VwGH 2010/11/0119

VwGH2010/11/011924.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der M K in G, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in 8650 Kindberg, Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 5. Mai 2010, Zl. BMASK-41550/1212- IV/9/2007, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3 idF 2005/I/048;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3 idF 2005/I/048;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006 beantragte die im Jahr 1953 geborene Beschwerdeführerin, ihr die gesetzlichen Leistungen nach dem Impfschadengesetz wegen eines Impfschadens aufgrund einer im Jahre 1954 verabreichten Pockenimpfung zuzuerkennen. Dazu führte sie aus, infolge der Pockenimpfung seien bei ihr erstmals Krampfanfälle aufgetreten, die sich in der Folge verstärkt hätten. Die Beschwerdeführerin sei seither behindert und ein Pflegefall. Die Beschwerdeführerin legte dem Antrag mehrere Arztbriefe bei und brachte vor, nach heutigem Wissensstand sei klar, dass ihr bedauernswerter Zustand durch eine postvakzinale Enzephalitis oder Enzephalopathie verursacht worden sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen und als Rechtsgrundlage u.a. § 1 und § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz sowie § 2 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz (HVG) angeführt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Erstbehörde habe einen kausalen Zusammenhang mit der ins Treffen geführten Pockenschutzimpfung ausgeschlossen. Dagegen habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die epileptischen Anfälle unmittelbar nach der Pockenimpfung aufgetreten seien und sie acht Tage nach der Impfung halbseitig gelähmt gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für eine andere Ursache für die Krampfanfälle, die Epilepsie und die erlittene Hirnschädigung.

Daraufhin habe die belangte Behörde das (im angefochtenen Bescheid wiedergegebene) Gutachten des Facharztes für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendneuropsychiatrie Dr. G. vom 29. September 2008 eingeholt. In diesem Gutachten wird im Anschluss an Ausführungen über die Inkubationszeit bei der vakzinalen Enzephalopathie und der postvakzinalen Enzephalitis die Anamnese dargestellt, die der Sachverständige durch ein Telefongespräch mit der Mutter der Beschwerdeführerin erhoben hat. Demnach sei die Entbindung der Beschwerdeführerin zu Hause erfolgt, postpartal sei eine kurz anhaltende Zyanose vorhanden gewesen, bis der erste Schrei der Beschwerdeführerin erfolgt sei. Die Entwicklung sei sonst unauffällig verlaufen. Am Tag nach der gegenständlichen Impfung habe die Mutter bei der Beschwerdeführerin einen ersten Krampf unter Fieber, der sich wieder gelöst habe, beobachtet. Bis zum 8. Tag seien dann keine Symptome mehr aufgetreten. Am 8. Tag sei jedoch unter Anfieberung ein schwerer Krampfanfall aufgetreten, wobei die linke Körperseite schlaff gewesen sei. Nach diesem schweren Krampfanfall habe sich die Beschwerdeführerin wieder erholt, die Halbseitensymptomatik sei völlig verschwunden und die Motorik sei wieder hergestellt gewesen, während jedoch die geistige Entwicklung zurückgeblieben sei. Bis zum 8. Lebensjahr der Beschwerdeführerin habe es etwa vier Krampfanfälle im Jahr gegeben. Danach sei die Beschwerdeführerin "ausgeschult" worden, habe massive Impuls- und Schlafstörungen entwickelt und sei nach einem Heimaufenthalt bis zum 18. Lebensjahr zu Hause verblieben. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie motorisch ungeschickt, aber nicht spastisch gelähmt gewesen. Die Lähmung sei erst im Heim aufgetreten, wo die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter regelmäßig besucht werde, aber geistig immer weiter abbaue.

