VwGH 2009/17/0148

VwGH2009/17/01483.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Dr. Zehetner und Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der H G in W, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 3. Juli 2008, Zl. ZRV/0085- Z1W/05, betreffend Abweisung des Aussetzungsantrages betreffend Altlastenbeitrag und Säumniszuschlag, den Beschluss gefasst:

Normen

ALSAG 1989 §9 Abs2;
BAO §212a Abs7;
BAO §212a;
BAO §217;
VwGG §33 Abs1;
ALSAG 1989 §9 Abs2;
BAO §212a Abs7;
BAO §212a;
BAO §217;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 13. April 2004 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin für das Lagern von 29.116,23 Tonnen Abfällen auf dem Betriebsgelände in S der Altlastenbeitrag in der Höhe von EUR 425.950,02 gemäß § 201 Bundesabgabenordnung (BAO) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z 3 Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) festgesetzt. Gleichzeitig wurde gemäß §§ 217 ff BAO ein Säumniszuschlag in der Höhe von EUR 8.519 bescheidmäßig festgesetzt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Gleichzeitig mit der Berufung stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die Einhebung des vorgeschriebenen Altlastenbeitrages und des vorgeschriebenen Säumniszuschlages gemäß § 212a BAO auszusetzen.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Zollamtes Wien vom 21. April 2005 mit der Begründung abgewiesen, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 9. Oktober 2003 die Abfalleigenschaft der streitverfangenen Materialien iSd AlSAG bejaht worden sei. Wenn auch dieser Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen sei, so sei es der Abgabenbehörde erster Instanz nicht verwehrt, bei der eigenständigen Beurteilung der Vorfrage, ob die gelagerten Materialien im Sinne des AlSAG beitragspflichtig seien, die durch die Bezirkshauptmannschaft getroffenen Feststellungen in die Begründung des nunmehr bekämpften Abgabenbescheides einfließen zu lassen. Die Berechtigung zur eigenständigen Beurteilung der Abfalleigenschaft im Sinne des AlSAG ergebe sich aus der Bestimmung des § 116 BAO.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit der Begründung, dass die Abgabenbehörde erster Instanz dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung hätte stattgeben müssen, wenn sie den Inhalt der Berufung gegen die Abgabenvorschreibung im Rahmen des gebotenen Ermittlungsverfahrens überprüft hätte. In dieser Berufung sei unter anderem aufgezeigt worden, dass dem Abgabenbescheid die rechtskräftige Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft fehle und dieser schon daher mit Rechtswidrigkeit behaftet sei. Aufgrund des Antrages des Hauptzollamtes Wien auf Feststellung der Abfalleigenschaft sei nämlich gemäß § 10 AlSAG die alleinige Zuständigkeit für diese Feststellung auf die Bezirkshauptmannschaft übergegangen. Die Beurteilung der Abfalleigenschaft gemäß § 116 BAO sei der Abgabenbehörde daher verwehrt gewesen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. Mai 2005 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 7 Abs. 2 AlSAG ein Antrag auf einen Feststellungsbescheid gemäß § 10 AlSAG keine aufschiebende Wirkung für das Entstehen einer Beitragsschuld nach sich ziehe. Folglich könne auch ein Rechtsmittel gegen einen Feststellungsbescheid gemäß § 10 AlSAG der bereits entstandenen Beitragsschuld nicht die rechtliche Grundlage entziehen. Erst wenn in einem rechtskräftig abgeschlossenen Feststellungsverfahren die Abfalleigenschaft verneint worden sei, wäre dieser Umstand in der Entscheidung über die Berufung gegen den Abgabenbescheid entsprechend zu würdigen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin - unter sinngemäßer Wiederholung der Darstellungen des Berufungsbegehrens im Aussetzungsverfahren - Administrativbeschwerde an die belangte Behörde und führte in Replik zu den Ausführungen der Berufungsvorentscheidung aus, dass das Hauptzollamt Wien nur dann einen Antrag auf Feststellung der Abfalleigenschaft an die Bezirkshauptmannschaft stellen habe können, wenn begründete Zweifel an dieser Eigenschaft vorlagen. Daraus würde folgen, dass diese Zweifel ex lege bestünden, solange der Abgabenbehörde kein rechtskräftiger Feststellungsbescheid vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde ab.

Begründend führte sie aus, dass eine Aussetzung gemäß § 212a Abs. 2 lit. a BAO nicht zu bewilligen, soweit eine Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine. Im Rahmen des Aussetzungsverfahrens sei daher eine überschlagsmäßige Beurteilung der Erfolgschancen der Berufung im Abgabenverfahren geboten. Die in der Berufung gegen den Abgabenbescheid ins Treffen geführten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hätten das AlSAG nicht unanwendbar gemacht. Eine stoffliche Verwertung der gelagerten Materialien, die die Befreiungsbestimmung des § 2 Abs. 5 AlSAG zur Anwendung brächte, liege nicht vor. Schließlich ließen weder die Einwendungen der Berufung gegen das Feststellungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft noch gegen das Abgabenverfahren des Hauptzollamts Wien die Berufung gegen die Festsetzung des Altlastenbeitrages als ausreichend erfolgversprechend erscheinen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 15. Juni 2009, B 1459/08-8, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde machte die Beschwerdeführerin insbesondere die Verletzung ihres subjektiven Rechts gemäß § 212a BAO "auf Aussetzung der Einhebung des Altlastenbeitrages … und des Säumniszuschlages, vorgeschrieben gemäß Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 13.04.2004" geltend und focht den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an.

