VwGH 2012/06/0141

VwGH2012/06/014119.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Pfeifergasse 3/1. Stock, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14. Mai 2012, Zl. 20704-07/403/47-2012, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens iA Enteignung nach dem Salzburger Landestraßengesetz 1972 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Salzburg, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Georg-Wagner-Gasse 5), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1;
AVG §8;
LStG Slbg 1972;
VwGG §34 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1;
AVG §8;
LStG Slbg 1972;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Verfahrensgegenständlich sind Anträge des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2009 abgeschlossenen Enteignungsverfahrens.

Die belangte Behörde sprach im Spruchpunkt I. dieses Bescheides für den Neu- und Umbau der S.-Straße in einem näher bezeichneten Abschnitt durch die Stadtgemeinde Salzburg zu deren Gunsten die dauernde Inanspruchnahme des Grundstückes Nr. 366/9 der V. Gen.m.b.H. im Ausmaß von 420 m2 aus.

In Spruchpunkt II. ordnete sie an, dass das auf dem Grundstück Nr. 366/9, EZ 1480, GB I, befindliche Superädifikat samt aller Bestandteile (Verkaufskiosk samt Zubehör des Beschwerdeführers) in das lastenfreie Eigentum der Stadtgemeinde Salzburg dauernd übertragen werde.

Im Spruchpunkt IV. wurde als Entschädigung für die Einlösung des Superädifikates entsprechend dem eingeholten Gutachten dem Beschwerdeführer ein Ablösebetrag in Höhe von EUR 4.752,-- zugesprochen.

In V.2. wurde angeordnet, dass mit Rechtskraft des Bescheides und Zahlung der jeweils festgesetzten Entschädigungsbeträge hinsichtlich der in Spruchpunkt I. angeführten Fläche und des in Spruchpunkt II. angeführten Superädifikats der Eigentumserwerb durch die Stadtgemeinde Salzburg stattfinde und diesbezüglich alle Rechte Dritter erlöschen würden.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. April 2010, Zl. 2009/06/0227, - soweit sie sich auf die Spruchpunkte I., IV. und V.2. (bezogen auf Spruchpunkt I.) bezog - zurückgewiesen, soweit sie die Spruchpunkte II. und V.2. (bezogen auf Spruchpunkt II.) betraf, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2011, Zl. 2010/06/0236, wurde die Beschwerde der V. Gen.m.b.H. gegen diesen Bescheid im Hinblick auf dessen Spruchpunkte III. und V.3. zurückgewiesen, die Spruchpunkte I. und V.2. und 4. des angefochtenen Bescheides wurden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 2. September 2009 abgeschlossenen Enteignungsverfahrens gemäß § 69 AVG iVm §§ 12 bis 15 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 abgewiesen.

In der Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer habe seinen zunächst am 24. Mai 2011 eingebrachten Wiederaufnahmeantrag damit begründet, dass die Enteignungsanträge nicht rechtswirksam gestellt worden seien, weil diese gemäß Salzburger Gemeindeordnung eines schriftlichen Beschlusses der Gemeindevertretung bedurft hätten. Dieser Umstand sei erst acht Tage vor Überreichung des Wiederaufnahmeantrages hervorgekommen. Dieses Vorbringen sei mit einem weiteren Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 präzisiert worden.

Seinen zweiten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Schriftsatz vom 7. November 2011 habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit begründet, dass der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde der V. GmbH Folge gegeben habe. Die Enteignung des Superädifikates setze die Enteignung der Liegenschaft aber denknotwendig voraus. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG sei einem Antrag auf Wiederaufnahme stattzugeben, wenn der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig und über diese von der zuständigen Behörde als Hauptfrage in wesentlichen Punkten anders entschieden worden sei. Da der Verwaltungsgerichtshof in dem aufhebenden Erkenntnis die Vorfrage der Enteignung des Grundstückes der Beschwerdeführerin aufgehoben, somit anders entschieden habe, sei auch der Enteignung des Superädifikates auf Grund des denknotwendigen Zusammenhanges die Grundlage entzogen worden.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Wiederaufnahmeantrag sei, soweit er sich auf das Verfahren gegen die V. GmbH beziehe, schon deshalb abzuweisen, weil eine Parteistellung des Beschwerdeführers hiebei nicht bestehe. Aber auch aus den weiteren, vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründen, sei eine Wiederaufnahme nicht zu bewilligen:

Soweit sich der Antrag auf die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Enteignung des Superädifikats beziehe, sei er abzuweisen, weil in den Fällen der sukzessiven Zuständigkeit - hier gemäß § 15 Abs. 1 lit. c LStG - der Wiederaufnahme eines Verfahrens die Möglichkeit, den Bescheid bei einem ordentlichen Gericht zu bekämpfen, entgegenstehe. Sei der Bescheid, wie der Beschwerdeführer selbst vorbringe, durch Klage beim ordentlichen Gericht bekämpft worden, sei eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens nicht mehr zulässig, weil der Bescheid mit dem Einbringen einer zulässigen Klage im Umfang des Klagebegehrens bereits außer Kraft getreten sei und die Partei das Recht habe, entscheidungsrelevante Umstände erneut geltend zu machen.

