Normen
HVG §2 Abs1;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1b;
ImpfSchG §3 Abs3;
HVG §2 Abs1;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1b;
ImpfSchG §3 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 10. Oktober 2007 begehrte der am 10. Juli 2000 geborene Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter (diese ihrerseits anwaltlich vertreten), Entschädigung nach dem Impfschadengesetz. Nach der Geburt seien beim Beschwerdeführer sogenannte benigne Neugeborenenkrämpfe zu beobachten gewesen, welche sich aber infolge von Medikation bis zur ersten gegenständlichen Impfung gelegt hätten. Am Beschwerdeführer seien am 20. November 2000, am 15. Jänner 2001 und am 22. Februar 2001 Tetravac-Impfungen, am 20. November 2000 und am 22. Februar 2001 Procomvax- und Hepatitis B-Impfungen vorgenommen worden. Schon auf Grund der ersten Impfung vom 20. November 2000 habe sich der Zustand des Beschwerdeführers dramatisch verschlechtert, er habe keine Fortschritte mehr gemacht, den Kopf nach hinten gestreckt und die Augen nach oben verdreht. Nach der zweiten Impfung habe der Beschwerdeführer begonnen zu schielen, habe den Kopf nicht mehr halten können, sich kaum mehr bewegt und sei sehr schreckhaft und öfter abwesend gewesen. Vier Tage nach der dritten Impfung habe er wieder einen schweren Krampfanfall gehabt.
Das Bundessozialamt, Landesstelle Kärnten, wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 5. September 2008 ab und folgte in der Begründung im Wesentlichen den eingeholten neuropädiatrischen Gutachten Dris. R vom 31. März 2008 und vom 8. Juni 2008, in welchen dieser festgestellt hatte, dass mit großer Wahrscheinlichkeit kein Zusammenhang zwischen der Impfung und der beim Beschwerdeführer vorliegenden motorischen und psychomentalen Behinderung bestehe. Der Beschwerdeführer leide seit dem ersten Lebensmonat an einer schweren Epilepsie, die sich zwischen dem 5. und 8. Lebensmonat zu einem West-Syndrom entwickelt habe. Die EEG-Befunde vom 14. September 2000 und 31. Oktober 2000 hätten bereits vor den "angeschuldigten Impfungen" Veränderungen gezeigt, die einen deutlichen Hinweis auf die spätere Entwicklung des West-Syndroms bildeten. Auch aus der Literatur seien keine Fallberichte und Studien bekannt, die auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Sechsfachimpfung und Entstehen eines West-Syndroms und anschließenden Lennox-Gastaut-Syndroms hindeuten würden.
In seinem von der belangten Behörde im Berufungsverfahren eingeholten neurologischen Sachverständigengutachten vom 26. März 2009 traf Dr. P nach Darlegung der Anamnese, der körperlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, der bisherigen Befunde, der beigestellten Unterlagen (Arztberichte, ärztliche Atteste, Befundberichte, ärztliche Sachverständigengutachten, darunter jenes von Dr. R), der verwendeten Literatur, des Krankheitsbildes des Beschwerdeführers und des Diskurses über die vom Beschwerdeführer angesprochene "Impfencephalopathie" als Folge einer Impfung mit zellulärem Pertussis-Impfstoff (welcher beim Beschwerdeführer jedoch nicht zur Anwendung kam, wie auch Dr. P anmerkt) zum Krankheitsverlauf und zu den festgestellten Gesundheitsschädigungen folgende Feststellungen (auszugsweise wiedergegeben):
"Nach eine komplikationslosen Geburt und normalen Apgarwerten erlitt FB (der Beschwerdeführer) im Alter von 6 Tagen erstmals am 16.07.2000 mehrere Anfälle. Er wurde diesbezüglich am 18.07.2000 erstmals in an der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde stationär aufgenommen. Das am 19.07. durchgeführte EEG zeigte bereits deutliche Veränderungen mit multifokaler epileptischer Aktivität. Das Kind wurde auf das antiepileptische Medikament Phenobarbital eingestellt, woraufhin keine weiteren Anfälle mehr auftraten und auch das EEG bei Entlassung wieder eine normale Hirnstromkurve zeigte. Im Rahmen eines zweiten stationären Aufenthaltes an der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde vom 09.08. bis 10.08.2000 wurde eine cerebrale MRT-Untersuchung durchgeführt, die keine schlüssigen pathologischen Veränderungen zeigte.