An diese Ausführungen schloss der Sachverständige folgende

Beurteilung an:

"Beurteilung:

Es gibt mehrere Risikofaktoren, die für die mentale Störung und Erkrankung der Berufungswerberin in Frage kommen. Die erste Kausalitätsprüfung bezieht sich auf die Hausentbindung der ersten Geburt im Beisein der Hebamme mit postpartaler Zyanose. Mit einem mittleren Maß an Wahrscheinlichkeit hat sich dabei ein apoplektischer oder hämatogener Hirnschaden ergeben, der eine mentale Läsion setzte. Dagegen sprechen die Angaben der Mutter der Berufungswerberin, dass die Entwicklung bis zum ersten Krampf unauffällig war, wobei natürlich die mangelhafte Erfahrung bei der Beobachtung des Entwicklungsprogrammes eines Kindes berücksichtigt werden muss, eine Mutterberatung gab es damals noch nicht. Gegen eine infantile Cerebralparese spricht auch die Beobachtung, dass sich die Spastizität chronisch entwickelt hat und dass diese angeblich erst im Diakoniewerk sich verstärkte. Diese Angaben entsprechen aber nicht den dort aufliegenden Befunden und Pflegeprotokollen.

Als zweiter Risikofaktor muss das Auftreten schwerer Krampfanfälle in die Kausalitätsprüfung einbezogen werden, weil in Verbindung mit Epilepsien auch autistische und hirnorganische Syndrome verbunden sein könnten, die z.B. im Lennox-Gasteau-Syndrom vorkommen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Fieberreaktion nach der Impfung einen ersten Anfall auslöste, wobei zu beachten ist, dass auch im Protokoll bei der Anmeldung im Kindergarten vermerkt wird, dass es zu Hause bereits einen Tag nach der Impfung einen Krampfanfall gegeben hat. Es lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, in welchen Zustand und unter welchen dramatischen Bedingungen in Verbindung mit Bewusstlosigkeit und einem lang anhaltenden Krampfanfall acht Tage postvakzinal sich die Berufungswerberin befunden hat. Mit hohem Maß an Wahrscheinlichkeit ist dabei eine parenchymmatöse Schädigung des Gehirns eingetreten, weil die Halbseitenlähmung, die im Krampfanfall auftauchte, einen Hinweis auf Microblutungen oder Sauerstoffmangel eventuell durch Erstickungssymptome gibt. Diese Phase muss deshalb dramatisch gewesen sein, weil gleich drei Ärzte das Kind zu Hause untersuchten, aber paradoxer Weise keine Einweisung in ein Krankenhaus veranlassten.

Wie vom bevollmächtigten Vertreter festgestellt, war die Zeit damals intensivmedizinisch noch sehr schwach besetzt. Es müsste aber angenommen werden, dass mit höchstem Maß an Wahrscheinlichkeit die Ärzte auch damals ein bewusstloses Kind sofort eingewiesen hätten. Die wahren Geschehnisse um diese Phase lassen sich nicht mehr nachvollziehen. Die Berufungswerberin hatte jedenfalls laufend weitere Anfälle, die im November 1955 erstmals fachkundig im Landeskrankenhaus Salzburg antikonvulsiv versorgt wurden. Das dort vorgenommene EEG weist eindeutig auf ein Herdgeschehen hin, wie dies nach Hirnblutung oder vokaler Hirnläsion bioelektrisch festgestellt wurde. Es fehlen die langsamen Wellen, die nach einer diffusen Hirnschädigung auftreten. Festzustellen ist auch, dass die Berufungswerberin in dieser Zeit eine ataktische Gangstörung aufwies, die Kindesmutter spricht von breitbasigem und tollpatschigem Gang. Das höchste Maß an Wahrscheinlichkeit für die derzeit vorliegende Schädigung ergibt sich aus diesen Zusammenhängen.

