VwGH 2011/09/0206

VwGH2011/09/020623.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Mag. Christof Alexander Mörtl, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 49-51, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 24. Oktober 2011, Zl. KUVS-2104- 2113/14/2010, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §18 Abs1;
AuslBG §18 Abs11;
AuslBG §19 Abs1;
AuslBG §28 Abs1 litb;
VStG §5 Abs1;
AuslBG §18 Abs1;
AuslBG §18 Abs11;
AuslBG §19 Abs1;
AuslBG §28 Abs1 litb;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der I GmbH mit Sitz in K und damit als zur Vertretung nach außen berufene Person dieser Gesellschaft iSd § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass diese Gesellschaft die Arbeitsleistungen von 10 näher bezeichneten bosnischen Arbeitnehmern, welche von einem Arbeitgeber ohne Betriebssitz im Bundesgebiet, nämlich der M d.o.o. mit Sitz in Slowenien, im Inland beschäftigt wurden, entgegen § 18 Abs. 1 AuslBG in Anspruch genommen habe, zumal diese zumindest am 10. Mai 2010 auf der Baustelle W Gasse, tätig gewesen seien, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch zehn Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b iVm § 18 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Bereits im Verfahren vor der belangten Behörde war die Erfüllung der objektiven Tatseite im Wesentlichen unstrittig. Bestritten wurde das Verschulden des Beschwerdeführers.

Hiezu führte die belangte Behörde nach Hinweis auf die durchgeführte mündliche Verhandlung und die darin vorgekommenen Beweismittel Folgendes aus:

"Für die o.a. bosnischen Staatsangehörigen lagen keine Bewilligungen nach dem AuslBG vor.

Dem Beschwerdeführer war bekannt, dass zehn Personen auf der gegenständlichen Baustelle arbeiten würden. Der Beschwerdeführer ging davon aus, dass es sich hierbei jeweils um selbstständig tätige Werkunternehmer handle, konnte die diesbezüglich vorgelegten Urkunden aber nicht kontrollieren, zumal sie auf slowenisch abgefasst waren und er dieser Sprache nicht mächtig ist. Dem Beschwerdeführer war nicht bekannt, welche vertraglichen Beziehungen die zehn auf der Baustelle tätigen bosnischen Staatsangehörigen zur MSV d.o.o. hatten und hat er auch nicht kontrolliert, ob die zehn arbeitenden Personen und jenen, von denen Dokumente vorgelegt wurden, ident sind.

...

Hinsichtlich der Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Kontrolltätigkeit hinsichtlich der im Straferkenntnis angeführten Staatsangehörigen entfaltet hat und darüber hinaus die ihm vorgelegten Urkunden für ihn nicht verständlich waren, basieren auf den Ausführungen des Beschwerdeführers selbst.

...

Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist festzuhalten, dass die § 28 Abs. 1 lit. a und lit. b AuslBG Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 VStG darstellen, da zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretungen der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. In einem solchen Fall besteht von vorne herein die Vermutung eines Verschuldens in Form fahrlässigen Verhaltens des Täters, welches von diesem jedoch widerlegt werden kann, wenn er glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, darzutun, dass ihn an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, zumal der Berufungswerber ausschließlich darauf hingewiesen hat, dass ihm eine entsprechende Kontrolle, der seitens des beauftragten Unternehmens herangezogenen Arbeitskräfte unmöglich gewesen sei und eine solche Verpflichtung eine Überspannung seiner Kontrollpflichten darstellen würde.

Diesbezüglich ist auf die Entscheidungen des VwGH vom 12.7.2011, 2009/09/0169, vom 29.4.2011, 2010/09/0205 und vom 12.7.2011, 2008/09/0230, zu verweisen, in welchen Entscheidungen der VwGH ausführt, dass es dem Beschwerdeführer obliegt, als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher für die Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG durch eine ausreichende Kontrolle in seinem Unternehmen zu sorgen. Ein funktionierendes Kontrollsystem liegt etwa dann vor, wenn bei ineinandergreifenden täglichen Identitätsprüfungen aller in einem Betrieb eingesetzten Arbeiter durch die jeweiligen Kontrollbeauftragten vor Arbeitsaufnahme die Prüfung der arbeitsrechtlichen Papiere aller - bereits zu Beginn der Arbeiten und auch später hinzukommender - neu eingesetzter Arbeitskräfte gewährleistet ist und durch den Verantwortlichen (im vorliegenden Fall den Beschwerdeführer) die lückenlose Anwendung des Kontrollsystems auf effektive Weise überwacht wird.