Auch eine durchgeführte Hirn-SPECT-Untersuchung (nuklearmedizinische Untersuchung des Gehirns) war unauffällig, es bestand jedoch dringender Wiederholungsbedarf, der Termin zur zweiten SPECT-Untersuchung wurde vom Vater laut Befundbericht der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde abgesagt. Ein am 14.09.2000 durchgeführtes EEG war deutlich abnorm, retrospektiv zeichneten sich bereits damals die beginnenden typischen Veränderungen eines West-Syndroms ab. Ab Mitte September 2000 musste bei FB eine Physiotherapie wegen einer allgemeinen Muskelschwäche (muskuläre Hypertonie) durchgeführt werden. Die bereits damals bei FB bestehende muskuläre Hypertonie ist als Zeichen einer ausgeprägten cerebralen Funktionsstörung zu sehen.
Die gegenständlichen Impfungen mit Tetravac und Procomvax haben am 20.11.2000 sowie 22.02.2001 stattgefunden, die zweite Teilimpfung mit Tetravac am 15.01.2001. Im Gegensatz zu den Behauptungen (des nunmehrigen Beschwerdevertreters) handelte es sich hier nicht um eine 6-fach Impfung mit dem Impfstoff Hexavac, sondern um Impfungen mit einem 4-fach-Impfstoff (Tetravac) in Kombination mit einem 2-fach-Impfstoff (Procomvax).
Eine wenige Tage nach der dritten Teilimpfung mit Tetravac bzw. zweiten Teilimpfung mit Procomvax am 27.02.2001 durchgeführte Untersuchung an der CP-Ambulanz der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde (die CP-Ambulanz ist die Abteilung für Entwicklungs- und Bewegungsstörungen) ergab das Bild eines deutlichen Entwicklungsrückstandes. Die Untersuchung an der CP-Ambulanz erfolgte im Rahmen einer Kontrolle bei laufender physiotherapeutischer Betreuung an der Kinderklinik wegen muskulärer Hypotonie. Während der Untersuchung an der CP-Ambulanz am 27.02.2001 kam es auch zu einem epileptischen Anfall. Ein weiterer stationärer Aufenthalt an der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde fand vom 09.03. bis 20.03.2001 statt, zu diesem Zeitpunkt wurde der Übergang in ein West-Syndrom festgestellt.
…
Im Jahr 2005 erfolgten kinderneurologische Untersuchungen bei Herrn Univ.-Prof. Dr. M., dieser stellte eine schwere prozesshaft verlaufende, kryptogene generalisierte Epilepsie aus dem Formenkreis des Lennox-Gastaut-Syndroms fest sowie einen massiven Entwicklungsrückstand.
…
Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung am 18.12.2008
durch den unterzeichneten Sachverständigen zeigte FB einen
schwersten neurologischen Entwicklungsrückstand.
…
Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sind derzeit folgende
Gesundheitsstörungen festzustellen:
1.) Eine schwere, prozesshaft verlaufende, kryptogene generalisierte Epilepsie mit Anfallsbeginn am 6. Lebenstag, Übergang in ein West-Syndrom und weiterem Übergang in ein Lennox-Gastaut-Syndrom.
2.) Massiver psychomotorischer Entwicklungsrückstand."
Im Hinblick auf die Beurteilung der Kausalität nach § 1 Impfschadensgesetz legte der Gutachter zunächst dar, dass aus der wissenschaftlichen Literatur kein einziger Fall bekannt sei, der einen "kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines West-Syndroms und einer Impfung" schlüssig beweise, und "gewichtige epidemiologische Studien" sowie "auch der auf diesen Studien beruhende Konsens in den internationalen Fachgesellschaften (Pädiatrie, Neurologie)" dagegen sprächen, dass durch Impfungen "bleibende Schäden des zentralen Nervensystems verursacht … bzw. bevorstehende neurologische Erkrankungen verschlechtert" würden oder "Impfungen die Ursache für den Beginn einer Epilepsie" darstellten. Retrospektiv gesehen seien die ersten Anfälle am
6. Lebenstag als Beginn des danach folgenden schweren epileptischen Leidens mit Entwicklungsrückstand zu sehen und die Annahme einer zunächst nur benignen Epilepsie sei dadurch zu widerlegen, dass die EEG-Untersuchungen am 19. Juli 2000 und 14. September 2000 "deutliche Abnormitäten" zeigten. Zusammengefasst gebe es keine neurologisch-fachärztlichen oder kinderfachärztlichen Befunde, die für einen "kausalen Zusammenhang des neurologischen Gesundheitszustandes des F.B.