Ein sehr geringes Maß an Wahrscheinlichkeit lässt sich mit den zur Verfügung stehenden Befunden und aus der Diskussion der Katamnese mit der Spekulation einer Impfenzephalitis oder schon überhaupt mit einer Enzephalopathie herstellen. Vollends dagegen spricht, dass sich der Zustand nach dem Krampfanfall acht Tage postvakzinal, nach Angaben der Mutter der Berufungswerberin, wieder völlig normalisiert hat. Krampfanfälle unter Impffieber sind nicht als Impfschaden zu definieren, weil Fieber ein Ereignis ist und keine spezifische Reaktion auf Impfungen darstellt. Es ist anzunehmen, dass auch Fieber einer anderen Genese dieses Leiden auslösen kann.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Kausalitäten als der eines Impfschadens überwiegt und dass die Diagnose Impfschaden nach Pockenimpfung unter den gegebenen zeitlichen und fachlichen bzw. anamnestischen Daten nicht gestellt werden kann."

Gegen dieses Gutachten habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die halbseitige Lähmung acht Tage nach der Impfung "lupenrein in das Bild einer Impfenzephalopathie passe", und das Gutachten des Dr. L. vom 3. März 2009 vorgelegt.

Die Mutter der Beschwerdeführerin habe die genannten Angaben betreffend die beiden Krampfanfälle der Beschwerdeführerin einen bzw. acht Tage nach der Impfung und dass sich die Beschwerdeführerin nach der halbseitigen Lähmung beim zweiten Krampfanfall wieder erholt habe, am 28. April 2009 zu Protokoll gegeben.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. November 2009 habe der Sachverständige Dr. G. ausgeführt, dass mit dem Fachausdruck "postpartale Zyanose" die Beschreibung vermieden werden solle, dass ein Baby nach der Geburt blau gewesen sei, weil das ein Ausdruck des sehr fatalen Sauerstoffmangels sei. Epilepsien nach Impfungen als Reaktion auf das Fieber seien unspezifische Erscheinungen, die auch bei Fieber anderer Genese auftreten könnten, sie seien deshalb nicht als Impfkrankheit oder Impfschaden definierbar.

Zum Gutachten des Dr. L. führte der Sachverständige Dr. G. aus, dass Laborparameter bei Entzündungen, Liquordiagnostik, Immundiagnostik, etc., damals nur eingeschränkt zur Verfügung gestanden seien, sodass der Schwerpunkt auf der Beobachtung des klinischen Verlaufs gelegen sei. Wie bereits im Gutachten vom 29. September 2008 ausgeführt, seien "viele Kausalitäten für einen Experten möglich, aber retrospektiv sei eine Diagnose sehr schwierig zu stellen (Rett Syndrom, fragiles X Chromosom, Lennox Gasteau Syndrom, atypischer Autismus bei Epilepsie, Genuine Epilepsie, etc.)".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgebenden Gesetzesbestimmungen aus, dass gegenständlich zu prüfen sei, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit vorliege, dass die bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gesundheitsschädigung auf die angeschuldigte Impfung zurückzuführen sei, wobei die bloße Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges nicht ausreichend sei. Für die Auslegung des Begriffs "wahrscheinlich" sei der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit sei gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche.

Ausgehend vom wiedergegebenen ärztlichen Sachverständigengutachten sei die Ursache des bei der Beschwerdeführerin objektivierten Leidenszustandes nicht eindeutig festzustellen, der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges mit der angeschuldigten Pockenimpfung im Jahr 1954 sei jedoch nicht gegeben. Der klinische Krankheitsverlauf deute darauf hin, dass andere Ursachen als die Pockenimpfung, wie z. B. das Rett Syndrom, ein fragiles X Chromosom, das Lennox Gasteau Syndrom, ein atypischer Autismus bei Epilepsie oder eine Genuine Epilepsie für den Leidenszustand der Beschwerdeführerin verantwortlich seien. Hingegen sei eine Impfenzephalitis oder eine Enzephalopathie als mögliche Folgen einer Pockenimpfung nicht abzuleiten. Die Kausalität der Erkrankung durch die Pockenimpfung sei somit nicht mit entsprechender Wahrscheinlichkeit begründbar. Da eine Impfenzephalitis oder eine Enzephalopathie als mögliche maßgebliche Folge einer Pockenimpfung auszuschließen sei, sei auch der Einwand hinsichtlich der Inkubationszeiten nicht weiter zu verfolgen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Impfschadengesetz BGBl. Nr. 371/1973 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 4/2010 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1. Der Bund hat für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund

1. des bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Bundesgesetzes über Schutzimpfungen gegen Pocken (Blattern), BGBl. Nr. 156/1948, oder

verursacht worden sind, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes

Entschädigung zu leisten.

