VwGH 2012/06/0121

VwGH2012/06/012116.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des L L und 2. des H L, beide in S, beide vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. Jänner 2010, Zl. Ve1-8- 1/572-3, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. K S in S; 2. Stadtgemeinde S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
BauO Tir 2001 §24;
BauO Tir 2001 §26 Abs3;
BauO Tir 2001 §54 lita;
BauO Tir 2001 §6;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §60;
AVG §13a;
BauO Tir 2001 §24;
BauO Tir 2001 §26 Abs3;
BauO Tir 2001 §54 lita;
BauO Tir 2001 §6;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §60;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 27. Februar 2009 beantragte der Erstmitbeteiligte (Bauwerber) die Erteilung einer Bewilligung für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit fünf Wohnungen auf dem Grundstück Nr. .581 im Gebiet der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücken. Der Erstbeschwerdeführer wandte sich in der mündlichen Bauverhandlung gegen das Vorhaben und brachte vor, der geplante Neubau stelle eine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnqualität und Belichtung der Räume auf dieser Seite dar. Er erhebe Einspruch gegen den bestehenden Bebauungsplan, welcher Grundlage für das geplante Bauvorhaben sei, weil er mit der neu geschaffenen Bauhöhe nicht einverstanden und über die Änderung des Bebauungsplanes nicht informiert worden sei. Gleichzeitig erhebe er Einspruch gegen die geplante Höhe des Objektes; seiner Meinung nach müsste ein Geschoss entfallen. Der Zweitbeschwerdeführer führte zusätzlich aus, derzeit bestehe für sein und das Baugrundstück ein Bebauungsplan mit besonderer Bauweise, wonach eine Bebauung des Baugrundstückes nicht vorgesehen sei. Sollte er (der Zweitbeschwerdeführer) eine Bebauung dieser Fläche - eine entsprechende Änderung des Bebauungsplanes vorausgesetzt - beabsichtigen, nehme er zur Kenntnis, dass der Abstand seines allfälligen neuen Gebäudes mindestens 3 m zum Nachbargrundstück betragen müsse, um den OIB-Richtlinien hinsichtlich der Vorbeugung einer Brandübertragung zu Nachbargrundstücken und -gebäuden zu entsprechen. Allfällige Bauteile und zulässige bauliche Anlagen innerhalb dieses Mindestabstandes von 3 m müssten jedenfalls die Anforderungen laut OIB-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, erfüllen. Diesbezüglich verlange er vom Bauwerber und allfälligen Rechtsnachfolgern, dass von ihnen kein Einspruch gegen eine allfällige Änderung des Bebauungsplanes, in welchem Baukörper bis zum Abstand von 3 m bis zu seiner Grundgrenze situiert würden, erhoben werde.

Während der Bauverhandlung gab auch der hochbautechnische Sachverständige eine Stellungnahme ab. Darin führte er im Wesentlichen aus, der Bauplatz liege im gemischten Wohngebiet, für ihn bestehe ein ergänzender Bebauungsplan; das Bauvorhaben entspreche den Angaben dieses Bebauungsplanes und sei somit zulässig. Die Baumassendichte liege mit 10,3 über der festgelegten Mindest-Baumassendichte von 8,5; die im allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplan festgelegte besondere Bauweise werde eingehalten, weil der geplante Baukörper innerhalb der Höchstabmessungen des Bebauungsplanes liege; die Größe des Bauplatzes liege mit 233 m2 unter dem im ergänzenden Bebauungsplan festgelegten Höchstmaß von 300 m2; die Baufluchtlinien und Straßenfluchtlinien würden nicht überbaut; die im ergänzenden Bebauungsplan festgelegten maximalen Bauhöhen von 12,20 m für den höchsten Punkt des Gebäudes und 11,20 m für die traufenseitigen Wandhöhen würden nicht überschritten; aus brandschutztechnischer Sicht ergäben sich durch das geplante Bauvorhaben bei Einhaltung der technischen Bauvorschriften und damit verbundenen OIB-Richtlinien keine nachteiligen Auswirkungen für benachbarte Grundstücke und Objekte; der reduzierte Abstand der Außenwand zur Grundgrenze der Beschwerdeführer sei gemäß OIB-Richtlinie 2 Pkt. 4.3 bis auf 1 m zulässig, ohne dass eine Brandmauer zu errichten sei, weil auf Grund des Bebauungsplanes sichergestellt sei, dass eine allfällige bauliche Anlage am Nachbargrundstück jedenfalls einen Abstand von mindestens 3 m zur Grundgrenze aufweisen müsse bzw. im Mindestabstandsbereich zulässige bauliche Anlagen die Anforderungen der OIB-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, zu erfüllen hätten; in den Abstandsbereich von 1 m zur Grundgrenze dürften keine Bauteile hineinragen, andernfalls müssten diese die Anforderungen von brandabschnittsbildenden Wänden erfüllen.