(Beschwerdeführers) mit den gegenständlichen Impfungen" sprächen; für die Feststellung eines Impfschadens sei die Wahrscheinlichkeit nicht gegeben.
Im Rahmen des Parteiengehörs wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Daraufhin wendete der Beschwerdeführer unter Vorlage des Privatgutachtens Dris. H vom 30. August 2009 ein, es sei seit langem bekannt, dass auch Impfungen im Einzelnen für die Entstehung eines (als kryptogen bezeichneten) West-Syndroms oder ähnlicher epileptischer Symptome verantwortlich sein könnten.
In dem hiezu eingeholten Ergänzungsgutachten vom 19. März 2010 wiederholte der Sachverständige Dr. P nach Ausführungen zur nicht ausreichenden klinischen Erfahrung des Privatgutachters Dr. H im Bereich der Neurologie und Pädiatrie (da er laut seinem Curriculum ausschließlich an chirurgischen Abteilungen tätig gewesen sei), der Heranziehung veralteter Literatur und Studien (etwa aus den Jahren 1964, 1967,1978,1997, etc.) und der fehlenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Vorgutachten im Wesentlichen die Einschätzungen vom 26. März 2009 und hielt zunächst fest, dass die anfänglich gestellte Diagnose "benigne Neugeborenenkrämpfe" als vorläufige Verdachtsdiagnose zu sehen sei, weil in vielen Fällen kindlicher Epilepsien die "endgültige Diagnosestellung erst nach einer retrospektiven Synopsis aller Krankheitsdetails" möglich sei. Im gegenständlichen Fall habe sich die Diagnose "West-Syndrom" erst im weiteren Krankheitsverlauf herauskristallisiert. Neben einer umfangreichen kritischen Betrachtung der vom Privatgutachter Dr. H verwendeten Literatur, führte Dr. P auszugsweise Folgendes aus:
"Wie aus den Unterlagen der Univ.-Klinik für Kinderheilkunde in Innsbruck hervorgeht, bestand ab Mitte September 2000 bei FB die Notwendigkeit von physiotherapeutischen Maßnahmen, da er eine muskuläre Hypertonie aufwies. Diese muskuläre Hypertonie ist retrospektiv neben den epileptischen Anfällen als Zeichen der in der Folge sich entwickelnden schweren Hirnerkrankung anzusehen.
….
Es ist richtig, dass erst im März 2001 seitens der Univ.- Klinik für Kinderheilkunde in Innsbruck erstmals der Verdacht auf ein sogenanntes West-Syndrom geäußert wurde. Allerdings traten bereits in dem vor der ersten Impfung abgeleiteten EEG vom 14.09.2000 EEG-Abnormitäten auf, die retrospektiv als Hinweis auf das West-Syndrom zu werten sind. Erst zwei Monate danach erfolgte die erste Impfung.
…
Der Sachverständige Dr. R hat für seine Begutachtung dieses EEG nochmals gründlich analysiert und kam zu dem richtigen Ergebnis, dass die massiven EEG-Abnormitäten, die eindeutig ein subklinisches Anfallsgeschehene wiedergeben (das heißt, ein epileptischer Anfall ohne äußerlich sichtbare Zeichen, der sich nur in der massiv abnormen Hirnaktivität im EEG zeigt), bereits zu diesem Zeitpunkt als deutlicher Hinweis für die spätere Entwicklung eines West-Syndroms zu interpretieren sind (…).
Ein derartiges EEG ist keinesfalls mit benignen Neugeborenenkrämpfen in Einklang zu bringen, sondern nur mit einem sich abzeichnenden bzw. beginnenden schweren epileptischen Anfallsleiden dieses Alters. Dieser EEG-Ausdruck vom 14.09.2000 lag mir zum Zeitpunkt meiner Begutachtung ebenfalls vor, wurde von mir analysiert und ebenfalls als ein hochpathologisches EEG befundet, welches einen subklinischen Anfall beweist, der als untrügliches Zeichen einer sich anbahnenden schweren epileptischen Erkrankung zu werten ist.