Auch wurde im Erkenntnis des VwGH vom 26.2.2009, 2007/09/0380, bereits ausgeführt, dass, unabhängig vom Vorliegen vertraglicher Verpflichtungen, den Empfänger der Arbeitsleistungen selbst die Verpflichtung trifft, für die entsendeten ausländischen Arbeiter gemäß § 19 Abs. 1 iVm § 18 Abs. 1 und 11 AuslBG entweder um Entsende- oder um Beschäftigungsbewilligungen einzukommen oder sich entsprechende Urkunden durch den Vertragspartner vorlegen zu lassen. Dass der Beschwerdeführer lediglich aufgrund der Vorlage entsprechender in slowenischer Sprache abgefasster Dokumente auf das Vorliegen arbeitsmarktbehördlicher Bewilligungen bzw. das Vorliegen von selbstständigen unternehmerischer Tätigkeiten vertraut hat, reicht entgegen der von ihm vertretenen Ansicht nicht aus, die gesetzliche Vermutung eines ihn treffenden Verschuldens iSd § 5 Abs. 1 VStG zu widerlegen. Der Beschwerdeführer hätte sich im gegenständlichen Fall die Beschäftigungs- bzw. Entsendebewilligungen von seinem slowenischen Vertragspartner vorlegen lassen müssen und auch entsprechende Übersetzungen begehren bzw. vornehmen lassen müssen, welcher Verpflichtung der Beschwerdeführer jedoch in keiner Weise nachgekommen ist, ebenso wenig, wie der Beschwerdeführer entsprechende Identitätskontrollen durchgeführt oder kontrolliert veranlasst hat. Vielmehr hat der Beschwerdeführer auf die Ausführungen seiner Berater - wie der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung ausführte - vertraut, wie auch auf die Ausführungen des Zeugen NT, welcher jedoch anführte, mit der M d.o.o. ausschließlich in der Form verbunden gewesen zu sein, dass er für diese Übersetzungstätigkeiten durchgeführt hat. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass es iSd § 5 Abs. 1 VStG Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, weshalb es auch an ihm gelegen gewesen wäre, aus eigener Initiative alle entlastenden Umstände vorzutragen und konkrete Angaben zum Kontrollsystem zu machen (VwGH vom 23.11.2009, 2008/03/0176).

Den Beschwerdeführer trifft daher an den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen jedenfalls ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit. Diesbezüglich ist auch darauf zu verweisen, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer, wie dieser ausführte, als handelsrechtlicher Geschäftsführer hauptsächlich für den Verkauf der Wohnungen zuständig gewesen sei, den Beschwerdeführer aus seiner Verantwortung nicht zu entlassen vermag, zumal dieser, wie er auch ausführte, die Verträge unterfertigt hat und mit der gegenständlichen Beauftragung jedenfalls befasst war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich gegen die Annahme eines Verschuldens. Er rügt als Verfahrensmangel die Unterlassung einer Einvernahme des MV.

Er übersieht, dass die belangte Behörde das Verschulden betreffend ohnehin von seinen eigenen Angaben ausgegangen ist. Der Beschwerdeführer sagt nicht, welchen anderen als den von ihm selbst vorgebrachten Sachverhalt dieser Zeuge hätte vorbringen können, sodass der Verfahrensrüge die Relevanz mangelt.

Der Beschwerdeführer bringt sodann vor, es sei im Verfahren hervorgekommen, dass er GW als Baustellenkoordinator bestellt habe; es habe daher einen verantwortlichen Beauftragten gegeben.