Wie sich aus dem Beschwerdeschriftsatz ergibt, wies das Zollamt Wien mit Berufungsvorentscheidung vom 9. September 2008 zwischenzeitig die Berufung gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 13. April 2004 betreffend Festsetzung des Altlastenbeitrags als unbegründet ab.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin (Administrativ)Beschwerde vor der belangten Behörde erhoben, die mit Bescheid vom 29. Jänner 2009 die Entscheidung darüber gemäß § 85c Abs. 8 ZollR-DG iVm § 281 BAO unter Hinweis darauf aussetzte, dass nach einer abweisenden Berufungsentscheidung des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 8. April 2008 hinsichtlich des Bescheides gemäß § 10 AlSAG dazu (zunächst) ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig war.

Das Verfahren nach § 10 AlSAG ist nach Ergehen des hg. Erkenntnisses vom 24. Jänner 2013, Zl. 2009/07/0112, inzwischen abgeschlossen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des abgabepflichtigen rechnungstragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht gemäß § 212a Abs. 5 BAO in einem Zahlungsaufschub, welcher mit einer u. a. anlässlich einer Berufungsvorentscheidung über die Berufung in der Hauptsache zu ergehenden Verfügung des Ablaufs der Aussetzung endet. Die Verfügung des Ablaufs der Aussetzung anlässlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages (im Anwendungsbereich der §§ 85a ff ZollR-DG einer Beschwerde) nicht aus.

Soweit einem vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinne des § 212 Abs. 2 zweiter Satz BAO eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 212a Abs. 7 BAO für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides zu.

Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind gemäß § 212a Abs. 4 BAO auf Berufungen gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Berufungen betreffende Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen nach näherer Anordnung des § 230 Abs. 6 BAO Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

Während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist dürfen gemäß § 230 Abs. 2 BAO Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon betroffenen Abgaben nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.

Nach § 212a Abs. 7 BAO wird die Frist zur Entrichtung der vom Aussetzungsantrag erfassten strittigen Abgaben um einen Monat ab der Bekanntgabe der Abweisung des Aussetzungsantrages erstreckt (§ 212a Abs. 7 zweiter Satz). In diesem Fall besteht ab Stellen des Aussetzungsantrages bis zum Ablauf dieser Monatsfrist keine Säumnis. Davon unberührt bleibt eine allenfalls bereits vor Stellen des Aussetzungsantrages schon eingetretene und durch den nachfolgenden Aussetzungsantrag nicht wieder aufgehobene Säumnis (vgl. bereits den hg. Beschluss vom 27. September 2012, Zl. 2010/16/0196).

Für den Beschwerdefall ergibt sich daraus Folgendes:

Die von der Beschwerdeführerin angestrebte Bewilligung der Aussetzung der Vollziehung hätte, weil im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides gleichzeitig der Ablauf der Aussetzung wegen der zwischenzeitig in der Hauptsache ergangenen Berufungsvorentscheidung vom 9. September 2008 zu verfügen gewesen wäre, der Beschwerdeführerin somit keine andere Rechtsposition verliehen als sie durch den angefochtenen Bescheid hat.

Im Übrigen war es der Beschwerdeführerin nach der ausdrücklichen Anordnung des § 212a Abs. 5 BAO iVm § 85c Abs. 8 ZollR-DG möglich, im Zusammenhang mit einer Einbringung einer (Administrativ-)Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung vom 9. September 2008 in der Hauptsache einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Ob sie diese Möglichkeit ausgeschöpft hat oder unterlassen hat, steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der durch den angefochtenen Bescheid geschaffenen Rechtsposition der Beschwerdeführerin.

Auch für die Festsetzung des beschwerdegegenständlichen Säumniszuschlages hat die Verweigerung der Aussetzung nach § 212a BAO keine Auswirkung. Die Vorschreibung des Säumniszuschlages ist eine objektive, vom Verschulden unabhängige Säumnisfolge bei Nichtentrichtung der Abgabe am Fälligkeitstag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1999, Zl. 98/17/0165). Da der Altlastenbeitrag nicht am Fälligkeitstag - nach § 9 Abs. 2 AlSAG bis zum 15. des auf das Kalendervierteljahr (Anmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates - entrichtet wurde, war auch die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages - ungeachtet einer allfälligen Aussetzung nach § 212a BAO - bereits entstanden.

Somit konnte die Beschwerdeführerin nach Erlassung der Berufungsvorentscheidung vom 9. September 2008 durch den angefochtenen Bescheid in ihrem geltend gemachten Recht auf Aussetzung der Einhebung des vorgeschriebenen Altlastenbeitrages und Säumniszuschlages nicht mehr verletzt werden.

Die Beschwerde war daher wegen Wegfalls der Beschwer in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt im vorliegenden Fall die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch an die beschwerdeführende Partei gemäß § 56 VwGG nicht vor. Ein Zuspruch von Kosten nach § 58 Abs. 2 VwGG setzt voraus, dass bereits ohne unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wäre der Fall der Gegenstandslosigkeit nicht eingetreten - eindeutig ist, also entweder der angefochtene Bescheid offenkundig als rechtswidrig zu erkennen, oder die Beschwerde offenkundig unbegründet ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom 9. September 1997, Zl. 96/09/0324, vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0094, vom 21. Jänner 1998, Zl. 96/09/0001, vom 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0337, und vom 3. September 1998, Zl. 98/09/0049). Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von den Parteien erstatteten Vorbringen sind von vornherein ohne nähere Prüfung nicht als zutreffend oder unzutreffend zu qualifizieren. Da die Klärung der Frage, wer als obsiegende Partei anzusehen wäre, im vorliegenden Fall demnach mit einem derartigen unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, wird im Sinne der Übung der freien Überzeugung nach § 58 Abs. 2 VwGG kein Kostenersatz (womit erkennbar Aufwandersatz gemeint ist) zuerkannt.

Wien, am 3. September 2013

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