…
Wenn Dr. H darstellt, dass die biologische Plausibilität (Pathophysiologie) ein wesentliches Kriterium zur Kausalitätsbewertung darstellt, so ist aus gutachterlicher Sicht festzustellen, dass dieses Kriterium bei FB nicht erfüllt ist.
Einerseits ist eine postvaccinale pathologische Immunreaktion (d.h. eine postvakzinale Encephalitis) mit den typischen - auch in der MRT nachweisbaren - entzündlichen Veränderungen im Gehirn … bei FB nie nachgewiesen worden. Auch rein klinisch-neurologisch wären derartige Entzündungsherde im Gehirn nicht nur - wie im vorliegenden Fall - mit epileptischen Anfällen und einem Entwicklungsrückstand einhergegangen, sondern auch mit multifokalneurologischen Herdausfällen. Solche waren bei FB nie gegeben. Hier zeigt sich wiederum, dass die Beurteilung neurologischer bzw. kinderneurologischer Erkrankungen eindeutig in das Fachgebiet der Neurologie bzw. Kinderneurologie fällt und ein Gutachter, der sich zwar mit Impfkomplikationen beschäftigt, dem jedoch jeglicher spezifischer klinischer Hintergrund fehlt, mit diesen Fragestellungen überfordert ist.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass von Dr. H kein einziges schlüssiges pathologisches Konzept vorgelegt wurde, sondern lediglich unterschiedliche pathophysiologische Hypothesen vage zur Auswahl gestellt wurden: Zum einen vermutet Dr. H. eine immunologisch-entzündliche Reaktion des Gehirns durch eine T-Zell-Reaktion infolge eines molekularen Mimikri. Dem ist - wie bereits mehrfach ausgeführt wurde - entgegen zu halten, dass immunologischentzündlich bedingte Hirnschäden im MRT nachweisbar sind und bei FB derartige Befunde nicht nachgewiesen wurden.
Zum anderen bringt Dr. H die toxische 'Aluminium-Hypothese' ins Spiel. Diese Hypothese ist einerseits bis dato über das Stadium experimenteller Versuche mit Mäusen nicht hinausgekommen. Andererseits kommen jene neurologischen Erkrankungen (amyotrophe Lateralsklerose, Motorneuron-Erkrankungen), als deren Verursacher das in Impfungen als Adjuvans enthaltenen Aluminium angeschuldigt wird, im gegenständlichen Fall überhaupt nicht in Betracht.
Das andere von Dr. H angeführte Kriterium, welches zur Kausalitätsbewertung heranzuziehen ist, nämlich das zeitliche Intervall, spricht noch eindeutiger gegen einen Zusammenhang zwischen den Impfungen und den bei FB aufgetretenen neurologischen Erkrankungen. Wie bereits mehrfach angeführt wurde, fanden sich bereits vor der ersten Impfung Hinweise auf eine Hirnschädigung (deutlich abnormes EEG vom 14.09.2000, das bereits hinweisend auf das sich entwickelnde West-Syndrom war; Notwendigkeit einer Physiotherapie wegen der muskulären Hypotonie, die ebenfalls bereits vor der ersten Impfung bestand). Die von Dr. H. angeführte deutliche Verschlechterung des klinischen Verlaufes nach erfolgter Impfung entspricht dem typischen Verlauf des West-Syndroms.
…
Zusammenfassende gutachterliche Entgegnung zu den Ausführungen Dris. H vom 30.08.2009
1.)
…
3.) Der wesentliche Mangel des Gutachtens Dris. H ist darin zu sehen, dass gravierende pathologische Aspekte, die bei FB bereits vor der ersten Impfung vorlagen, völlig außer Acht gelassen wurden. Beim mj. FB lagen bereits vor der ersten Impfung in der EEG-Untersuchung vom 14.09.2000 deutliche Abnormitäten vor, die als eindeutiges Zeichen auf das sich entwickelnde West-Syndrom zu werten sind. Diese EEG-Veränderungen, die einen subklinischen epileptischen Anfall mit epileptischer Hirnaktivität zeigen, sind hochpathologisch zu werten.