Dieses Vorbringen verkennt die Rechtslage. Ein Baustellenkoordinator ist gemäß § 2 Abs. 7 Bauarbeitenkoordinationsgesetz ein Koordinator "für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Ausführungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes". Dies hat mit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG nicht das Geringste zu tun.

Hinsichtlich der mangelnden Kontrolle bestreitet der Beschwerdeführer nicht die auf seinen eigenen Angaben beruhenden Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde.

Insoweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die interne Aufgabenteilung (Mitwirkung des GW bei der Vertragsvergabe an die M d.o.o., Einholung von Erkundigungen bei TO) beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die rechtliche Konsequenz einer internen Aufgabenteilung innerhalb eines Unternehmens im Einzelfall davon abhängt, ob die für das Unternehmen im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich Verantwortliche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift mit gutem Grund erwarten lassen. Im Sinne dieser Judikatur reicht nicht einmal die bloße Erteilung von Weisungen oder Belehrungen aus; entscheidend ist, ob eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisung erfolgt ist, wobei selbst kurzfristige, stichprobenartige Kontrollen nicht ausreichen, um die Annahme zu rechtfertigen, ein wirksames Kontrollsystem, von dem mit gutem Grund erwartet werden kann, dass es die tatsächliche Einhaltung der Ausländerbeschäftigungsvorschriften sicherstellt, liege vor (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2009, Zl. 2009/09/0186, mwN).

Kontrollen hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Übertretungen nach dem § 28 Abs. 1 AuslBG sind Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 VStG, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder eine Gefahr nicht gehört. In einem solchen Fall ist das verantwortliche Organ strafbar, wenn es nicht genügende Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liegt ihm daher eine Unterlassung zur Last. Bei Erfüllung des objektiven Tatbildes hat der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Solange dies nicht der Fall ist, hat die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können.

Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf. Ihn trifft die Verpflichtung, sich mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen.

Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass (auch) den Empfänger der Arbeitsleistungen - unabhängig vom Vorliegen vertraglicher Verpflichtungen - selbst die Verpflichtung trifft, für die entsendeten ausländischen Arbeiter gemäß § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 und 11 AuslBG entweder um Entsende- oder Beschäftigungsbewilligungen einzukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2007/09/0380). Dazu ist es klarerweise notwendig, dass er sich durch entsprechende Kontrollen vor Arbeitsbeginn über die Identität der einzusetzenden Ausländer überzeugt.

Es ist ebenfalls ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur im Falle der Erteilung einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft der für die Erteilung einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zuständigen Behörde (der regionalen Geschäftsstelle des AMS), im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden könnte; hingegen ist es auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, dass die Beschäftigung eines Ausländers grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf. Unterlässt der Beschwerdeführer - wie hier - die Einholung einer Auskunft der zuständigen Behörde, kann der Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass sie von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2011, Zl. 2008/09/0145). Auf die von TO eingeholte und dem GW mitgeteilte behauptete Auskunft der Wirtschaftskammer durfte sich der Beschwerdeführer nicht verlassen.

Damit liegt der Umstand, der im gegenständlichen Fall zu einer verbotenen Ausländerbeschäftigung geführt hat, im typischen Fehlerbereich, der durch zumutbare und leicht zu verwirklichende Maßnahmen (hier: Übersetzung der vorgelegten slowenischen Dokumente, Kontrolle der beschäftigten Personen) ausgeschaltet oder zumindest verringert werden hätte können, weshalb den Beschwerdeführer ein nicht bloß geringfügiges Verschulden im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG an dem objektiv verwirklichten Tatbestand trifft. Schon deshalb bleibt für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG kein Raum.

Der Antrag des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof möge "allenfalls die Außerordentliche Milderung der Strafe auszusprechen", ist mangels einer gesetzlichen Grundlage zurückzuweisen. Dass die belangte Behörde nicht von § 20 VStG Gebrauch gemacht hat, ist angesichts jeglichen konkreten Vorbringens, welchen vom Gewicht her wesentlichen Milderungsgrund die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. Mai 2013

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