Am 16. April 2009 teilte der Zweitbeschwerdeführer gegenüber der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde mit, dass er die "ursprünglich erteilte Zustimmung" widerrufen wolle, weil für ihn nicht alle zur Abgabe dieser Erklärung notwendigen und erkennbaren Grundlagen zur Gänze ersichtlich gewesen seien.

Mit Bescheid vom 17. April 2009 erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde dem Bauwerber die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen den bestehenden Bebauungsplan, der Grundlage für das geplante Bauvorhaben sei, wurden als unzulässig zurückgewiesen; die Einwendungen gegen die geplante Höhe des Objektes - dass dieses nach Ansicht der Beschwerdeführer um ein Geschoss reduziert werden müsste - wurden als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 29. April 2009 brachten die Beschwerdeführer eine Berufung ein, in der sie die Nichteinhaltung der Vorschriften betreffend den Brandschutz iVm der Nichteinhaltung der Abstandsvorschriften, die Gesetzwidrigkeit des ergänzenden Bebauungsplanes sowie die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil unter anderem Befund und Gutachten eines Amtssachverständigen für Hochbau zu der Frage der (gänzlichen) Übereinstimmung des Projektes mit dem ergänzenden Bebauungsplan sowie eine entsprechende Begründung im erstinstanzlichen Bescheid fehlten, rügten.

Mit Bescheid des Stadtrates der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde vom 26. Mai 2009 wurde die Berufung hinsichtlich der Berufungspunkte über den Brandschutz und die Rechtswidrigkeit des ergänzenden Bebauungsplanes als unzulässig zurückgewiesen und hinsichtlich der übrigen Berufungspunkte als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die Berufungsbehörde zu Spruchpunkt I. (Brandschutz) aus, die Beschwerdeführer hätten diesbezüglich während der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen erhoben, und seien deshalb präkludiert. Zu Spruchpunkt II. verwies die Behörde auf die Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen während der mündlichen Verhandlung. Eine "Zustimmungserklärung" des Zweitbeschwerdeführers sei rechtlich nicht beachtlich, weil das Bauvorhaben den Mindestabstand laut dem geltenden ergänzenden Bebauungsplan einhalte. Daher sei auch die Einwendung bezüglich einer Beeinträchtigung der Wohnqualität und der Belichtung unbegründet. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, die Stellungnahme des hochbautechnischen Sachverständigen erfülle nicht die Anforderungen an ein Gutachten gemäß § 52 AVG, verwies die Berufungsbehörde auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid und die sonstigen Ausführungen im Berufungsbescheid.

In ihrer Vorstellung vom 16. Juli 2009 rügten die Beschwerdeführer wiederum, der ergänzende Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die von ihnen in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen seien jedenfalls als solche im Sinn des § 25 Abs. 3 lit. b, c und d Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) (Brandschutz, Festlegungen des Bebauungsplanes und Abstandsbestimmungen) zu verstehen. Sie seien nicht präkludiert, weil die Berufungsbehörde eine Begründung erst im Berufungsbescheid nachgetragen habe. Verfahrensergebnisse, die nach Einbringung der Berufung erstmals aufgetreten seien, könnten daher begrifflich niemals Gegenstand einer Präklusion sein. Die Berufungsbehörde habe entgegen der Anordnung in § 24 Abs. 4 TBO 2001 keinen amtlichen Sachverständigen für Hochbau beigezogen; die Stellungnahme des hochbautechnischen Sachverständigen sei nicht in Befund und Gutachten gegliedert und stelle nicht den entscheidungswesentlichen Sachverhalt dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom 7. Jänner 2010) wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Dies begründete sie - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren relevant - im Wesentlichen damit, allein das Fehlen einer förmlichen Gliederung in Befund und Gutachten im engeren Sinn bedeute nicht, dass ein solches Gutachten als Beweismittel nicht in Betracht komme. Die belangte Behörde habe keine Bedenken gegen das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des hochbautechnischen Sachverständigen. Die Verwaltungsbehörden seien an einen rechtskräftigen Bebauungsplan gebunden; für den Bauplatz sei im ergänzenden Bebauungsplan eine besondere Bauweise und eine maximale Bauhöhe von 12,20 m bzw. 11,20 m festgelegt worden, die laut Aussage des hochbautechnischen Amtssachverständigen durch das gegenständliche Bauvorhaben nicht überschritten werde. Die diesbezüglichen Einwendungen seien daher von der Berufungsbehörde zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Da auf Grund der festgelegten besonderen Bauweise die Abstandsvorschriften des § 6 TBO 2001 nicht zur Anwendung kämen, sei eine Zustimmungserklärung des Zweitbeschwerdeführers nicht erforderlich gewesen. Auf Grund des Akteninhaltes sei davon auszugehen, dass dem gegenständlichen Bauvorhaben kein brandschutztechnischer Sachverständiger beizuziehen gewesen sei (Hinweis auf § 24 Abs. 4 TBO 2001). Die Beschwerdeführer hätten in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Bestimmungen erhoben, weshalb sie diesbezüglich als präkludiert anzusehen seien. Das rechtmäßige Zustandekommen eines Bebauungsplanes sei keine zulässige Einwendung im Bauverfahren. Ein subjektives Recht auf Wahrung des Lichteinfalles und des Sonneneinfalls bestehe nach der TBO 2001 nicht. Da die Situierung und die Höhe des Bauvorhabens den Festlegungen im zugrunde liegenden Bebauungsplan entsprächen, wären diese Einwendungen des Zweitbeschwerdeführers abzuweisen gewesen. Dadurch, dass die Berufungsbehörde das Berufungsvorbringen teilweise zurück- statt abgewiesen habe, seien die Beschwerdeführer in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden, weil die Behörde in der Begründung auf jene Fragen, die beim gegebenen Prozessgegenstand zulässiger Berufungsinhalt gewesen seien, eingegangen sei und tatsächlich eine Beurteilung vorgenommen habe.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen zunächst bei ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juni 2012, B 272/10-22, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof unter einem zur Entscheidung abgetreten. In diesem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof insbesondere aus, die Festlegung unterschiedlicher Abstandsvorschriften für die Bauparzelle und das Grundstück der Beschwerdeführer beidseitig der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Bebauungsplan liege im Planungsermessen der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde.