Weiters bedurfte FB auch bereits vor der ersten Impfung einer Physiotherapie wegen einer muskulären Hypotonie, die ebenfalls ein deutliches frühes Zeichen einer vor der ersten Impfung bereits bestehenden Hirnschädigung im Sinne des sich später im klinischen Vorbild manifestierenden West-Syndroms darstellt.
4.) Die von Dr. H aufgestellten Hypothesen zur Erklärung des pathophysiologischen Zusammenhanges zwischen den gegenständlichen Impfungen und dem bei FB vorliegenden Hirnschaden sind nicht durch Evidenz-basierte Daten belegt.
5.) Die in meinem Fachgutachten vom 26.03.3009 (…) dargestellten gutachterlichen Äußerungen werden unverändert aufrecht erhalten und wie folgt nochmals präzisiert.
Das bei mj. FB neurologische Krankheitsbild (West-Syndrom mit Übergang in ein Lennox-Gastaut-Syndrom, cerebraler Entwicklungsrückstand) ist nicht als Impfschaden zu sehen. Wesentliche Aspekte des West-Syndroms lagen bereits vor der ersten Impfung vor. Durch die gegentsändliche(n) Impfung(en) ist es auch zu keiner richtungsweisenden Verschlechterung des bereits vor der ersten Impfung bestehenden bzw. sich abzeichnenden schweren neurologischen Krankheitsbildes gekommen. Vielmehr ist die bei FB vorliegende fatale Krankheitsentwicklung typisch für den natürlichen Verlauf des West-Syndroms."
Auch das Ergänzungsgutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, der eine Stellungnahme vom 30. April 2010 vorlegte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In ihrer Begründung stützte sich die belangte Behörde nach Darlegung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen auf die Ausführungen von Dr. P, welche sie wiedergab und als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei beurteilte. Der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges mit den angeschuldigten Impfungen sei nicht gegeben, da vor allem die zwei Monate vor der ersten Impfung durchgeführte EEG-Untersuchung vom 14. September 2000 Befundergebnisse aufweise, laut denen das Krankheitsbild eines sich entwickelnden West-Syndroms anzunehmen gewesen sei, woraus sich Hinweise auf mögliche andere Ursachen für das Anfallsleiden als die angeschuldigten Impfungen ergäben. Untermauert werde diese Annahme dadurch, dass der erste Anfall am 16. Juli 2000 objektiviert worden sei, also mehr als vier Monate vor der ersten Impfung, und bereits in der EEG-Untersuchung vom 19. Juli 2000 eine multifokale epileptische Aktivität festgestellt worden sei, womit auch der zeitliche Zusammenhang nicht gegeben sei. Die Kausalität der Erkrankung sei, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und unter Berücksichtigung der eingesehenen ärztlichen Beweismittel sowie der gültigen medizinischen Lehrmeinung, nicht mit entsprechender Wahrscheinlichkeit begründbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des Impfschadengesetzes, BGBl. Nr. 371/1973, idF BGBl. I Nr. 4/2010, lauten (auszugsweise):
"§ 1b. (1) Der Bund hat ferner für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.
(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat durch Verordnung jene Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen sind.
(3) Nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ist Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter-Kind-Paß genannte Impfungen verursacht worden sind.
…
§ 3. (1)
…
(3) Soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, sind die §§ 2, 31a, 54 bis 60, 65 bis 67, 69 bis 72, 73a, 82, 83 Abs. 1, 85 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2, 86, 87, 87a Abs. 1 bis 3, 88 Abs. 3, 92 bis 94a und 98a Abs. 7 und 8 HVG sinngemäß anzuwenden…."
1.2. Die hier maßgeblichen verwiesenen Bestimmungen des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, idF BGBl. I Nr. 4/2010 (im Folgenden: HGV), lauten (auszugsweise):
"§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Wenn dem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen nur ein ursächlicher Anteil an einer Gesundheitsschädigung zugemessen werden kann, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit (§§ 27, 28) verbunden ist, ist der die Hilflosigkeit oder Blindheit verursachende Leidenszustand zur Gänze als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen.