Was die behauptete Ungültigkeit der Enteignungsanträge vom 5. Februar 2007 und 8. November 2007 betreffe, kämen zum einen mangels Anwendbarkeit der Salzburger Gemeindeordnung die darin vorgesehenen Formvorschriften nicht zur Anwendung, zum anderen sei der Wiederaufnahmeantrag vom 24. Mai 2011 samt Ergänzung vom 25. Oktober 2011 wegen Versäumung der Frist von zwei Wochen nach § 69 Abs. 2 AVG abzuweisen. Die Enteignungsanträge seien dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer nachweislich bereits im Jahr 2007 zur Kenntnis gebracht worden. Auch dem Vorbringen der Unzuständigkeit der beteiligten Beamten sei nicht zu folgen: Aus der auch dem Beschwerdeführer übermittelten Legitimationskette und den angeführten Bestimmungen des Salzburger Stadtrechts und der Geschäftsordnung des Magistrats (MGO) ergebe sich, dass sowohl der Abteilungsvorstand Dipl. Ing. H. als auch der Sachbearbeiter Ing. B. zur Antragstellung und Dr. A. für die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur Vertretung der Stadtgemeinde Salzburg berechtigt gewesen seien. Dass die Stellung von Enteignungsanträgen gemäß § 8 Abs. 2 und 3 MGO ausdrücklich ausgenommen sei oder der Bürgermeister die Stadt nicht nach außen vertrete, behaupte auch der Beschwerdeführer nicht.

Zum Wiederaufnahmeantrag vom 7. November 2011 sei auszuführen, dass eine Vorfragenbeurteilung iSd § 38 AVG nicht erkennbar sei. Die nunmehr mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes erfolgte Aufhebung eines abtrennbaren Teiles des Bescheides vom 2. September 2009, betreffend das Grundstück der V. Gen.m.b.H., sei in einem Verfahren erfolgt, in dem der Beschwerdeführer keine Parteistellung habe. Über die Enteignung dieses Grundstückes wie auch des Superädifikats habe die belangte Behörde entschieden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten (Z. 2), oder der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde (Z. 3).

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf (erkennbar:) Wiederaufnahme des Enteignungsverfahrens, sofern sich dieses auf die Spruchpunkte II., IV., V.2. und V.3. des Bescheides vom 2. September 2009 bezieht, verletzt.

Soweit der Beschwerdeführer damit Spruchpunkte des Enteignungsbescheides bezeichnet, hinsichtlich der seine Beschwerde mit dem eingangs angeführten Erkenntnis vom 15. April 2010, Zl. 2009/06/0227, mangels Beschwerdelegitimation zurückgewiesen wurde (Spruchpunkte IV. und damit im Zusammenhang stehend V.3. sowie V.2. bezogen auf Spruchpunkt I.), ist er mangels Parteistellung im zu Grunde liegenden Verfahren nicht berechtigt, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen (siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 49).

Es bleibt daher zu prüfen, ob die belangte Behörde mit ihrer Ansicht, es lägen keine Wiederaufnahmegründe in Bezug auf Spruchpunkt II. und V.2. (bezogen auf Spruchpunkt II.) des in Rede stehenden Bescheides vor, hinsichtlich der die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen worden war, im Recht ist.

Festzuhalten ist zunächst, dass mit der Anrufung des Bezirksgerichtes Salzburg durch den Beschwerdeführer der Enteignungsbescheid nur hinsichtlich der Höhe der Enteignungsentschädigung, nicht jedoch hinsichtlich der Enteignung an sich außer Kraft getreten ist.

Soweit der Beschwerdeführer die Ungültigkeit der Enteignungsanträge geltend macht, weil diese von unzuständigen Beamten unterfertigt worden seien, kann sich dieses Vorbringen nur auf den verfahrenseinleitenden Antrag auf Enteignung des Superädifikats beziehen, weil dem Beschwerdeführer - wie bereits dargelegt - nur in diesem Verfahren Parteistellung zukam. Es ist der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie im Hinblick auf die von einem hiezu befugten Organwalter einem Rechtsanwalt erteilte Bevollmächtigung zur Vertretung der Stadtgemeinde Salzburg in diesem Enteignungsverfahren das Vorliegen eines Wiederaufnahmetatbestandes iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG verneint hat. Ob der diesbezügliche Wiederaufnahmeantrag samt Ergänzung fristgerecht iSd § 69 Abs. 2 AVG erhoben worden ist, kann bei diesem Ergebnis dahinstehen.

Aber auch das Vorliegen einer Vorfrage gemäß § 38 AVG, über die nachträglich von der hiefür zuständigen Behörde in wesentlichen Punkten anders entschieden worden sei, wurde von der belangten Behörde zutreffend verneint.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2011, Zlen. 2005/04/0060, 0085).

Die Stadtgemeinde Salzburg hat Enteignungsanträge hinsichtlich eines näher bezeichneten Grundstückes im Eigentum der V. Gen.m.b.H. und hinsichtlich des auf diesem Grundstück befindlichen Superädifikats samt aller Bestandteile im Eigentum des Beschwerdeführers eingebracht. Der Umfang der notwendigen Inanspruchnahme dinglicher Rechte ist jeweils (eine) Hauptfrage in diesen Verfahren. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2011, Zl. 2010/06/0236, wurde zwar der Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2009 in seinen Spruchpunkten I. und (damit im untrennbaren Zusammenhang stehend) V.2. und 4. auf Grund mangelhafter Begründung in Bezug auf das Ausmaß der enteigneten Fläche (der V. Gen.m.b.H.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, damit ist jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht automatisch und zwingend dem Spruchpunkt II. die Grundlage entzogen.

Die Beschwerde erweist sich daher als nicht berechtigt und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Dezember 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte