VwGH 2009/11/0052

VwGH2009/11/005217.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, über die Beschwerde des RW in H, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 13. März 2009, Zl. UVS-411-007/E3-2009, betreffend Aufforderung zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §1 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;
FSG-GV 1997 §3 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §1 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;
FSG-GV 1997 §3 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, gemäß § 24 Abs. 4 FSG innerhalb von drei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen.

1.2. Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der Berufung - Folgendes aus:

"Folgender Sachverhalt steht fest: Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10.10.2008 wurde der (Beschwerdeführer) aufgefordert, sich zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B binnen zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Begründet wurde dies damit, dass aus dem Bericht des Landespolizeikommandos Vorarlberg vom 03.10.2008, ..., zu entnehmen sei, dass der (Beschwerdeführer) im Zeitraum Anfang 2007 bis 26.06.2008 insgesamt ca 500 Gramm Cannabis bezogen und in der Folge größtenteils selbst konsumiert habe. Er habe angegeben, ca 15 bis 20 Gramm pro Monat verraucht zu haben.

Die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hat den (Beschwerdeführer) am 28.11.2008 untersucht und eine verkehrspsychologische Stellungnahme verlangt. Einer Aufforderung, die verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen, ist der (Beschwerdeführer) bisher nicht nachgekommen."

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, nach § 24 Abs. 4 FSG sei ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Leiste der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, sei ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Das Gutachten des Oberarztes R.W. vom 2. Jänner 2009 betreffe "nur die medizinische (psychiatrische) Seite, nicht jedoch die kraftfahrtspezifische Leistungsfunktion". Die Amtsärztin der Erstbehörde benötige für die Erstattung ihres Gutachtens eine verkehrspsychologische Stellungnahme. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers komme § 14 Abs. 5 FSG-GV nicht zum Tragen, weil dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung nicht entzogen worden sei. Es gehe nicht darum, ob eine solche wieder erteilt werde, vielmehr sei er ohnehin im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung. Es gehe "ausschließlich um die Abklärung der Frage, ob der (Beschwerdeführer) aus gesundheitlicher Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet" sei. Zur Beantwortung dieser Frage werde eine verkehrspsychologische Stellungnahme benötigt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - der Beschwerdeführer hat dazu eine Äußerung erstattet - erwogen:

2.1. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG) bzw. der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) von Bedeutung:

2.1.1. FSG:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

  1. 2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
  2. 3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

    ...

    Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird,

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

...

(6) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit, dem jeweiligen Stand der medizinischen und psychologischen Wissenschaft und der Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über:

1. die ärztliche Untersuchung und die Erstellung des ärztlichen Gutachtens (Abs. 1 und 2); ...

2. die verkehrspsychologische Untersuchung (Abs. 2) und die zu erfüllenden Mindesterfordernisse für den Nachweis der verkehrspsychologischen Eignung;

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

    ...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

  1. 1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
  2. 2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder

    3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.

    Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

    ...

    Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen.

    ...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

..."

2.1.2. FSG-GV:

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

1. ärztliches Gutachten: ein von einem Amtsarzt oder von einem gemäß § 34 FSG bestellten sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin gemäß der Anlage erstelltes Gutachten, das in begründeten Fällen auch fachärztliche Stellungnahmen, gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt gemäß § 9 FSG oder erforderlichenfalls auch eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu umfassen hat.

2. fachärztliche Stellungnahme: diese hat ein Krankheitsbild zu beschreiben und dessen Auswirkungen auf das Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen und ist von einem Facharzt des entsprechenden Sonderfaches abzugeben. In dieser ist gegebenenfalls auch die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitzubeurteilen.

3. verkehrspsychologische Untersuchung eines Bewerbers um eine Lenkberechtigung oder eines Führerscheinbesitzers: diese besteht aus

a) der Prüfung seiner kraftfahrspezifischen verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit und

b) der Untersuchung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung.

4. amtsärztliche Nachuntersuchung: Grundlage für ein von einem Amtsarzt erstelltes ärztliches Gutachten über die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen eines Besitzers einer Lenkberechtigung; sie umfasst sowohl das Aktenstudium als auch die Beurteilung allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen sowie gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt und hat sich auf die gesundheitlichen Mängel zu beschränken, auf Grund derer die Nachuntersuchung vorgeschrieben wurde, es sei denn, anlässlich der Nachuntersuchung treten andere Auffälligkeiten auf.

