VwGH 2012/06/0007

VwGH2012/06/000713.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail, den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des H N in A, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Oktober 2009, Zl. Ve1- 8-1/240-3, betreffend Untersagung eines Bauvorhabens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2001 §21 Abs4;
BauO Tir 2001 §26 Abs3 lita;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §48a;
ROG Tir 2006 §8 Abs1;
ROG Tir 2006 §8 Abs2;
ROG Tir 2006 §8 Abs3;
BauO Tir 2001 §21 Abs4;
BauO Tir 2001 §26 Abs3 lita;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §48a;
ROG Tir 2006 §8 Abs1;
ROG Tir 2006 §8 Abs2;
ROG Tir 2006 §8 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Verwaltungsakten ist der Beschwerdeführer Eigentümer von zwei Grundstücken in der mitbeteiligten Gemeinde. Auf einem der Grundstücke (Nr. 614/2) steht ein Geschäfts- und Wohnhaus, das mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 10. Mai 1973 bewilligt wurde; 1984 wurde ein Zubau (mit Erweiterung der Nutzfläche der Verkaufsräume auf 400 m2) und in weiterer Folge die Unterkellerung des Geschäftslokales bewilligt.

Mit Schreiben vom 22. September 2006 stellte der Beschwerdeführer den Antrag gemäß § 48a Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (TROG 2001), für die Grundstücke Nr. 614/2 und Nr. 614/1 "die Ebene EG als Sonderfläche für Handelsbetriebe" zu widmen, weil die Errichtung eines Handelsbetriebes mit einer Kundenfläche von mehr als 300 m2 geplant sei. Dazu teilte ihm der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Schreiben vom 28. September 2006 mit, der Bau- und Raumordnungsausschuss der mitbeteiligten Gemeinde habe beschlossen, für das Erdgeschoß des Grundstückes Nr. 614/2 eine Sonderfläche für Handelsbetriebe und für die darüber liegenden Geschoße gemischtes Wohngebiet festzulegen. Für das Grundstück Nr. 614/1 sei eine Umwidmung vorerst abgelehnt worden. Dagegen wandte der Beschwerdeführer ein, er benötige die Widmung Sonderfläche Handelsbetriebe für beide Grundstücke. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde teilte ihm sodann mit Schreiben vom 31. Juli 2007 mit, der Bau- und Raumordnungsausschuss gebe dem Beschwerdeführer die Zusage für eine Widmung des Grundstückes Nr. 614/1 als Sonderfläche für Handelsbetriebe bis höchstens 600 m2 unter der Bedingung, dass das Bestandsgebäude vor der eventuellen Widmung äußerlich fertiggestellt sein müsse. Die Zusage gelte bis 31. Dezember 2009.

Mit Antrag vom 23. Jänner 2008 suchte der Beschwerdeführer um Bewilligung eines Neu-, Um- und Zubaus des Geschäfts- und Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 614/2 an. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. April 2008 wurde das Bauansuchen des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass für die Bewilligung des eingereichten Bauvorhabens eine Widmung als Sonderfläche für Handelsbetriebe Voraussetzung sei. Das Bauvorhaben sehe im Erdgeschoss unmittelbar nebeneinander liegend drei Handelsbetriebe ("Geschäft 1" mit einer Verkaufsfläche von 206,95 m2, "Geschäft 2" mit einer Verkaufsfläche von 275,75 m2 und die "Installationstechnik", bestehend aus einem Büro, einem Verkauf und einer Ausstellungsfläche mit insgesamt 184,70 m2 sowie einem weiteren Büro mit 87,32 m2; alle drei Betriebe hätten daher zusammen eine Fläche von 754,72 m2) vor. Dadurch betrage die Kundenfläche der drei Handelsbetriebe zusammen mehr als 300 m2. Gemäß § 48a Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 (TROG 2006) sei die Schaffung und Erweiterung von Handelsbetrieben mit einer Kundenfläche von mehr als 300 m2 nur auf Sonderflächen für Handelsbetriebe zulässig. Das Grundstück sei jedoch als gemischtes Wohngebiet gewidmet. Somit widerspreche das Vorhaben dem Flächenwidmungsplan, der Antrag sei daher abzuweisen.

