führe lediglich dazu, dass die Gesellschaft in die Lage versetzt werde, eine unternehmerische Tätigkeit zu entfalten. Die bloße Leistungsvereinigung, die hier vorliege, mache den Gesellschafter nicht zum Unternehmer, auch wenn er für die Tätigkeit eine besondere Vergütung erhalte.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, es bestehe kein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen ihm und der G KG hinsichtlich der Erbringung der Komplementärleistungen. Vielmehr stehe er in einem Dienstverhältnis zur T GesmbH. Die Komplementärleistungen würden werkvertraglich von der T GesmbH erbracht und zwar in der Form, dass er auf Grund seines Dienstverhältnisses zur T GesmbH Leistungen für die G KG erbringe. Diese Leistungen würden von der T GesmbH in Rechnung gestellt werden.

Diese Ausführungen seien jedoch unzutreffend. Der Beschwerdeführer stehe schon auf Grund des Gesellschaftsvertrages und auf Grund seiner Stellung als Komplementär in einem Vertragsverhältnis zur G KG. Auch sei es nicht zutreffend, dass er in einem Dienstverhältnis zur T GesmbH stehe. Der Beschwerdeführer sei Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der T GesmbH und beziehe aus dieser Tätigkeit selbständige Einkünfte. Für die Streitjahre habe er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht erklärt. Richtig sei, dass die T GesmbH das Geschäftsführergehalt des Beschwerdeführers der G KG in Rechnung gestellt habe. Allein die Tatsache, dass diese Inrechnungstellung erfolgt sei, berechtige noch nicht zum Vorsteuerabzug.

Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer Komplementär und Geschäftsführer der G KG sei. Schon auf Grund seiner Gesellschafterstellung sei er somit zur Geschäftsführung der G KG verpflichtet. Die T GesmbH sei nicht zur Geschäftsführung in der G KG verpflichtet und bestehe auch keine Verpflichtung, einen Geschäftsführer für die G KG zur Verfügung zu stellen.

Ein Leistungsaustausch zwischen der T GesmbH und der G KG habe nicht stattgefunden. Es könne auch nicht festgestellt werden, welche Leistungen die T GesmbH für die G KG erbracht hätte, die Geschäftsführung des Beschwerdeführers für die G KG könne ja wohl keine Leistung der T GesmbH sein.

Eine Personalgestellung könne auch nicht vorliegen, weil ein Dienstverhältnis des Beschwerdeführers zur T GesmbH nicht vorliege. Ein Leistungsaustausch komme auch nicht dadurch zustande, dass der Beschwerdeführer auch Gesellschafter-Geschäftsführer der T GesmbH sei.

Weiters müsse darauf hingewiesen werden, dass die Rechnungen seitens der T GesmbH berichtigt worden seien. Die Berichtigung sei offensichtlich zu dem Zweck vorgenommen worden, um die nicht für die G KG erbrachten Leistungen aus den Rechnungen auszuscheiden. Durch diese Vorgangsweise habe offensichtlich erreicht werden sollen, dass die auf die tatsächlich für die G KG erbrachten Leistungen entfallende Vorsteuer abzugsfähig werde. Tatsächlich seien die korrigierten Vorsteuern im Jahr 1998 geltend gemacht und vom Finanzamt als abzugsfähig behandelt worden. Verwunderlich sei, dass in den korrigierten Rechnungen das Geschäftsführergehalt nicht als umsatzsteuerpflichtiger Umsatz ausgewiesen, sondern aus der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ausgeschieden worden sei. Damit gehe aber auch der Beschwerdeführer davon aus, dass die Geschäftsführertätigkeit keine unternehmerische Leistung darstelle und daher ein Abzug der darauf entfallenden Vorsteuer nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Mit Erkenntnis vom 23. April 2008, 2005/13/0115, 0116, hat der Verwaltungsgerichtshof zum im Beschwerdefall allein strittigen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der T GesmbH über Entgelte für Geschäftsführertätigkeit ausgesprochen:

"Zur Vorsteuer aus den Rechnungen der T GesmbH über Entgelte für 'Geschäftsführerbezüge' stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer Komplementär und Geschäftsführer der G KG und auf Grund seiner Gesellschafterstellung zur Geschäftsführung der G KG verpflichtet gewesen sei. Die T GesmbH sei zur Geschäftsführung der G KG nicht verpflichtet gewesen und habe auch keine Verpflichtung gehabt, einen Geschäftsführer für die G KG zur Verfügung zu stellen. Außersteuerliche Gründe, warum die Geschäftsführung der G KG an die T GesmbH übertragen worden sei, hätten nicht aufgezeigt werden können. Die Übertragung habe nur den Sinn gehabt, Gewinne aus der G KG in die T GesmbH zu verlagern. Die belangte Behörde stützte sich auf die Rechtsprechung, wonach ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 22 BAO) vorliege, wenn eine GesmbH dazwischen geschaltet werde, um den Unternehmerlohn für die Geschäftsführung an die GesmbH auszulagern und somit als Betriebsausgaben gewinnwirksam werden zu lassen.