In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Stadtgemeinde beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist auf Grund des Zeitpunktes der Erlassung der Berufungsentscheidung die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009, anzuwenden. Gemäß deren § 24 Abs. 4 ist dem Verfahren zur Erteilung der Baubewilligung für den Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden jedenfalls ein hochbautechnischer Sachverständiger beizuziehen. Bescheide, mit denen die Baubewilligung erteilt wird, leiden unter anderem dann an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler, wenn dem Bauverfahren kein hochbautechnischer oder brandschutztechnischer Sachverständiger beigezogen wurde (§ 54 lit. a TBO 2001).

§ 6 Abs. 1 und § 26 Abs. 1 bis 3 TBO 2001 lauten auszugsweise:

"§ 6

Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen

(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der

a) …

§ 26

Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der baulichen Anlage liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. b) der Bestimmungen über den Brandschutz;
  2. c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

    d) der Abstandsbestimmungen des § 6.

(4) …"

§ 60 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 - TROG 2006 (Wiederverlautbarung), LGBl. Nr. 27/2006, lautet auszugsweise:

"§ 60

Bauweisen

(1) Durch die Bauweise wird die Art der Anordnung der Gebäude gegenüber den nicht straßenseitig gelegenen Grundstücksgrenzen bestimmt. Dabei kann eine geschlossene, offene oder besondere Bauweise festgelegt werden.

(2) ...

(3) ...

(4) Soweit dies im Interesse einer zweckmäßigen Bebauung von Grundstücken erforderlich ist, kann eine besondere Bauweise festgelegt werden. In diesem Fall ist die Anordnung und Gliederung der Gebäude festzulegen, wobei untergeordnete Bauteile außer Betracht bleiben. Dabei können zwingende Festlegungen oder Festlegungen über Mindest- oder Höchstausmaße getroffen werden. Gegenüber Grundstücken, für die die offene Bauweise festgelegt ist, sind jedenfalls die Mindestabstände nach der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten. Wird jedoch eine besondere Bauweise für ein Grundstück festgelegt, auf dem nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig ein anderes als nach der Tiroler Bauordnung 2001 in den Abstandsflächen zulässiges Gebäude besteht, so können die Mindestabstände nach der Tiroler Bauordnung 2001 bis auf die bestehenden Abstände unterschritten werden, wenn zu den betreffenden Grundstücken hin gleichzeitig eine höchstzulässige Wandhöhe festgelegt wird, die jene des bestehenden Gebäudes nicht übersteigt. Innerhalb der Abstandsflächen dürfen nur Gebäude oder Gebäudeteile errichtet und sonstige Bauvorhaben ausgeführt werden, bei denen aufgrund ihrer baulichen Gestaltung und ihres Verwendungszweckes zusätzliche nachteilige Auswirkungen auf die betreffenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, nicht zu erwarten sind.

(5) ..."