Die dagegen eingebrachte Berufung vom 18. April 2008 wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Geschäftseinheiten räumlich voneinander komplett getrennte Verkaufsflächen hätten. Jede dieser Geschäftsflächen verfüge über einen eigenen Eingang und ein eigenes Personal. Weder rechtlich noch faktisch hätten diese Geschäftseinheiten etwas miteinander zu tun. Gemäß § 8 Abs. 1 zweiter Satz TROG 2006 seien die Kundenflächen mehrerer Betriebe nur dann zusammenzurechnen, wenn diese Betriebe in einem wirtschaftlichen, organisatorischen oder funktionellen Zusammenhang stünden. Von der erstinstanzlichen Behörde sei jedoch nur auf dessen dritten Satz Bezug genommen worden, wonach mehrere Gebäude oder Teile von Gebäuden als Einkaufszentrum zu beurteilen wären, wenn diese in einem räumlichen Naheverhältnis stünden. Ein "räumliches Naheverhältnis" der Geschäftseinheiten sei jedoch nicht ausreichend, um beim gegenständlichen Bauvorhaben von einem Handelsbetrieb mit mehr als 300 m2 Kundenfläche auszugehen. Das Bauvorhaben bedürfe daher keiner Widmung als Sonderfläche.

Darüber hinaus wurde in der Berufung ein Verfahrensfehler geltend gemacht, weil die Baubehörde § 21 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) nicht beachtet habe. Ein weiterer Verfahrensfehler werde darin gesehen, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Bauwerber mit Schreiben vom 28. September 2006 mitgeteilt habe, dass der Umwidmung des gegenständlichen Grundstückes in "Sonderfläche Handelsbetriebe" vom Bau- und Raumordnungsausschuss zugestimmt worden sei, die Gemeinde dem Beschwerdeführer jedoch nicht mitgeteilt habe, dass zunächst die Umwidmung des Grundstückes erfolgen müsse und erforderliche Unterlagen vorzulegen seien. Darüber hinaus sei das Bauvorhaben teilbar und es wäre möglich gewesen, die gegenständlichen Geschäftseinheiten getrennt vom Haupthaus zu behandeln. Auf diese Möglichkeit sei der Beschwerdeführer nicht hingewiesen worden. Abschließend teilte der Beschwerdeführer mit, er gedenke, der Berufungsbehörde weitere Unterlagen zur Untermauerung seiner Ausführungen vorzulegen.

Mit Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Mai 2008 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 28. September 2006 in Aussicht gestellte Umwidmung nicht jenes Projekt betroffen habe, das nun dem Bauansuchen zugrunde liege; damals sei vielmehr ein Neubau auf dem Grundstück Nr. 614/1 geplant gewesen. Dem Beschwerdeführer werde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von sechs Monaten ein Ansuchen um Änderung des Flächenwidmungsplanes für das aktuelle Projekt einzureichen, wobei eine Zustimmung nur bei Erfüllung näher angeführter Voraussetzung zu erwarten sei.

Mit Schreiben vom 28. November 2008 gab der Beschwerdeführer eine "Ergänzende Stellungnahme zum Antrag auf Änderung des Flächenwidmungsplanes" ab, in der er im Wesentlichen vorbrachte, dass für das gegenständliche Grundstück nie ein anderes Projekt bestanden habe. Das Bauansuchen vom 23. Jänner 2008 sei nach den Vorgaben des Bürgermeisters auf Grund des zuvor abgewiesenen Bauansuchens (ein solches ist aus den Verfahrensakten nicht ersichtlich) eingebracht worden. Es sei vereinbart worden, dass der Beschwerdeführer die erforderliche Widmung für die Grundstücke erhalte, in weiterer Folge würden die eingereichten Projekte ohne Verzögerung bewilligt, und danach habe die Fertigstellung der Fassade zu erfolgen. Entsprechend dieser Vereinbarung sei das Bauansuchen vom 23. Jänner 2008 eingebracht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen ein neuerlicher Antrag erforderlich sei.

Mit Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Jänner 2009 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, das Bauansuchen vom 23. Jänner 2008 innerhalb eines Monats zu ändern bzw. zu teilen, sodass es bewilligt werden könne.

Der Beschwerdeführer hielt dem in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2009 entgegen, das gegenständliche Bauvorhaben sei streng nach den Vorgaben des Bürgermeisters und des Bauamtsleiters konzipiert und eingereicht worden. Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wolle dem Beschwerdeführer daher innerhalb angemessener Frist mitteilen, welche konkreten Änderungen des Bauansuchens erwartet würden, damit das Bauansuchen genehmigungsfähig werde.