§ 3. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes sind unmittelbar von Bundesbehörden zu versehen.

(2) Über Ansprüche auf Entschädigung nach diesem Bundesgesetz entscheidet in erster Instanz das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, in zweiter und letzter Instanz die Bundesberufungskommission.

(3) Soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, sind die §§ 2, 31a, 54 bis 60, 65 bis 67, 69 bis 72, 73a, 82, 83 Abs. 1, 85 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2, 86, 87, 87a Abs. 1 bis 3, 88 Abs. 3, 92 bis 94a und 98a Abs. 7 und 8 HVG sinngemäß anzuwenden.

…"

Das Heeresversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 27/1964 in der Fassung

BGBl. Nr. 110/1993 (HVG), lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Wenn dem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen nur ein ursächlicher Anteil an einer Gesundheitsschädigung zugemessen werden kann, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit (§§ 27, 28) verbunden ist, ist der die Hilflosigkeit oder Blindheit verursachende Leidenszustand zur Gänze als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen.

(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

…"

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Verursachung eines Schadens durch eine Impfung im Sinne des Impfschadengesetzes unter Bezugnahme auf die Novelle BGBl. I Nr. 48/2005, die auch im vorliegenden Fall Gültigkeit hat, in seinem Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2007/11/0005, auseinandergesetzt. Durch die genannte Novelle wurde § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz dahin geändert, dass bei der Beurteilung eines Entschädigungsanspruches nach dem Impfschadengesetz der oben zitierte § 2 HVG sinngemäß anzuwenden ist. Gemäß - dem auch im Beschwerdefall anzuwendenden - § 2 Abs. 1 HVG kommt es darauf an, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung "zumindest mit

Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis ... ursächlich

zurückzuführen ist"; Abs. 2 leg. cit. normiert, dass die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung genügt, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

Die Erläuterungen (RV 671 BlgNR XXII. GP 6) zur Novelle des Impfschadengesetzes, BGBl. I Nr. 48/2005, führen zu § 3 Abs. 3 leg. cit. wie folgt aus:

"Dadurch wird im Bereich des Impfschadengesetzes ein Anspruch auf Entschädigung bereits dann eingeräumt, wenn die Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf die verabreichte Impfung zurückzuführen ist."

Daraus folgt, dass nach der hier anzuwendenden Rechtslage der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Falle der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht. Davon ausgehend ist jedenfalls dann, wenn auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, dass die drei maßgeblichen Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinlichere Ursache) erfüllt sind, von der Wahrscheinlichkeit der Kausalität einer Impfung für die betreffende Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 3 ImpfSchG iVm § 2 HVG auszugehen (vgl. neben dem oben erwähnten Erkenntnis vom 17. November 2009 etwa auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2011, Zl. 2007/11/0034). Anhand dessen ist zu überprüfen, ob die belangte Behörde ohne Rechtswidrigkeit zu dem Ergebnis gelangte, es sei im vorliegenden Fall nicht einmal die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der gegenständlichen Impfung für die Leiden des Beschwerdeführers anzunehmen (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2011, Zl. 2008/11/0199).

In ihrer Beschwerde wendet die Beschwerdeführerin ein, sie habe bis zur gegenständlichen Pockenimpfung keinerlei Krankheitssymptome gehabt, ihr Leidenszustand habe sich acht Tage nach der Pockenimpfung entwickelt. Es liege daher "im Dunkeln", weshalb die Pockenimpfung als wahrscheinliche Ursache ausscheiden solle. Vielmehr habe der Sachverständige Dr. G. selbst ausgeführt, dass die "Inkubationszeit stimmt" und keine andere Ursache festgestellt. Soweit der Sachverständige eine mögliche Zyanose als Ursache der Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin anführe, seien ihm seine eigenen Ausführungen entgegenzuhalten, wonach der Sauerstoffmangel (im Rahmen des Geburtsvorganges) für den schweren Hirnschaden nicht herangezogen werden könne, da sich die Beschwerdeführerin zumindest im ersten Lebensjahr bestens entwickelt habe.