...

Allgemeines

§ 2. ...

(2) Die verkehrspsychologische Untersuchung hat, je nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, den Gesichtspunkt der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besonders zu berücksichtigen. Sie kann in den Fällen des § 17 Abs. 3 Z 1 und 2 auf Grund einer positiven Kurzuntersuchung (Screening) abgekürzt werden.

...

Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

(3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind.

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

  1. a) Alkoholabhängigkeit oder
  2. b) andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

    ...

(2) Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung zur Feststellung der Gesundheit gemäß Abs. 1 Z 1 ein krankhafter Zustand ergibt, der die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist gegebenenfalls eine fachärztliche Stellungnahme einzuholen; bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 ist eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme einzuholen, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitzubeurteilen hat. Bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z 4 lit. a und b ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme einzuholen.

...

Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

(2) Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, haben ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.

(3) Personen, die ohne abhängig zu sein, in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, darf eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.

...

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

...

Verkehrspsychologische Stellungnahme

§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht

  1. 1. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
  2. 2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken. Mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung dreimal entzogen wurde, oder wenn ein Lenker wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 bestraft wurde.

(2) Die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ist im Hinblick auf das Lebensalter jedenfalls zu verlangen, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm zu vermuten sind; hierbei ist auch die Gruppe der Lenkberechtigung zu berücksichtigen.

(3) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme ist jedenfalls von folgenden Personen zu erbringen:

  1. 1. Bewerbern um eine Lenkberechtigung für die Klasse D,
  2. 2. Bewerbern um eine vorgezogene Lenkberechtigung für die Klasse B, es sei denn, der oder die Erziehungsberechtigten bestätigen das Vorhandensein der nötigen geistigen Reife und sozialen Verantwortung des Bewerbers,
  3. 3. ...
  4. 4. Bewerbern um eine Lenkberechtigung, die fünfmal den theoretischen Teil der Fahrprüfung oder viermal den praktischen Teil der Fahrprüfung nicht bestanden haben und bei denen auf Grund einer ergänzenden amtsärztlichen Untersuchung Zweifel an deren kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit, insbesondere an der Intelligenz und am Erinnerungsvermögen bestehen.

    Verkehrspsychologische Untersuchung

§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muss durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.

(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgende Fähigkeiten zu überprüfen:

  1. 1. Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,
  2. 2. Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens,
  3. 3. Konzentrationsvermögen,
  4. 4. Sensomotorik und
  5. 5. Intelligenz und Erinnerungsvermögen.

(3) Für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Untersuchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen. Dieses darf nur von einem gemäß § 20 für Verkehrspsychologie qualifizierten Psychologen geführt werden oder, unter seiner Verantwortung und in seinem Beisein, von einem in Ausbildung zum Verkehrspsychologen befindlichen Psychologen.

(4) Bewerber um eine Lenkberechtigung, die gemäß § 17 Abs. 3 Z 1 und 2 eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu erbringen haben, sind einem verkehrspsychologischen Screening zu unterziehen, bei dem jedenfalls Beobachtungs- und Konzentrationsfähigkeit, Belastbarkeit und Koordination sowie in einem verkürzten Explorationsgespräch unter anderem die Motivation für den Erwerb der Lenkberechtigung zu untersuchen sind. Ergibt das Screening einen Verdacht auf Mängel in der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, ist die volle verkehrspsychologische Untersuchung durchzuführen.

..."

2.2. Der Beschwerdeführer macht (auf das Wesentliche zusammengefasst) geltend, ein Aufforderungsbescheid zur Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sei nur zulässig, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, es fehle (wegen unzureichender kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Der vom Beschwerdeführer vor neun Monaten beendete Cannabiskonsum begründe einen solchen Verdacht nicht. Es liege aber auch kein "verkehrspsychologisch auffallendes Verhalten" (etwa Verursachung von Verkehrsunfällen oder andere Verkehrsverstöße) vor.

2.3. Diese Ausführungen sind zielführend.

2.3.1. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 Z 3 FSG-GV besteht eine verkehrspsychologische Untersuchung aus der Prüfung der kraftfahrspezifischen verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit und der Untersuchung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Damit korreliert § 2 Abs. 2 FSG-GV, wonach die verkehrspsychologische Untersuchung (je nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit) den Gesichtspunkt der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besonders zu berücksichtigen hat.