In der Sitzung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juni 2009 stimmte dieser dem Antrag des Beschwerdeführers vom 22. September 2006 auf Umwidmung seiner beiden Grundstücke in "Sonderfläche für Handelsbetriebe" nicht zu.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Juli 2009 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und zusammenfassend festgestellt, im gegenständlichen Fall bestehe zweifellos ein räumliches Naheverhältnis zwischen den drei geplanten Geschäftseinheiten. Demnach seien gemäß § 8 Abs. 1 und 2 TROG 2006 die Kundenflächen zusammenzurechnen. Auf Grund des Einreichplanes lägen die Betriebe in einem Gebäude im selben Geschoss, Wand an Wand. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass ein räumliches Naheverhältnis nur dann gegeben sei, wenn eine direkte Verbindung von einem Geschäft über eine Tür in das andere Geschäft bestehe. Darüber hinaus bestehe auch ein funktioneller Zusammenhang. Die Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Ausweisung einer Sonderfläche für Handelsbetriebe seien somit gegeben. Die beantragte Umwidmung in eine Sonderfläche für Handelsbetriebe sei vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde abgelehnt worden. Mangels einer entsprechenden Widmung bestehe ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan. § 21 Abs. 4 TBO 2001 sei nur auf Einkaufszentren anwendbar, nicht jedoch auf Handelsbetriebe. Deshalb habe die Baubehörde erster Instanz keine entsprechenden Unterlagen angefordert. Die Möglichkeit, das Bauvorhaben zu teilen, sei nicht genutzt worden. Dem Bauwerber sei in zahlreichen ausführlichen Gesprächen dargelegt worden, unter welchen Voraussetzungen eine Baubewilligung erlangt werden könne. Bisher habe dieser die Ratschläge der Baubehörde jedoch nicht angenommen. Auch die in der Berufung angekündigten weiteren Unterlagen seien innerhalb der von der Behörde festgesetzten sechsmonatigen Frist nicht vorgelegt worden.

In der Vorstellung vom 24. Juli 2009 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Berufungsvorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab und begründete dies damit, dass sowohl ein räumliches Naheverhältnis als auch eine "funktionale Einheit" der drei geplanten Geschäftseinheiten vorliege. Ein räumliches Naheverhältnis sei jedenfalls gegeben, wenn mehrere Gebäude ein abgegrenztes, in sich geschlossenes Betriebsgelände bildeten und zwischen den Gebäuden verbindende Bauwerke bestünden. Das Kriterium der "funktionalen Einheit" sei dann erfüllt, wenn die Erschließung der Gebäude über ein gemeinsames Betriebsgelände erfolge, eine gemeinsame Einfahrt, eine gemeinsame Tiefgarage und gemeinsame Eingänge in das Gebäude sowie eine gemeinsame Anlieferzone vorlägen, nicht zugeordnete Stellplätze vorhanden seien sowie eine gemeinsame und aufeinander abgestimmte Haustechnik (Heizung, Lüftung, Wasser- und Energieversorgung oder etwa Lifte) vorliege. Entscheidend sei auch, ob die bauliche Gestaltung und die Nutzung der Gebäude auf eine gemeinsame, sich gegenseitig ergänzende Zweckbestimmung ausgerichtet seien.

Aus den vorliegenden Einreichplänen und dem Verfahrensgang ergebe sich, dass gegenständlich ein räumliches Naheverhältnis auf Grund der baulichen Gegebenheiten vorliege. Ein funktioneller Zusammenhang sei schon durch die Erschließung der Gebäude über ein gemeinsames Betriebsgelände, eine gemeinsame Einfahrt sowie durch nicht abgeteilte Stellplätze für die Geschäftseinheiten gegeben. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer keine Nachweise beigebracht, dass nicht auch ein wirtschaftlicher oder organisatorischer Zusammenhang zwischen den Geschäftseinheiten gegeben sei. Die Kundenflächen seien daher gemäß § 8 Abs. 2 TROG 2006 zusammenzurechnen. Da sich daraus eine Kundenfläche von mehr als 300 m2 ergebe, sei für dieses Bauvorhaben eine Widmung als Sonderfläche für Handelsbetriebe Voraussetzung für eine Baubewilligung. Diese liege nicht vor, daher sei das Bauansuchen gemäß § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2001 abzuweisen gewesen.

