VwGH 2010/05/0030

VwGH2010/05/003028.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des H D in Wien, vertreten durch die Schneider Rechtsanwalts KG in 1080 Wien, Laudongasse 11/3, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 25. Juni 2009, Zl. MA 64-990/2009, betreffend Gebrauchserlaubnis (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit am 21. Oktober 2008 eingelangtem Schreiben beantragte der Beschwerdeführer unter Vorlage von Einreichplänen und Fotos eine Bewilligung für das Aufstellen eines transportablen Straßenstandes auf dem öffentlichen Gut in 1200 Wien, Maria-Restituta-Platz (U6- Station Handelskai).

Die Magistratsabteilung 19 (MA 19), Architektur und Stadtgestaltung, nahm zu dem Vorhaben mit Schreiben vom 2. Jänner 2009 wie folgt Stellung (Hervorhebungen im Original):

"Der Platzraum Maria Restituta Platz / U-Bahn Station Handelskai wurde im Zuge der Verlängerung der U-Bahnlinie U6 und der Errichtung der Millenium-City von verschiedenen Architekten im Auftrag der MA 19 geplant und mit großem Aufwand neu gestaltet. Ziel dieser Planungen war die Schaffung eines großzügigen Aufenthaltsraumes, der auf Grund der vorhandenen Infrastruktur von transportablen Verkaufsständen freigehalten werden soll. Außerdem ist die Platzfläche zur Nutzung eines temporären Marktes sowie für die Abhaltung von Veranstaltungen vorgesehen.

Für die Flächen rund um die Millenium-City (Maria-Restituta-Platz, Wehlistraße, Hellwagstraße) wurde daher im Zuge der Planungen festgelegt, dass keinerlei Verkaufsstände oder ähnliche dauerhafte Einrichtungen im gegenständlichen Bereich aufgestellt werden dürfen, damit es an einem so attraktiven Standort im Umfeld der Millenium-City nicht zu einer Verhüttelung und damit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes kommt. Aus diesen zuvor genannten Gründen wurden alle bisherigen Ansuchen zur Aufstellung von transportablen Örtlichkeiten seitens der MA 19 negativ beurteilt. Dem gegenständlichen Ansuchen kann daher seitens der MA 19 nicht zugestimmt werden."

Dazu nahm der Beschwerdeführer mit am 4. Februar 2009 eingelangtem Schreiben Stellung und führte aus, dass sich aus der Stellungnahme der MA 19 nur scheinbar ein Widerspruch zu seinem Projekt ergebe, weil diese sogar einräume, dass am verfahrensgegenständlichen Platz sehr wohl Märkte und Veranstaltungen stattfinden würden und das Argument, dass bisher keinerlei Bewilligungen erteilt worden wären, ins Leere ginge, "da es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, dass dies ewig so bleiben muss". Es gehe im Projekt des Beschwerdeführers darum, öffentlichen Raum mit Leben zu erfüllen; vor Jahrzehnten, anlässlich der Planung des verfahrensgegenständlichen Stationsbauwerkes möge die Architekturgesinnung jene eines "Versorgungs-, Genuss- und Treffpunktfunktion entbehrenden Raum(es)" gewesen sein. Es fehle am verfahrensgegenständlichen Platz an der Versorgungsinfrastruktur, ein Würstelstand müsse auch nicht per se als "architekturfeindlich" gesehen werden, gegebenenfalls sei der Beschwerdeführer bereit, das Erscheinungsbild seines Verkaufsstandes entsprechend anzupassen. Es sei geradezu ein Merkmal des Wiener Massenverkehrs, an Umsteigknoten "Kleingeschäftsfunktionen des täglichen Lebens unterzubringen um auch gastronomisch-kommerziell eine Belebung derartiger öffentlicher Räume zu erreichen". Gerade bei Märkten und Veranstaltungen sei ein Würstelstand "beinahe ein Muss".

In weiterer Folge erstatteten auch die Magistratsabteilung 28, ein Vertreter der Bezirksvorstehung sowie eine Vertreterin des örtlichen Polizeikommandos negative Stellungnahmen.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2009 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, gestützt auf die zuvor wiedergegebene Stellungnahme der MA 19 vom 2. Jänner 2009, abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, § 2 Abs. 2 des Gebrauchsabgabegesetz für Wien (GAG) sehe vor, dass dem Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde keine öffentlichen Interessen entgegenstehen dürften. Dies sei durch Gutachten von jeweils einschlägigen Sachverständigen festzustellen. Im vorliegenden Fall gehe aus der Stellungnahme der MA 19 hervor, dass die Aufstellung des verfahrensgegenständlichen Verkaufsstandes eine Beeinträchtigung des Stadtbildes darstellen würde. Dies sei gemäß § 2 Abs. 2 GAG ein Versagungsrund, weil in diesem Fall auch mit der Vorschreibung von Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht das Auslangen gefunden werden könne, um eine Schädigung des Stadtbildes hintan zu halten. Der Bereich sei vielmehr von jeglichen Verkaufsständen freizuhalten. Aus "den dargestellten Überlegungen" ergebe sich, dass die Einrichtung des verfahrensgegenständlichen Verkaufsstandes bereits dem öffentlichen Interesse an der Stadtbildpflege widerspreche, weshalb der Berufung keine Folge zu geben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 30. November 2009, B 1020/09-3 abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die verbesserte Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie einer Urkundenvorlage durch den Beschwerdeführer erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 für Wien in der Fassung LGBI. Nr. 42/2003 (GAG) lauten auszugsweise:

"§ 1 Gebrauchserlaubnis

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den zugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.

