VwGH 2010/11/0070

VwGH2010/11/007022.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Winkler - Heinzle - Nagel Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 11. Februar 2010, Zl. UVS-FSG/48/838/2010-1, betreffend Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung gemäß FSG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §24 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Jänner 2010 forderte die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer auf, sich gemäß § 24 Abs. 4 FSG innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Begründend stützte sich die Behörde auf eine polizeiliche Meldung vom 25. August 2009, derzufolge der Beschwerdeführer angegeben habe, physisch und psychisch auf starke Pharmazeutika angewiesen zu sein und Cannabis zu konsumieren, da es ihm dann "eindeutig besser" gehe. Aufgrund seiner weiteren Angabe, "seit Dezember 2008 ca. 2 bis 3 Gramm Cannabiskraut pro Tag" zu konsumieren, bestehe der Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sein letzter Cannabis-Konsum liege über sechs Monate zurück. Er habe davor gelegentlich Cannabis zur Linderung seiner Magen-Darm-Beschwerden verwendet, welche durch eine stationäre Antibiotika-Therapie anlässlich eines Dickdarm-Durchbruchs im Juli 2009 geheilt worden seien. Seither habe er kein Cannabis mehr konsumiert. In der polizeilichen Niederschrift vom 25. August 2009 sei nur von der Zeit davor die Rede gewesen, was jedoch missverständlich protokolliert worden sei. Der Beschwerdeführer legte mit seiner Berufung eine Bestätigung über die stationäre Behandlung im AKH vom 10. Juli 2009 sowie zwei negative Harnbefunde vom 3. Dezember 2009 und vom 22. Jänner 2010 vor.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, sich gemäß § 24 Abs. 4 FSG innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des angefochtenen Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Begründend ging die belangte Behörde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung -

davon aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig, und führte dazu aus:

"… Dem Akteninhalt nach war der Berufungswerber vielfach und über mehrere Monate wenn nicht Jahre hinweg in Hinblick auf Übertretungen der Suchtmittelbestimmungen und des Konsums von Suchtmittel und Arzneien, u.a. sexuell leistungssteigernde Präparate, auffällig; nur zu einer strafgerichtlichen Verurteilung ist es bis dato nicht gekommen. Er hält sich einen Mehrteil des Jahres in Südostasien auf.

Dieses Bild stützt sich auch auf die Angaben des Berufungswerbers, wenn auch nur erschließbar, als er Cannabis- und Medikamentenkonsum zur Linderung und Heilung seiner gastritischen Beschwerden genommen haben will. Konsum wohl, Beschwerden wohl anderer Art. Den eigenen Angaben zu Folge, wird bis in die unmittelbare Gegenwart ein Supervisionsprogramm der öffentlichen Hand, nämlich zur Observation der Suchtmittelsucht, in Anspruch genommen. Das behördliche Ansinnen auf eine amtsärztliche Nachschau zur Firmierung derselben jedoch zurückgewiesen. …

Im vorliegenden Zusammenhang bestehen insofern zu Recht begründete Bedenken, an der gesundheitlichen Eignung des Berufungswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen, ja liegt geradezu ein klassischer Fall dahingehend vor, als sowohl im Zuge des polizeilichen Einsatzes vom 25.8.2009 als auch aufgrund des 'segensvollen' Wirkens im Sucht- und Arzneimittelmilieu stichhaltige Indizien in Hinblick auf eine Suchtmittelabhängigkeit vorlagen, ja hat eine solche der Berufungswerber passager für die Vergangenheit zugestanden. …

Es bleibt dem Berufungswerber unbenommen nunmehr überrascht jeglichen, gar regelmäßigen Konsum von Suchtmitteln von sich zu weisen, doch ist dies aufgrund der zweifelsfrei im Akt nachvollziehbaren 'Drogenkonsumentenkarriere' geradezu als provokant anzusehen. …"

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Hinsichtlich der maßgeblichen Rechtslage und der Anforderungen an die Beurteilung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 FSG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2011, Zl. 2011/11/0026, und vom 17. Juni 2009, Zl. 2009/11/0052, je mwN, verwiesen. Zu diesen Anforderungen gehört es auch, die - aktuellen - Bedenken gegen die gesundheitliche Lenkeignung nachvollziehbar darzulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl. 2009/11/0095, mwN).

2. Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht.

Zunächst lässt sich dem vorgelegten Akt weder entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine Suchtmittelabhängigkeit "zugestanden" hätte, noch, dass er "bis in die unmittelbare Gegenwart ein Supervisionsprogramm der öffentlichen Hand, nämlich zur Observation der Suchtmittelsucht, in Anspruch genommen" hätte. Abgesehen von diesen Aktenwidrigkeiten verabsäumte es die belangte Behörde, sich mit dem Berufungsvorbringen und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Attesten auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen. Sie traf keinerlei Feststellungen dazu, wann der Beschwerdeführer zuletzt Drogen konsumiert habe.

3. Die oben zitierten Ausführungen der belangten Behörde genügen somit nicht zur - für die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung nach § 24 Abs. 4 FSG entscheidenden - nachvollziehbaren Darlegung von aktuellen Bedenken an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl. zum fehlenden Einfluss eines bloß gelegentlichen Konsums von Cannabis auf die gesundheitliche Eignung auch das hg. Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2009/11/0119, mwN).

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. Jänner 2013

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