VwGH 2012/18/0169

VwGH2012/18/016912.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SN in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. März 2010, Zl. SD 883/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde zunächst die früheren Aufenthalte des Beschwerdeführers in Österreich dar.

Am 22. November 1989 - so die belangte Behörde anschließend - sei der Beschwerdeführer erstmals wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Urkundenunterdrückung rechtskräftig verurteilt worden. Im Dezember 1990 sei er wegen des Verdachts der Begehung einer weiteren strafbaren Handlung zur Anzeige gebracht worden. Danach sei er unbekannten Aufenthalts gewesen, weshalb das gegen ihn wegen Verdacht nach § 208 und § 218 StGB eingeleitete Strafverfahren vorläufig abgebrochen worden sei.

Ab Oktober 1991 sei der Beschwerdeführer wieder in Wien aufhältig gewesen. Am 18. März 1992 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen schwerer Körperverletzung rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Sein Antrag auf Erteilung eines gewöhnlichen Sichtvermerkes sei im Mai 1992 abgewiesen worden. Dennoch sei der Beschwerdeführer damals im Bundesgebiet geblieben. In weiterer Folge sei gegen ihn im Oktober 1992 ein bis 30. Dezember 1997 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen worden. In Durchsetzung desselben sei er am 23. Oktober 1992 in sein Heimatland abgeschoben worden.

Im September 2003 habe der Beschwerdeführer - nach den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid sei er im Jahr 2003 wieder in Österreich eingereist und habe im Juli 2003 in Wien einen Hauptwohnsitz begründet - einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, den er darauf gestützt habe, dass sein Vater mittlerweile österreichischer Staatsbürger sei. Es sei ihm im Oktober 2003 ein bis 23. Oktober 2004 gültiger Aufenthaltstitel erteilt worden.

Im Rahmen des Verfahrens zur Verlängerung dieses Aufenthaltstitels habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2004 wegen des versuchten Einbruchsdiebstahles und Widerstandes gegen die Staatsgewalt rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden sei. Im Anschluss stellt die belangte Behörde die Tathandlungen des Beschwerdeführers dar.

Am 16. Juni 2005 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Fünfhaus rechtskräftig wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlung nach § 218 Abs. 1 Z 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Weiters sei er am 30. März 2007 wegen gefährlicher Drohung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Auch zu diesen Verurteilungen wird von der belangten Behörde das vom Beschwerdeführer begangene strafbare Verhalten näher dargestellt.

In ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, es könne kein Zweifel daran bestehen, dass auf Grund der Straftaten des Beschwerdeführers die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorlägen. Zum einen sei auf Grund der Verurteilungen der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, zum anderen gefährde er infolge seines Gesamtfehlverhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße. Es erweise sich sohin auch die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt.

Im Rahmen der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde, dass sich der Beschwerdeführer seit 2003 wieder im Bundesgebiet aufhalte und zuletzt über einen Aufenthaltstitel verfügt habe. Weiters sei auf seine Eltern, mit denen er im gemeinsamen Haushalt lebe, Bedacht zu nehmen. Sein Vater besitze die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer sei zwar verheiratet. Über den Verbleib seiner Ehefrau sei aber nichts bekannt. Die aus dieser Ehe stammenden beiden Töchter seien ausgewiesen worden. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Schulabschluss. Während seines Aufenthaltes in Österreich sei er mit Unterbrechungen einer Beschäftigung nachgegangen. In der Zeit von März 2007 bis März 2008 habe er Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen. Seit 1. Jänner 2010 beziehe er wieder Arbeitslosengeld.

Im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und vor dem Hintergrund seiner familiären und seiner - allerdings nicht "besonders ausgeprägten" - beruflichen Situation sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Es sei aber die Zulässigkeit der gegenständlichen Maßnahme zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe mit seinen Straftaten dokumentiert, dass er nicht in der Lage bzw. gewillt sei, die in Österreich zum Schutz maßgeblicher Rechtsgüter geltenden Normen einzuhalten. Schon früher habe wegen der Begehung strafbarer Handlungen gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen werden müssen. Aber selbst frühere Verurteilungen und das bereits zuvor ergangene Aufenthaltsverbot hätten ihn nicht davon abhalten können, wieder Straftaten zu begehen. Das den Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers liege keineswegs so lange zurück, dass von einem Wegfall oder einer entscheidenden Minderung der von ihm herrührenden Gefahr hätte ausgegangen werden können. Im vorliegenden Fall sei daher das als hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zum Schutz der körperlichen Integrität anderer und des Eigentums Dritter höher zu bewerten als die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Die mit der Aufenthaltsbeendigung einhergehenden Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen seien in Kauf zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass es sich bei der ersten im Strafregister aufscheinenden Verurteilung um jene handle, die mit 11. Oktober 2004 datiert sei. Die davor liegenden Verurteilungen seien bereits getilgt und hätten daher zur Begründung des Aufenthaltsverbotes nicht herangezogen werden dürfen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde zur Begründung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr ohnedies in erster Linie auf jene strafbaren Handlungen abgestellt hat, die er nach seiner im Jahr 2003 erfolgten neuerlichen Einreise begangen hat. Dass die belangte Behörde bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers auch auf sein früher in Österreich gezeigtes Verhalten hingewiesen und darauf im Rahmen dieser Beurteilung - wenn auch nicht tragend - Bedacht genommen hat, erweist sich vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht zu beanstanden (vgl. zur Zulässigkeit, auch das einer bereits getilgten Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten zur Begründung einer Gefährdung heranziehen zu dürfen, etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2012, Zl. 2011/23/0291, mwN).

Wenn der Beschwerdeführer bloß unsubstantiiert vorbringt, die den noch nicht getilgten Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten würden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen, ist ihm das von der belangten Behörde festgestellte Fehlverhalten entgegenzuhalten, anhand dessen sich insbesondere zeigt, dass der Beschwerdeführer bereit ist, zur Durchsetzung seiner Interessen gewalttätiges Verhalten an den Tag zu legen. Darüber hinaus hat er sich auch - mit im angefochtenen Bescheid näher beschriebenem Verhalten - der sexuellen Belästigung zweier Frauen und öffentlicher geschlechtlicher Handlung schuldig gemacht.

Wenn die belangte Behörde angesichts der vom Beschwerdeführer gesetzten Taten und seiner immer wiederkehrenden Straffälligkeit zum Ergebnis gelangte, von ihm gehe eine maßgebliche Gefahr aus, die die Erlassung des Aufenthaltsverbotes rechtfertige, kann dies sohin nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung verweist der Beschwerdeführer auf seine Berufstätigkeit und darauf, dass er "sozial vollkommen integriert" sei. Von einer maßgeblichen beruflichen Integration, die die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unzulässig erscheinen lassen würde, kann aber hier keine Rede sein. Die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich hat die belangte Behörde ausreichend berücksichtigt. Auch die sonst zu Gunsten des Beschwerdeführers in den Blick zu nehmenden Umstände führen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht dazu, dass der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung, den öffentlichen Interessen sei gegenüber den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers Vorrang einzuräumen, ein Fehler unterlaufen wäre.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 12. Dezember 2012

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