Mit den ertragsteuerlichen Überlegungen, den Unternehmerlohn für die Geschäftsführung nicht als Betriebsausgaben gewinnwirksam werden lassen zu können, übersieht die belangte Behörde, dass im Beschwerdefall zur Frage der Vorsteuern eine umsatzsteuerliche Betrachtung anzustellen ist, bei der es auf die Frage des Leistungsaustausches ankommt (vgl. Ruppe, aaO, § 1 Tz 59 ff). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nichtanerkennung solcher Betriebsausgaben (vgl. neben den von der belangten Behörde herangezogenen Erkenntnissen vom 31. März 2005, 2000/15/0117, und vom 16. September 2003, 98/14/0031, etwa schon das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1987, 86/14/0179, VwSlg 6.620/F) ist daher für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend. Feststellungen, dass die T GesmbH diese in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht hätte, traf die belangte Behörde nicht.

Das Streitjahr 1995 ist überdies aus gemeinschaftsrechtlichem Blickwinkel zu betrachten, welcher in der Neutralität des Mehrwertsteuersystems einen zentralen Ansatz findet und etwa in den Urteilen des EuGH vom 21. Februar 2006 in der Rechtsache C- 255/02 (Halifax plc u.a.) und in der Rechtsache C-223/03 (University of Huddersfield Higher Education Corporation) dargelegt ist. Wie der EuGH in Rn 86 des erwähnten Urteiles 'Halifax' dargelegt hat, erfordert die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis, dass die fraglichen Umsätze einen Steuervorteil zum Ergebnis hätten, dessen Gewährung dem mit den Bestimmungen der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie und des zu deren Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde. Welchen umsatzsteuerlichen Vorteil die G KG in der gewählten Gestaltung gehabt hätte, lässt die belangte Behörde offen.

Der Hinweis der belangten Behörde auf eine Rechnungsberichtigung im Jahr 1998 'auch dahingehend', dass 'das Geschäftsführergehalt nicht der Umsatzsteuer unterzogen wurde', weshalb der Vorsteuer der G KG keine Umsatzsteuerschuld der T GesmbH gegenüberstünde, vermag allein noch nicht schlüssig zu begründen, dass die T GesmbH die in Rede stehenden Leistungen nicht erbracht hätte."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zwar nun festgestellt: "Ein Leistungsaustausch zwischen der T GesmbH und der G KG hat nicht stattgefunden." Diese Feststellung hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber nicht ausreichend begründet und auf fehlerhafte rechtliche Erwägungen gestützt.

Gemäß §§ 164, 161 Abs. 2 iVm 114 ff UGB ist eine vertragliche Übertragung der Geschäftsführung auf Dritte unter Ausschluss sämtlicher Gesellschafter von der Geschäftsführung - bei Beachtung des zwingenden Kerns der Selbstorganschaft - gesellschaftsrechtlich möglich. Den Gesellschaftern verbleibt diesfalls nach hL die "oberste Leitung", die insbesondere in einem Recht auf Abberufung des außenstehenden Geschäftsführers und Erteilung verbindlicher Weisungen in besonderen Fällen zum Ausdruck kommt (Jabornegg/Artmann, UGB I2, 2010, § 114 Rz 34 f mwN).

Wenn die belangte Behörde daher ohne nähere Feststellungen zum Bestehen besonderer gesellschaftsvertraglicher Regelungen meint, dass der Beschwerdeführer als Komplementär ohnedies zur Geschäftsführung verpflichtet gewesen sei, so vernachlässigt sie die skizzierte Möglichkeit der Entbindung von der Geschäftsführungspflicht eines Komplementärs und der rechtswirksamen Übertragung der Geschäftsführung an einen Dritten. Gleiches gilt für die ebensowenig näher begründete Feststellung der belangten Behörde, die Geschäftsführung des Beschwerdeführers für die G KG könne "ja wohl keine Leistung der T GesmbH sein".

Aufgrund der Nahebeziehungen zwischen dem Beschwerdeführer als Komplementär der G KG und als Alleingesellschafter-Geschäftsführer der T GesmbH ist an eine Vereinbarung für eine Drittgeschäftsführung zweifelsfrei ein strenger Maßstab anzulegen. Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern werden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden.

Für Verträge, die zwischen Gesellschaften abgeschlossen werden, die von der gleichen Person vertreten oder wirtschaftlich dominiert werden, sind wegen des in solchen Fällen typischerweise zu besorgenden Wegfalls der sonst bei Vertragsabschlüssen zu unterstellenden Interessengegensätze aus dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die gleichen Anforderungen zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2005/15/0148).

In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde im Beschwerdefall somit insbesondere nicht geprüft, ob zwischen der T GesmbH und der G KG entsprechende Verträge zur Übertragung der Geschäftsführungsfunktion vorliegen und ob diese den beschriebenen Anforderungen an einen Fremdvergleich standhalten.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 455.

Wien, am 24. Oktober 2013

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