Normen
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Der Beschwerdeführer, der nach Ausweis der Verwaltungsakten vom 1. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 seinen ordentlichen Zivildienst bei einem Rechtsträger in G geleistet hatte, stellte mit Schreiben vom 19. Juli 2010 an die Zivildienstserviceagentur den Antrag auf Feststellung der Angemessenheit des ihm vom Rechtsträger ausbezahlten Verpflegungsgeldes.
Über diesen Antrag erging seitens der Zivildienstserviceagentur der Bescheid vom 2. August 2010 mit folgendem Spruch:
"Der Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Angemessenheit des vom Rechtsträger gemäß § 28 Abs. 1 ZDG ausbezahlten Verpflegungsgeldes wird mangels rechtlichem Interesse zurückgewiesen."
Begründend führte die Erstbehörde aus, gemäß § 28 Abs. 1 ZDG habe der Rechtsträger der Einrichtung dafür Sorge zu tragen, dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden. Das Ausmaß der angemessenen Verpflegung sei hinreichend geregelt durch die Verordnung BGBl. II Nr. 43/2006. Gemäß § 1 der Verordnung bestehe eine angemessene Verpflegung von Zivildienstleistenden aus Frühstück, einer warmen Hauptmahlzeit und einer weiteren Mahlzeit. Gemäß § 2 der Verordnung komme der Rechtsträger seiner Verpflichtung zur angemessenen Verpflegung gemäß § 28 Abs. 1 ZDG nach, indem er täglich Frühstück, eine warme Hauptmahlzeit und eine weitere Mahlzeit (Naturalverpflegung) zur Verfügung stelle. Soweit dem Rechtsträger die Naturalverpflegung nicht möglich sei, habe er gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung dem Zivildienstleistenden einen Betrag von EUR 16,-- abzugelten, wobei § 4 Abs. 2 dem Rechtsträger unter den dort genannten Voraussetzungen einen Abzug von diesem Betrag von bis zu 35 % ermögliche.
Mit Feststellungsbescheiden werde das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts festgestellt. Nur Rechte oder Rechtsverhältnisse und nicht auch Tatsachen könnten Gegenstand eines Feststellungsbescheids sein. Die Erlassung eines Feststellungsbescheids sei nur dann zulässig, wenn die Erlassung eines solchen im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei, die bescheidmäßige Feststellung im öffentlichen Interesse liege oder der Feststellungsbescheid für die ihn beantragende Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung sei, mit dem sie eine zukünftige Rechtsgefährdung abzuwenden vermöge. Im letzteren Fall müsse es sich somit um ein rechtliches Interesse handeln, ein wirtschaftliches Feststellungsinteresse genüge nicht.
Da im Beschwerdefall "das Rechtsverhältnis an sich unstrittig und die angemessene Verpflegung durch die Verpflegungsverordnung hinreichend geregelt ist", sei für einen Feststellungsbescheid kein Platz.
2. Über die dagegen gerichtete Berufung, in der der Beschwerdeführer beantragte, den Erstbescheid "ersatzlos" zu beheben und der Zivildienstserviceagentur als erstinstanzlicher Behörde die neuerliche - inhaltliche - Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen, entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid.
Dessen Spruch lautet: "Ihrem Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Angemessenheit des Verpflegungsgeldes wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 idgF, stattgegeben und festgestellt, dass sie während der Leistung ihres ordentlichen Zivildienstes gemäß § 28 Abs. 1 Zivildienstgesetz 1986 (ZDG) BGBl. Nr. 679 idgF, angemessen verpflegt worden sind."
In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang und im Berufungsverfahren eingeholte Stellungnahmen wieder, traf Feststellungen zu Art und Ausmaß der vom Rechtsträger angebotenen Verpflegung (die Einrichtung habe gemäß § 28 Abs. 1 ZDG eine angemessene Verpflegung zur Verfügung gestellt) und führte schließlich Folgendes aus: Die Berufungsbehörde könne dann, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft sei, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Berufungsverhandlung unvermeidlich erscheine, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Erstbehörde zurückverweisen (§ 66 Abs. 2 AVG). Ein solcher Fall liege hier nicht vor.
Von der in § 66 Abs. 2 AVG vorgesehenen Behebung des Bescheides sei jene zu unterscheiden, bei der ein Bescheid der Unterinstanz ersatzlos beseitigt werde, weil er nicht zu ergehen hatte. Eine solche Behebung habe zu erfolgen, wenn die untergeordnete Behörde unzuständig gewesen sei. Auch dies liege nicht vor.
Die im Berufungsantrag gewünschte ersatzlose Behebung und neuerliche inhaltliche Entscheidung sei schon auf Grund der Denkgesetze unmöglich. Die beantragte ersatzlose Behebung sei auch mit dem verfahrenseinleitenden Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Angemessenheit der Verpflegung nicht vereinbar. Wegen des "offensichtlichen Irrtums" der Partei hinsichtlich einer der beiden - unvereinbaren - Anträge sei die belangte Behörde von dem im Interesse der Partei gelegenen Feststellungsantrag ausgegangen.
3. Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde sei zur inhaltlichen Entscheidung über den Feststellungsantrag, den die Erstbehörde auf Grund ihrer unzutreffenden Auffassung, es liege kein Feststellungsinteresse vor, zurückgewiesen habe, nicht zuständig gewesen.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist Sache des Berufungsverfahrens der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, also jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Hat die Unterbehörde selbst über eine formalrechtliche bzw. verfahrensrechtliche Frage entschieden, darf die Rechtsmittelinstanz keine Sachentscheidung treffen, weil damit die Sache des Berufungsverfahrens überschritten und der Partei in der Sachfrage eine Instanz genommen würde (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 unter Rz 59 ff zitierte hg. Judikatur).
Die Erstbehörde hat den Antrag des Beschwerdeführers explizit "mangels rechtlichem Interesse zurückgewiesen", so der Spruch des Erstbescheides, der sich insoweit mit der Begründung (ein rechtliches Interesse liege nicht vor, für einen Feststellungsbescheid sei kein Platz) deckt.
Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Auffassung besteht damit keine Grundlage für eine "Umdeutung" des Spruchs des Erstbescheids.
Daher hat die belangte Behörde durch Erlassung des angefochtenen Bescheids, mit dem sie inhaltlich über den Antrag des Beschwerdeführers entschieden hat, ihre (funktionelle) Zuständigkeit überschritten und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.
Im Übrigen ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass bei verständiger Würdigung des Inhalts des Berufungsantrags des Beschwerdeführers dieser - mit Blick auf den Inhalt der damit angefochtenen Entscheidung - nur so verstanden werden konnte, dass die Behebung des Erstbescheides (unter Bejahung und ohne neuerliche Relevierung der Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids, insofern also "ersatzlos") sowie die inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst begehrt wurde.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. März 2012
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