Dem gegenständlichen Verfahren liegt der eingangs erwähnte Antrag der Beschwerdeführerin vom 26. Juni 2006 zugrunde, in welchem die Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin auf eine durch die Pockenimpfung des Jahres 1954 verursachte postvakzinale Enzephalitis oder Enzephalopathie zurückgeführt wird.

Davon ausgehend ist im Beschwerdefall der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz entsprechend der dargestellten hg. Rechtsprechung davon abhängig, ob die Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin zumindest mit Wahrscheinlichkeit durch die genannte Pockenimpfung verursacht wurde. Auch im vorliegenden Fall ist unter Beachtung dieser Judikatur das Vorliegen der sogenannten Kausalitätswahrscheinlichkeit dann anzunehmen, wenn die maßgebenden drei Kriterien (entsprechende Symptomatik, entsprechende Inkubationszeit, keine andere wahrscheinlichere Ursache) erfüllt sind. Gegenständlich kann dahingestellt bleiben, ob die Krankheitssymptome der Beschwerdeführerin innerhalb der Inkubationszeit der vakzinalen Enzephalopathie bzw. der postvakzinalen Enzephalitis aufgetreten sind, ob also die Inkubationszeit "stimmt", weil die belangte Behörde aus folgendem Grund davon ausgehen konnte, dass die Symptomatik (als zweites zu prüfendes Kriterium) gegen die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität spreche:

So hat der Sachverständige Dr. G. in der oben wiedergegebenen Beurteilung ausgeführt, der Umstand, dass sich der Zustand der Beschwerdeführerin nach dem Krampfanfall, der am 8. Tag nach der Impfung auftrat, wieder völlig normalisiert habe, spricht "vollends dagegen", eine Impfenzephalitis oder überhaupt eine Enzephalopathie anzunehmen. Dem tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen. Vielmehr bestätigt auch die Beschwerde in der Sachverhaltsdarstellung, dass die Beschwerdeführerin nach dem schweren Krampfanfall, der am 8. Tag nach der Impfung auftrat, ins Krankenhaus Vöcklabruck gebracht worden sei, wo "nichts mehr festgestellt werden konnte".

Somit ist die Kausalität der Impfung schon mangels Übereinstimmung der Symptomatik nicht wahrscheinlich.

Was im Übrigen das dritte Kriterium für die Kausalitätswahrscheinlichkeit (keine andere wahrscheinlichere Ursache) betrifft, so ist entgegen den offensichtlichen Beschwerdeannahmen festzuhalten, dass der Sachverständige Dr. G. die postpartale Zyanose (Sauerstoffmangel bei der Geburt) letztlich nicht als andere wahrscheinlichere Ursache der Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin angesehen hat (der Sachverständige listete vielmehr - wie im angefochtenen Bescheid auf Seite 9 wiedergegeben - andere mögliche Ursachen auf). Die diesbezügliche Kritik der Beschwerde geht daher ins Leere.

Unter dem Gesichtspunkt einer wahrscheinlicheren Ursache hat der Sachverständige vielmehr, wie oben wiedergegeben wurde, ausgeführt, dass ein im November 1955 im Landeskrankenhaus Salzburg an der Beschwerdeführerin vorgenommenes EEG "eindeutig auf ein Herdgeschehen hinweist, wie dieses nach Hirnblutung oder vokaler Hirnläsion" festgestellt werde. Auch dem tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen.

Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht der belangten Behörde, es sei nicht wahrscheinlich, dass die Pockenimpfung für die genannte Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin kausal sei, nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Juli 2013

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