(2) Jeder in der Sondernutzung (Abs. 1) nicht angegebene Gebrauch, der über die bestimmungsgemäße Benützung der Verkehrsflächen nach den straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hinausgeht, bedarf der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin.

§ 2 Erteilung der Gebrauchserlaubnis

(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig …

(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist."

  1. 2. Die Beschwerde ist begründet.
  2. 3. Die belangte Behörde begründete die Versagung der vom Beschwerdeführer beantragten Gebrauchserlaubnis damit, dass der Aufstellung eines transportablen Verkaufsstandes auf dem im Ansuchen näher bezeichneten Standort Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstünden.

    Zu diesem in § 2 Abs. 2 GAG genannten Versagungsgrund hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass im Zuge des behördlichen Verfahrens festzustellen ist, ob einer beantragten Gebrauchserlaubnis Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstehen, und dass diese Feststellung Gegenstand des Beweises durch Sachverständige ist. Dem Sachverständigen obliegt es hierbei, auf Grund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Gestützt auf das Sachverständigengutachten hat sodann die Behörde begründet darzulegen, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet oder ob dies nicht der Fall ist. Äußerungen, die nur unüberprüfbare Behauptungen enthalten und nicht die Erwägungen aufzeigen, auf Grund derer der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt ist, können nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2012, Zl. 2010/05/0206, mwN).

    Ein Gutachten hat zuerst einen Befund zu enthalten, in dem die örtlichen Gegebenheiten dargestellt werden. Erst auf Grund dieses Befundes hat der Gutachter auf Grund seines Fachwissens ein Urteil abzugeben, inwieweit das beantragte Vorhaben eine Wirkung auf das Stadtbild entfaltet (vgl. erneut das Erkenntnis Zl. 2010/05/0206).

    Das Gutachten der MA 19 enthält zwar Ausführungen zu den örtlichen Gegebenheiten des verfahrensgegenständlichen Platzes in 1220 Wien. Es legt aber nicht nachvollziehbar dar, weshalb auf besagtem Platz keinerlei Verkaufsstände errichtet werden dürfen. Wie der Beschwerdeführer richtig einwendet, bleiben die architektonischen und rechtlichen Grundlagen für das Urteil des Amtssachverständigen unklar. Auch bleibt die Frage unbeantwortet, weshalb transportable Verkaufsstände nicht errichtet, gleichzeitig aber Märkte und Veranstaltungen abgehalten werden dürfen und inwieweit die Errichtung eines Verkaufsstandes für den Markt- und Veranstaltungsbetrieb nicht sogar vorteilhaft wäre. Ebenso bleibt ungeklärt, ob die vom Amtssachverständigen ins Treffen geführten damaligen Zielsetzungen bei der Planung und Errichtung des verfahrensgegenständlichen Raumes auch noch in derselben Weise aufrecht sind und daher aktuell der Errichtung von Verkaufsständen entgegenstehen. Wie der Beschwerdeführer weiters richtig eingewendet hat, ist die Ablehnung gleichartiger Anträge für den verfahrensgegenständlichen Raum kein entscheidungswesentliches Kriterium für ein Gutachten.

    Trotz dieser Unklarheiten und entsprechender konkreter Einwände des Beschwerdeführers wurde es verabsäumt, eine Ergänzung des Gutachtens durch die MA 19 zu veranlassen. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in diesem Zusammenhang einwendet, dem Gutachten der MA 19 sei nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten worden, verkennt sie, dass die Pflicht zur Widerlegung eines von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene nur dann besteht, wenn ein schlüssiges und widerspruchsfreies Gutachten vorliegt. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auf Umstände hingewiesen, die für eine Beurteilung der Verwaltungsrechtssache auf fachkundiger Ebene eine Ergänzung des Sachverhaltes und der sich daraus ergebenden fachkundigen Bewertung erfordern. Derartigen Hinweisen auf die Ergänzungsbedürftigkeit eines Gutachtens muss jedenfalls nachgegangen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2007/05/0059, mwN).

    4. Da die belangte Behörde eine Ergänzung der ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten gutachterlichen Stellungnahme nicht veranlasst hat, obwohl sich aus den Einwänden des Beschwerdeführers eindeutige Hinweise auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens ergeben hatten, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 28. Mai 2013

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