Diese Zweiteilung wird auch deutlich in § 17 Abs. 1 FSG-GV, wonach eine verkehrspsychologische Stellungnahme insbesondere bei Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit (Z 1) oder auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung (Z 2) zu verlangen ist.

2.3.2. Was die Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Erbringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anlangt, ergibt sich folgendes Bild:

Schon § 3 Abs. 3 FSG-GV bestimmt, dass bei Verdacht des Vorliegens eines die Lenkeignung einschränkenden oder ausschließenden Zustands "gegebenenfalls" die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen ist.

Ähnlich § 5 Abs. 2 FSG-GV, wonach bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 4 lit. a und b, also bei Abhängigkeiten, zusätzlich (zur fachärztlichen Stellungnahme) eine verkehrspsychologische Stellungnahme einzuholen ist.

Hinsichtlich Alkohol, Sucht- und Arzneimittel trifft § 14 FSG-GV folgende Regelung:

Personen mit aktueller Abhängigkeit darf eine Lenkberechtigung grundsätzlich nicht belassen werden (Abs. 1 erster Satz); bei Verdacht einer Abhängigkeit ist eine fachärztliche Stellungnahme beizubringen (Abs. 1 zweiter-Satz). Bei in der Vergangenheit liegender Abhängigkeit (bzw. gehäuftem Missbrauch) ist für die (Wieder-)Erteilung einer Lenkberechtigung - neben Auflagen - eine befürwortende fachärztliche Stellungnahme erforderlich (Abs. 5).

Dem gegenüber fordern § 14 Abs. 2 und 3 FSG-GV - als Voraussetzung für den Auftrag zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme - einen Zusammenhang zwischen Alkohol- bzw. Suchtmittelmissbrauch und dem Lenken eines Kraftfahrzeugs.

Ausdrücklich bestimmt schließlich § 17 Abs. 1 FSG-GV, dass eine verkehrspsychologische Stellungnahme im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten zu verlangen ist.

§ 17 Abs. 2 FSG-GV wiederum verlangt - im Hinblick auf das Lebensalter - die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme dann, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau zu vermuten ist; geringes oder weit fortgeschrittenes Alter allein trägt einen derartigen Auftrag also noch nicht.

Durch die erwähnten Bestimmungen zieht sich also als roter Faden ein Konnex zwischen dem begründeten Verdacht eines Mangels der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit bzw. der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung und dem Auftrag zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme.

2.3.3. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 FSG sind, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 2009, Zl. 2009/11/0020).

2.3.4. Nichts deutet darauf hin, dass an die Voraussetzungen für die Aufforderung zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme geringere Anforderungen zu stellen wären:

Die - im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung zu prüfende (§ 1 Abs. 1 Z 3 FSG-GV) - kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit ist Teil der gesundheitlichen Eignung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2003/11/0302).

Aus § 3 Abs. 3 FSG-GV, wonach allfällige verkehrspsychologische Stellungnahmen bei der Gesamtbeurteilung der gesundheitlichen Eignung durch den Amtsarzt von diesem "zu berücksichtigen" sind, wird deutlich, dass einer verkehrspsychologischen Stellungnahme für die ärztliche Beurteilung nur Hilfsfunktion zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2007, Zl. 2004/11/0057).

Eine positive verkehrspsychologische Stellungnahme ist, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu Recht eine solche einholt, keine formelle Voraussetzung für die Annahme der gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 3 FSG bzw. § 3 Abs. 1 FSG-GV (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2002/11/0061).

Die verkehrspsychologische Untersuchung erfüllt also keinen Selbstzweck, sondern sie soll vielmehr gewährleisten, dass nur Personen mit ausreichender gesundheitlicher Eignung eine Lenkberechtigung erteilt bzw. belassen wird.

2.3.5. Ein Auftrag zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ist nach dem Gesagten daher nur zulässig, wenn - im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG - begründete Bedenken an der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder an der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung dargelegt werden. Der Hinweis der belangten Behörde auf das diesbezügliche "Verlangen" der Amtsärztin reicht dafür nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0009).

2.3.6. Aus dem Gesagten folgt, dass die belangte Behörde, die den Auftrag zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme allein mit dem entsprechenden Verlangen der Amtsärztin begründet hat, die Rechtslage verkannt hat.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. Juni 2009

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