VwGH 2011/22/0185

VwGH2011/22/018517.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 19. Mai 2011, Zl. 157.093/2- III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 2. April 2008 bei der ersten Instanz eingelangten Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer am 3. Juli 2000 illegal eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der am 28. Oktober 2005 in erster Instanz "rechtskräftig negativ beschieden" worden sei. Im Juni 2003 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; diese Ehe sei im Mai 2006 geschieden worden. Am 18. Februar 2008 habe der Beschwerdeführer wieder eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und in der Folge den gegenständlichen Antrag eingebracht. Er lebe mit seiner österreichischen Ehefrau und den beiden - nicht gemeinsamen - Kindern der Ehefrau im gemeinsamen Haushalt. Er habe zwar angegeben, außerordentlich gute Deutschkenntnisse aufzuweisen, dies aber nicht belegt.

Durch die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt habe der Beschwerdeführer die fremdenrechtlichen Bestimmungen grob missachtet. Die Eheschließung am 28. Februar 2008 sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfüge. Von einer allfälligen beruflichen Integration könne nicht ausgegangen werden, zumal der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren lediglich vom 1. Jänner 2005 bis 8. Juni 2005 bzw. vom 19. Juli 2005 bis 9. November 2008 einer Beschäftigung nachgegangen sei. Vom 9. November 2008 bis 9. Februar 2011 sei der Beschwerdeführer neuerlich arbeitslos gewesen und erst wieder seit 10. Februar 2011 "laufend beschäftigt".

Bei Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes gelange die Behörde zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen höher zu werten seien als das private Interesse des Beschwerdeführers an der Zulassung der Inlandsantragstellung. Somit könne dem Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG nicht stattgegeben werden und es sei der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mangels rechtskonformer Antragstellung abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Mai 2011 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 111/2010 und der Kundmachung Nr. 16/2011 anzuwenden sind.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und es ist die Entscheidung im Ausland abzuwarten.

Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich u.a. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG) nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Bei Beurteilung des Antrages nach § 21 Abs. 3 NAG gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu Lasten des Beschwerdeführers vorzunehmen sei.

Dieser Ansicht vermag sich der Gerichtshof nicht anzuschließen.

Der Beschwerdeführer hält sich bereits seit dem Jahr 2000 im Bundesgebiet auf, war bereits einmal mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und ist dies seit dem Jahr 2008 wieder. Er lebt mit ihr und ihren Kindern in einem gemeinsamen Haushalt.

Zweifellos kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Allerdings ist der familiären Bindung an einen österreichischen Ehepartner ein großes Gewicht beizumessen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2012/22/0111, mwN). Dazu kommt der im maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung schon über zehnjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich. Auch wenn er in den letzten Jahren nicht ständig beschäftigt war, ist er doch in den Jahren 2005 bis 2008 fast durchgehend einer Beschäftigung nachgegangen und ist nach den behördlichen Feststellungen wieder beschäftigt. Somit überwiegen die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers das bereits angesprochene öffentliche Interesse, weshalb die belangte Behörde den Zusatzantrag nach § 21 Abs. 3 NAG zu Unrecht negativ beurteilt und den Hauptantrag des Beschwerdeführers abgewiesen hat.

Somit war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die begehrte Umsatzsteuer im Pauschalbetrag nach § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG bereits enthalten ist.

Wien, am 17. April 2013

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