VwGH 2009/11/0020

VwGH2009/11/002016.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des E P in W, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Dezember 2008, Zl. UVS-FSG/18/7900/2008-5, betreffend Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
AVG §64 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung des (erstinstanzlichen) Bescheides "einer amtsärztlichen Untersuchung im Verkehrsamt der

Bundespolizeidirektion Wien ... zu unterziehen".

Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Darlegung des Verfahrensganges - Folgendes aus:

"Die erstinstanzliche Behörde hat ihre Bedenken auf mehrfache Verurteilungen des (Beschwerdeführers) nach § 83 und § 84 StGB (insgesamt vier Mal) und auf Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz gestützt. Aus dem Akt geht auch hervor, dass der (Beschwerdeführer) einschlägig (insgesamt vier Mal) nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt wurde. Anlässlich seiner Einvernahme vom 22. 1. 2008 hat er neuerlich zugegeben, Drogen in Form von Haschisch vor wenigen Tagen konsumiert zu haben. Der vom (Beschwerdeführer) vorgelegte Bescheid vom 21.9.2005 liegt bereits mehr als drei Jahre zurück und liegt auch die amtsärztliche Untersuchung, sowie die verkehrspsychologische Untersuchung mehr als zwei Jahre zurück.

Wie der (Beschwerdeführer) völlig zutreffend in seiner schriftlichen Berufung vom 27.8.2008 ausführt, bedarf es konkreter Feststellungen über Konsumfrequenzen und Konsumzeiträume, damit von begründeten Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG gegen die gesundheitliche Lenkeignung gesprochen werden kann.

Zur Abklärung eben dieser Fragen aber bedarf es der bescheidmäßig angeordneten amtsärztlichen Untersuchung des (Beschwerdeführers), um eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit im Sinne der Verkehrssicherheit völlig ausschließen zu können.

Damit bestehen aber die Bedenken der Verkehrsbehörde bezüglich der gesundheitlichen Eignung des (Beschwerdeführers) zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu Recht, weshalb auch die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung notwendig ist und somit der angefochtene Bescheid zu bestätigen war."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand - in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der im Beschwerdefall maßgebende § 24 FSG lautet auszugsweise:

"Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen."

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2003/11/0302, mwN).

Die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, dass die belangte Behörde die maßgebende Rechtslage verkannt hat: Die nachvollziehbare Darlegung begründeter Bedenken schon im Aufforderungsbescheid ist Voraussetzung für dessen Rechtmäßigkeit. Zweck der amtsärztlichen Untersuchung ist es nicht etwa, erst abzuklären, ob begründete Bedenken überhaupt bestehen; vielmehr soll in Gutachten geklärt werden, ob die Bedenken zutreffen oder nicht, ob beim Betreffenden also die gesundheitliche Eignung weiterhin gegeben ist.

Im Übrigen hat die belangte Behörde auch Folgendes verkannt:

Die erstinstanzliche Behörde hatte für die von ihr als notwendig erachtete amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides bestimmt, ohne die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung auszuschließen. Ist in einem derartigen Fall die Berufungsbehörde der Auffassung, dass eine amtsärztliche Untersuchung (auch noch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung) notwendig ist, hat sie dafür eine eigene (neuerliche) Frist festzusetzen und darf sich nicht damit begnügen, den erstinstanzlichen Bescheid (und damit auch die in diesem vorgenommene Fristsetzung) zu bestätigen.

Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. April 2009

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