Die Beschwerdeführer wiederholen im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Zunächst ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass die Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Bestimmungen erhoben, sodass sie diesbezüglich präkludiert sind. Entgegen der Beschwerdeansicht bestand auch keine "erweiterte Manuduktionspflicht" seitens der Verwaltungsbehörden. Es besteht nämlich keine Verpflichtung des Verhandlungsleiters, den Nachbarn bei der Bauverhandlung zur Erhebung der nach Lage des Falls in Betracht kommenden Einwendungen anzuleiten (vgl. dazu die in Schwaighofer, Tiroler Baurecht, Praxiskommentar, Rz 26 zu § 24 TBO 2001 zitierte hg. Judikatur). Die aus § 13a AVG abzuleitende Belehrungspflicht ist auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten beschränkt und bezieht sich nicht auf Belehrungen in der Sache selbst. Aus welchem Grund im vorliegenden Fall eine "erweiterte" Manuduktionspflicht den Verfahrensleiter zu einer Anleitung in der Sache selbst verpflichtet hätte, lässt die Beschwerde offen. Entgegen der Beschwerdeansicht führte die Berufungsbehörde keine neuen Ermittlungen bezüglich des Brandschutzes durch, sondern stützte ihre Begründung ausschließlich auf die Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang rügt, es fehle ein Nachweis - etwa die Überprüfung, ob Kundmachung und Ladung zur mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des Gesetzes in der Weise erfolgt seien, dass tatsächlich von einer Präklusion ausgegangen werden könne -, ist ihr entgegenzuhalten, dass nicht einmal in der Beschwerde behauptet wird, dass die Kundmachung der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall fehlerhaft erfolgt sei. Von einem relevanten Verfahrensmangel ist daher diesbezüglich nicht auszugehen, zumal die in den Verwaltungsakten befindliche Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vom 2. April 2009 den Bestimmungen der §§ 41 f AVG entspricht.

Entgegen der Beschwerdeansicht ging der hochbautechnische Sachverständige in seiner Stellungnahme während der mündlichen Verhandlung sehr wohl auf die Baumassendichte, die Bauhöhen, die brandschutztechnischen Vorschriften sowie die Abstandsbestimmungen ein. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass diese Ausführungen des Sachverständigen unzutreffend wären. Nach dem den Verwaltungsakten beiliegenden allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplan der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde vom 26. November 2008 belegen die Ausführungen des Sachverständigen nachvollziehbar den Einklang des Bauvorhabens mit den Festlegungen im Bebauungsplan. Das darauf gerichtete Beschwerdevorbringen ist somit nicht zielführend.

Ein Nichtigkeitstatbestand des § 54 lit. a TBO 2001 liegt schon deshalb nicht vor, weil dem Verfahren sehr wohl ein hochbautechnischer Sachverständiger beigezogen wurde. Im Übrigen wäre ein solcher nicht von dem in § 26 Abs. 3 TBO 2011 taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechten eines Nachbarn umfasst.

Wenn die Beschwerdeführer weiter ausführen, es hätte geprüft werden müssen, ob die Bestimmungen des § 60 TROG 2006 sowie die Abstandsvorschriften ("ausweislich der in § 6 Abs 1 enthaltenen Definition", gemeint wohl: TBO 2001) vollständig eingehalten werden, ist ihnen zu entgegnen, dass die Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2001 nur einzuhalten sind, sofern nicht auf Grund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder auf Grund von darin festgelegten Baugrenzlinien ein anderer Abstand einzuhalten ist. Im vorliegenden Fall wurde im Rahmen der Festlegung einer besonderen Bauweise (§ 60 Abs. 4 TROG) die Situierung des Gebäudes und dessen Höchstabmessungen für das Grundstück Nr. .581 im Bebauungsplan vom 26. November 2008 festgelegt. Auf Grund dessen kommen die Abstandsvorschriften des § 6 TBO 2001 nicht zur Anwendung.

Die Beschwerde macht weiter als Ermittlungsfehler geltend, die gegenständliche Bebauung werde massiv erweitert. Damit wendet sie sich gegen eine "informative" Ausführung der Berufungsbehörde, die Situierung des auf dem Baugrundstück abgebrochenen Altbestandes sei in Bezug auf die Beschwerdeführer dieselbe gewesen wie der geplante Neubau.

Abgesehen davon, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht der Berufungsbescheid, sondern jener der Aufsichtsbehörde ist, wird mit dem Vorbringen, die Bebauung werde erweitert, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, sofern diese Bebauung - was gegenständlich unbestritten blieb - im Einklang insbesondere mit dem Bebauungsplan steht. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Festlegung der Abstandsvorschriften im Bebauungsplan kann auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2012, B 272/10- 22, verwiesen werden, in dem dieser die Festlegung unterschiedlicher Abstandsvorschriften für die Bauparzelle und das Grundstück der Beschwerdeführer beidseitig der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Bebauungsplan als unbedenklich beurteilte. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat dagegen keine Bedenken.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ging die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend davon aus, dass das gegenständliche Bauvorhaben dem anzuwendenden allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplan entspricht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. Mai 2013

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