Normen
AVG §64 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §64 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.105,12 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut einem im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Bericht der Polizeiinspektion Friedburg-Lengau an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn habe der Beschwerdeführer am Abend des 21. Februar 2009 seine Freundin in deren Haus derart belästigt und beschimpft, dass diese aus Angst die Polizei verständigt habe. Den eingetroffenen Beamten gegenüber habe sie angegeben, er sei "ein Alkoholiker". Der nach einer Amputation beider Beine im Rollstuhl sitzende Beschwerdeführer habe die Beamten beschimpft und sei stark alkoholisiert gewesen. Weil die Freundin ihr eigenes, versperrbares Zimmer gehabt habe, habe sie dennoch eingewilligt, den Beschwerdeführer in ihrem Haus übernachten zu lassen. Dieser habe sich schließlich wieder beruhigt. Aufgrund seines Verhaltens während der Amtshandlung und der Aussage seiner Freundin, "dass er Alkoholiker sei", wurde "beantragt", die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 9. März 2009 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, sich "1. innerhalb von 1 Monat nach Zustellung dieses Bescheides vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land gemäß § 8 des Führerscheingesetzes - FSG untersuchen zu lassen und 2. - soweit aufgrund dieser Untersuchung noch bestimmte Befunde zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlich sind - diese innerhalb von 1 Monat nach der Untersuchung zu erbringen".
Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers, der mangels Aberkennung durch die Erstbehörde aufschiebende Wirkung zugekommen war, mit dem angefochtenen Bescheid ab. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der der Beschwerdeführer selbst nicht anwesend war, führte sie nach Einvernahme eines der damals einschreitenden Polizisten begründend aus, aufgrund der vom "Meldungsleger" nachvollziehbar beschriebenen starken Alkoholisierung und Aggressivität des Beschwerdeführers bestünden begründete Bedenken gegen dessen gesundheitliche Lenkeignung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die vom "Meldungsleger" erwähnten Weinflaschen und Bierdosen und der Umstand, dass die Freundin des Beschwerdeführers nicht nach Alkohol gerochen habe, ließen den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer an jenem Tag größere Mengen Alkohol zu sich genommen habe. Der "Meldungsleger" habe glaubwürdig ausgeführt, die Freundin des Beschwerdeführers habe ihm "gesprächsweise erzählt", dieser "trinke immer so viel, wenn er da sei". Damit sei ein glaubwürdiges Argument gegen die Darstellung des Beschwerdeführers gegeben, der den Vorfall als einmaliges Ereignis und absolute Ausnahme beschrieben habe. Dem von der Freundin gewählten Ausdruck "Alkoholiker" sei keine medizinische Bedeutung beizumessen, "landläufig" sei damit gemeint, "dass jemand gewohnheitsmäßig größere Mengen Alkohol" zu sich nehme. "Aggressives Verhalten im Straßenverkehr" sei "nicht förderlich und im Ergebnis völlig untragbar, weil jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges erwartungsgemäß in Situationen kommt, in denen er auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen und Geduld bewahren muss". Insgesamt lasse das Beweisverfahren "auch ohne persönliches Erscheinen" des Beschwerdeführers den Schluss zu, dass dieser "gewohnheitsmäßig größere Mengen Alkohol trinkt und in einer solchen Verfassung zu Aggressivität neigt, auch wenn der B(eschwerdeführer) beim in Rede stehenden Vorfall selbst kein Kraftfahrzeug gelenkt hat". Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides sei "zu wenig konkret formuliert", weshalb er zu beheben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich, erkennbar nur soweit damit Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz (FSG) ist bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG einzuholen (und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen). Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung ist (u.a.) dann, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Aufforderungsbescheid zur amtsärztlichen Untersuchung keine Folge leistet, die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2010, Zl. 2010/11/0126, sowie die dort zitierten Erkenntnisse vom 22. Juni 2010, Zl. 2010/11/0076, vom 16. April 2009, Zl. 2009/11/0020 und vom 17. Oktober 2006, Zl. 2003/11/0302, jeweils mwN) ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen.
Erlässt die Führerscheinbehörde erster Instanz einen Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG, in dem sie anordnet, der Betreffende habe sich der amtsärztlichen Untersuchung innerhalb einer bestimmten Frist - ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides - zu unterziehen, und ist auch die Berufungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung der Auffassung, dass die amtsärztliche Untersuchung notwendig ist, so hat die Berufungsbehörde, sofern der Berufung - wie im Beschwerdefall - aufschiebende Wirkung zukam, eine eigene (neuerliche) Frist festzusetzen und darf sich nicht damit begnügen, die im erstinstanzlichen Bescheid festgesetzte Frist zu bestätigen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 21. September 2010, Zl. 2010/11/0126, mwN).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde die im erstinstanzlichen Bescheid festgesetzte Frist nicht richtiggestellt hat.
2.2. Für das fortzusetzende Verfahren sei darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid auch aus folgenden Gründen rechtswidrig ist:
Die belangte Behörde vermeint, begründete Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG daraus ableiten zu können, dass der Beschwerdeführer während des Vorfalles vom 21. Februar 2009 stark alkoholisiert und aggressiv gewesen und von seiner Freundin als Alkoholiker bezeichnet worden sei, weil dies den Schluss zulasse, dass er "gewohnheitsmäßig größere Mengen Alkohol trinkt und in einer solchen Verfassung zu Aggressivität neigt".
Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Vermutung der belangten Behörde, die nicht durch Feststellungen über allfällige ähnliche Vorfälle oder gehäuften Alkoholkonsum, der auf eine Abhängigkeit hindeuten könnte, untermauert ist. Der bloße Umstand, dass ein Führerscheinbesitzer Alkohol (wenngleich in hohen Mengen) konsumiert hat, ohne dass gleichzeitig Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit gegeben sind und ohne dass der konkrete Alkoholkonsum in einem Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges gestanden ist, begründet noch keine Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG, die die Behörde ermächtigen, den Betreffenden zur amtsärztlichen Untersuchung aufzufordern (vgl. die zitierten Erkenntnisse Zlen. 2010/11/0126 und 2010/11/0076). Schließlich räumte die belangte Behörde selbst ein, dem von der Freundin gewählten Ausdruck "Alkoholiker" sei keine medizinische Bedeutung beizumessen und der Beschwerdeführer habe "beim in Rede stehenden Vorfall selbst kein Kraftfahrzeug gelenkt".
3. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Bestätigung des Spruchpunktes 1. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff. VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. Juni 2011
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