(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen. …"
1.3. Mit der Frage der Verursachung eines Schadens durch eine Impfung im Sinne des Impfschadengesetzes hat sich der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die auch im vorliegenden Fall anzuwendende Novelle BGBl. I Nr. 48/2005 in seinem Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2007/11/0005, auseinandergesetzt. Durch die genannte Novelle wurde § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz dahin geändert, dass bei der Beurteilung eines Entschädigungsanspruches nach dem Impfschadengesetz § 2 des Heeresversorgungsgesetzes sinngemäß anzuwenden ist. Gemäß § 2 Abs. 1 HVG kommt es darauf an, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung "zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das
schädigende Ereignis ... ursächlich zurückzuführen ist";
Abs. 2 leg. cit. normiert, dass die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung genügt, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.
Daraus folgt, dass nach der hier anzuwendenden Rechtslage der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Falle der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht. Jedenfalls dann, wenn auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, dass die drei nach dem hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2007, Zl. 2004/11/0153, maßgeblichen Kriterien - entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinlichere Ursache - erfüllt sind, ist von der Wahrscheinlichkeit der Kausalität einer Impfung für die betreffende Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 3 des Impfschadengesetzes iVm § 2 HVG auszugehen (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2007/11/0005, sowie die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2011, Zl. 2007/11/0200, vom 30. September 2011, Zl. 2009/11/0004, und vom 23. Mai 2013, Zl. 2011/11/0114).
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1. Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf das umfangreiche im Berufungsverfahren erstattete und mit Stellungnahme vom 19. März 2010 ergänzte Sachverständigengutachten von Dr. P vom 26. März 2009. In diesem nicht als unschlüssig zu erkennenden Gutachten sowie in der ergänzenden Stellungnahme, die ausführlich auf das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten Dris. H eingeht, gelangt Dr. P zusammengefasst zum Ergebnis, dass infolge der Analyse der Aufzeichnungen des Krankheitsverlaufes die ersten Anfälle am 6. Lebenstag retrospektiv als Beginn eines schweren epileptischen Anfallsleidens mit zunehmendem Entwicklungsrückstand zu sehen und insbesondere die ab Mitte September 2000 behandelte muskuläre Hypotonie sowie das "deutlich abnorme" EEG vom 14. September 2000, welches keinesfalls mit den anfänglich diagnostizierten benignen Neugeborenenkrämpfen in Einklang zu bringen sei, als Zeichen für die spätere Entwicklung eines West-Syndroms zu interpretieren seien, weshalb - im Hinblick auf das bei der Kausalitätsbewertung heranzuzuziehende Kriterium der entsprechenden Inkubationszeit - wesentliche Aspekte des Krankheitsbildes des Beschwerdeführers bereits vor den ersten Impfungen vorgelegen seien. Weiters wird nach Darlegung des Krankheitsbildes "West-Syndrom" ausgeführt, dass die Verschlechterung des klinischen Verlaufes nach erfolgter Impfung jedenfalls dem typischen Verlauf des West-Syndroms entspreche.
2.2. Diesen gutachterlichen Ausführungen, insbesondere auch der detaillierten Auseinandersetzung mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten Dris. H, ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Sofern der Beschwerdeführer meint, aus den EEG-Befundtexten sei von "einem auffallenden traumatischen Anfallsgeschehen" als Vorbote eines West-Syndroms "nicht das Geringste zu erkennen", vermag er damit eine Unschlüssigkeit des Sachverständigengutachtens nicht aufzuzeigen. Schließlich betonte Dr. P bereits in seinem Gutachten vom 19. März 2010, dass er zum einen den EEG-Ausdruck vom 14. September 2000 selbst einer Analyse unterzogen habe und zum anderen in vielen Fällen kindlicher Epilepsien die endgültige Diagnosestellung erst nach einer retrospektiven Synopsis aller Krankheitsdetails möglich sei. Dass die in den Gutachten dargelegte Interpretation der EEG-Ausdrucke durch Dr. P falsch sei oder nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entspreche, wurde zu keinem Zeitpunkt behauptet.
