VwGH 2011/05/0084

VwGH2011/05/008418.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerden des R T, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung

1. vom 26. Februar 2010, Zl. RU1-BR-1250/001-2009 (protokolliert zur hg. Zl. 2011/05/0084), und 2. vom 28. Jänner 2011, Zl. RU1-BR- 1250/001-2009 (protokolliert zur hg. Zl. 2011/05/0085), betreffend Kosten der Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrags,

Normen

ABGB §268;
AVG §9;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §9 Abs3;
ABGB §268;
AVG §9;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §9 Abs3;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die zur hg. Zl. 2011/05/0084 protokollierte Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die zur hg. Zl. 2011/05/0085 protokollierte Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kostenbescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 1. September 2009 wurde dem Beschwerdeführer die Entrichtung von bis dahin im Verfahren zur Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrags angefallenen Kosten in der Höhe von EUR 8.935,14 vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 4. September 2009 zugestellt. Die dagegen vom Beschwerdeführer selbst verfasste und eingebrachte Berufung wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 26. Februar 2010, dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt am 2. März 2010, abgewiesen.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 ersuchte die mittlerweile "für alle Angelegenheiten" des Beschwerdeführers gemäß § 268 ABGB bestellte Sachwalterin um Übermittlung der Unterlagen des Vollstreckungsverfahrens. Laut Schreiben vom 20. Oktober 2010 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft K daraufhin der Sachwalterin Fotokopien mehrerer Dokumente "zur Kenntnisnahme", darunter auch des Kostenbescheides vom 1. September 2009 und des erstangefochtenen Bescheides. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 erhob der Beschwerdeführer durch seinen von der Sachwalterin bevollmächtigten Rechtsanwalt Berufung gegen den Kostenbescheid vom 1. September 2009 und beantragte gleichzeitig, diesen Bescheid und den erstangefochtenen Bescheid vom 26. Februar 2010 ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung wurde auf die mangelnde Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Zustellung der genannten Bescheide verwiesen, zum Beweis wurden die Beschlüsse des Bezirksgerichts K vom 25. Mai 2010 und des Landesgerichts K vom 30. September 2010 sowie ein vom Bezirksgericht K eingeholtes psychiatrisches Gutachten vom 4. Jänner 2010 vorgelegt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 16. November 2010 wurden die Anträge wiederholt und zusätzlich wurde beantragt festzustellen, dass die Zustellung der Bescheide vom 1. September 2009 und vom 26. Februar 2010 unwirksam seien und das gesamte Verfahren nichtig sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 29. November 2010 wurde - unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung aller bisherigen Anträge - die Zustellung der Bescheide vom 1. September 2009 und vom 26. Februar 2010 beantragt.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 28. Jänner 2011 wurde der Antrag auf Aufhebung der Bescheide vom 1. September 2009 und vom 26. Februar 2010 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag auf Feststellung als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.). Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. aus, den vom Beschwerdeführer durch seinen Vertreter vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass bereits mit Beschluss des Bezirksgerichts K vom 14. Juli 2009 eine einstweilige Sachwalterin u.a. für die Vertretung des Beschwerdeführers vor Gerichten und Behörden bestellt worden sei. Da gemäß § 68 Abs. 7 AVG auf die Ausübung des der Behörde zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zustehe, erweise sich der Antrag "im Hinblick auf die eindeutige Sach- und Rechtslage" als unzulässig. Zu Spruchpunkt II. verneinte die belangte Behörde das rechtliche Interesse an einer Feststellung, da eine Zustellung an einen Handlungsunfähigen keine Rechtswirkungen auslöse.

Der zweitangefochtene Bescheid vom 28. Jänner 2011, welchem laut Zustellverfügung "eine Ausfertigung des Berufungsbescheides vom 26.2.2010 … zur Kenntnis angeschlossen" war, wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters am 2. Februar 2011 zugestellt.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, zu denen die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 gebildeten Senat erwogen:

1. Zu Zl. 2011/05/0084:

1.1. Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, war für den Beschwerdeführer bereits mit Beschluss des Bezirksgerichts K vom 14. Juli 2009 eine einstweilige Sachwalterin u. a. für die Vertretung des Beschwerdeführers vor Gerichten und Behörden bestellt worden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren - unstrittig - Zustellungen an ihn persönlich unwirksam.

1.2. Aus der Aktenlage geht nicht hervor, dass die dem Beschwerdeführer persönlich zugestellten Originaldokumente der Bescheide vom 1. September 2009 und vom 26. Februar 2010 jemals der Sachwalterin oder dem Rechtsvertreter tatsächlich zugekommen wären. Vielmehr wurden der Sachwalterin von diesen Dokumenten lediglich Kopien und dem Rechtsvertreter vom erstangefochtenen Berufungsbescheid bloß eine Ausfertigung als Beilage zur Kenntnis übermittelt. Eine Heilung des durch die ursprüngliche Zustellung an den handlungsunfähigen Beschwerdeführer bewirkten Zustellmangels war daher nicht eingetreten (vgl. die bei Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2, zu § 9 Abs. 3 ZustellG, S. 101, referierte hg. Judikatur).

1.3. Daraus folgt, dass weder der Bescheid vom 1. September 2009 noch der Berufungsbescheid vom 26. Februar 2010 jemals erlassen wurden (vgl. dazu etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 62, Rz 18 f., zitierte hg. Rechtsprechung) und daher auch keinerlei Rechtswirkungen entfalten konnten (aaO., Rz 8).

1.4. Der erstangefochtene Bescheid vom 26. Februar 2010 bildet somit keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand, weshalb die gegen ihn gerichtete, zur hg. Zl. 2011/05/0084 protokollierte Beschwerde gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

2. Zu Zl. 2011/05/0085:

2.1. Bei den beiden Erledigungen vom 1. September 2009 und vom 26. Februar 2010 handelt es sich somit nicht um rechtlich existente Bescheide; schon deshalb hat die belangte Behörde mit Spruchpunkt I. des zweitangefochtenen Bescheides vom 28. Jänner 2011 den "Antrag auf Aufhebung der Bescheide vom 1. September 2009 und vom 26. Februar 2010" zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

2.2. Zum Feststellungsantrag ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung der Feststellungsbescheid bloß einen subsidiären Rechtsbehelf darstellt; ein Feststellungsinteresse fehlt daher, wenn die strittige Rechtsfrage in einem anderen gesetzlich vorgesehenen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt werden kann (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 56, Rz 77 ff., angeführte Rechtsprechung).

2.3. Ein derartiges Verfahren ist schon mit dem durch den Rechtsvertreter am 29. November 2010 gestellten Zustellantrag, über den nach der Aktenlage noch nicht entschieden wurde, eröffnet. Die belangte Behörde hat das Feststellungsinteresse des Beschwerdeführers somit im Ergebnis zu Recht verneint.

2.4. Da die mit Spruchpunkt II. des zweitangefochtenen Bescheides ausgesprochene Abweisung - anstatt der gebotenen Zurückweisung - den Beschwerdeführer auch nicht in Rechten verletzt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 1993, Zl. 93/12/0059), war die zur hg. Zl. 2011/05/0085 protokollierte Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich, ausgehend von der zur Zl. 2011/05/0085 erfolgten Abweisung der Beschwerde, auf die §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. März 2013

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