Zur Frage von neurologischen Folgeerkrankungen nach Impfungen verneint Dr. P sowohl im Gutachten vom 26. März 2009, als auch im Ergänzungsgutachten vom 19. März 2010 das Bestehen einer wissenschaftlichen Evidenz dafür, dass Impfungen eine Epilepsie auslösen oder "ein vorbestehendes epileptisches Leiden durch Impfungen eine richtungsweisende Verschlechterung erfährt"; in der neurologischen und pädiatrischen Fachwelt liege übereinstimmender Konsens darüber vor, dass die gegenständlichen Erkrankungen nicht durch Impfungen verursacht werden könnten. Darüber hinaus zeigt er nachvollziehbar und schlüssig auf, dass eine von Privatgutachter Dr. H. aufgeworfene "postvakzinale Encephalitis" als Ursache für gegenständliches Krankheitsbild beim Beschwerdeführer nicht vorliegen könne, weil eine dafür typische, in der MRT nachweisbare entzündliche Veränderung im Gehirn nicht vorgelegen sei. Mit seinem nicht substantiierten Beschwerdevorbringen, dass Hirnschädigungen nach allen bekannten Impfungen auftreten könnten, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, aus welchen Gründen der Einschätzung Dris. H mehr zu folgen sei, als den nachvollziehbaren und mit Literatur und Verweisen auf Studien (vgl. das Gutachten vom 26. März 2009, S. 35 bis 39, und das Gutachten vom 19. März 2010, S. 7 bis 14) untermauerten Betrachtungen von Dr. P Angesichts dieses Ergebnisses ist auch mit dem - ohne Hinweis auf einen konkreten Impfstoff versehenen - Verweis auf die Information eines Beipackzettels ("Wenn Krampfanfälle auf Grund einer bestehenden Impfung entstanden wären, sollte diese weitergehende Impfung unterlassen werden.") für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen.
Auch das Beschwerdevorbringen, die von Dr. P beschriebenen physiotherapeutischen Maßnahmen infolge muskulärer Hypertonie seien durch keinerlei Krankenunterlagen belegt und der Mutter des Beschwerdeführers auch nicht bekannt, vermag die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. P nicht zu erschüttern, ist doch dem im Verwaltungsakt einliegenden Schreiben zweier Ärzte der Abteilung Entwicklungs- und Bewegungsstörungen (CB-Ambulanz) der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Innsbruck (s. AS 8) als Grund für die seinerzeitige Vorstellung des Beschwerdeführers in der erwähnten Abteilung die "entwicklungsneurologische Untersuchung nach physiotherapeutischer Betreuung seit Mitte Sept. 2000 wegen muskulärer Hypotonie bei Z. n. Neugeborenenkrämpfen" zu entnehmen.
2.3. Soweit der Beschwerdeführer überdies unsubstantiiert die "Neutralität" und "Unvoreingenommenheit" von Dr. P (und des mit der Gutachtenserstellung in erster Instanz betrauten Dr. R) in Frage stellt und behauptet, Dr. P könne keine Erfahrung mit Impfschäden haben, "weil es offenbar bei ihm keine Impfschäden gibt", vermag er es weder, die fachliche Qualifikation des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, noch einen konkreten Anhaltspunkt dafür aufzuzeigen, der Sachverständige sei gegen den Beschwerdeführer voreingenommen gewesen oder habe sich nicht ausschließlich von sachlichen Motiven bei Erstattung seines Gutachtens bzw. des Ergänzungsgutachtens leiten lassen. Sofern in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer die unterbliebene Vernehmung des behandelnden Neurologen Dr. Ha zum EEG geltend gemacht wird, weil es sein könne, dass der Privatgutachter Dr. H keine spezielle Ausbildung zum Facharzt für Neurologie aufweise und daher die Stromanalysen nicht deuten könne wie ein ausgebildeter Neurologe, wird nicht angegeben, welche anderen Schlüsse Dr. Ha aus den EEG-Ausdrucken gezogen hätte, und somit eine Relevanz dieses Mangels nicht aufgezeigt.
2.4. Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Überprüfungsbefugnis ist sohin nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde vor dem Hintergrund sowohl der dargelegten Rechtslage zur Prüfung der Wahrscheinlichkeit als auch des unbedenklichen Akteninhalts und der schlüssigen Sachverständigengutachten, denen zuletzt nicht mehr auf gleicher fachlichen Ebene begegnet wurde, die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität zwischen den gegenständlichen Impfungen und dem Krankheitsbild des Beschwerdeführers verneint hat.
- 3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
- 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 26. September 2013
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