Hinsichtlich des gerügten Verfahrensfehlers im Hinblick auf § 21 Abs. 4 TBO 2001 werde auf die Ausführungen der Berufungsbehörde verwiesen. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer von der Berufungsbehörde ausdrücklich eine sechsmonatige Frist zur Nachreichung weiterer Unterlagen und Untermauerung seines Berufungsvorbringens eingeräumt worden, die dieser jedoch nicht entsprechend genutzt habe. Auch der weitere Einwand, die Baubehörde habe den Beschwerdeführer nicht auf eine Teilbarkeit des Bauvorhabens hingewiesen, sei nicht berechtigt, weil die Behörde gemäß § 13a AVG nicht verpflichtet sei, die Partei über Fragen des materiellen Rechts zu belehren. Bei der Frage der Teilbarkeit eines Bauvorhabens handle es sich um eine solche des materiellen Rechts. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer rechtsfreundlich vertreten gewesen, sodass eine Belehrungspflicht der Behörde nicht gegeben gewesen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 29. November 2011, B 1432/09-13, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, die Beibehaltung der Widmung "gemischtes Wohngebiet" der Liegenschaft des Beschwerdeführers im Flächenwidmungsplan sei im planerischen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers gelegen, zumal dieser zu einer Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht verpflichtet gewesen sei. Gegen § 8 Abs. 1 TROG 2006 bestünden vor dem Hintergrund des den Materialien zur Novelle LGBl. 35/2005 zu entnehmenden raumordnungspolitischen Zieles einer Konzentration von Handelsbetrieben innerhalb der - nicht von der Gemeinde, sondern von der Landesregierung im Rahmen von Raumordnungsprogrammen festzulegenden - Kernzonen und der damit einhergehenden Auferlegung strengerer Beschränkungen für die Entwicklung von Handelsbetrieben sowie der Forcierung einer Boden sparenden Bauweise außerhalb von Ortszentren keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Ausnahme bestimmter Betriebe vom Einkaufszentrenregime gründe sich auf die Praxis, die gezeigt habe, dass keine raumordnungsfachliche Notwendigkeit für deren Einbeziehung bestehe. Gegen § 48a TROG 2006 bestünden vor dem Hintergrund der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keine Bedenken hinsichtlich der Erwerbsfreiheit und der Sachlichkeit.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofs verbesserten (ergänzten) Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009, und das Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, LGBl. Nr. 29, anzuwenden.

§ 21 Abs. 4 und § 26 TBO 2001 lauten:

"§ 21

Bauansuchen

(1) …

(4) Ist aufgrund der Größe und der Ausgestaltung eines Gebäudes oder mehrerer Gebäude, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine funktionale Einheit bilden, die Verwendung als Einkaufszentrum nicht auszuschließen, so hat der Bauwerber insbesondere durch nähere Angaben über die vorgesehene Nutzung und, sofern darin mehrere Betriebe untergebracht sind, auch über die betriebsorganisatorischen Verhältnisse dieser Betriebe zueinander glaubhaft zu machen, dass eine Verwendung als Einkaufszentrum nicht beabsichtigt ist.

§ 26

Baubewilligung

(1) Die Behörde hat über ein Bauansuchen mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden. Wird keine Bauverhandlung durchgeführt, so hat die Entscheidung spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Einlangen des Bauansuchens zu erfolgen.

(2) Das Bauansuchen ist zurückzuweisen, wenn einem Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 oder einem Auftrag nach § 24 Abs. 8 nicht entsprochen wird.

(3) Das Bauansuchen ist ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits aufgrund des Ansuchens offenkundig ist, dass

a) das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder örtlichen Bauvorschriften widerspricht oder

b) …"

Die §§ 8 Abs. 1 bis 3, 38 Abs. 2, 48 a und 49 TROG 2006 lauten:

"§ 8

Raumordnungsprogramme für Einkaufszentren

(1) Einkaufszentren im Sinn dieses Gesetzes sind Gebäude oder Teile von Gebäuden, in denen Betriebe oder Teile von Betrieben untergebracht sind, die Waren oder Waren und Dienstleistungen anbieten, einschließlich der diesen Gebäuden oder Teilen von Gebäuden funktionell zugeordneten Anlagen, wenn die Kundenfläche das in der Anlage jeweils festgelegte Ausmaß übersteigt. Die Kundenflächen mehrerer Betriebe sind zusammenzuzählen, wenn die Betriebe in einem wirtschaftlichen, organisatorischen oder funktionellen Zusammenhang stehen. Dabei gelten außer in Kernzonen (Abs. 3) mehrere Gebäude oder Teile von Gebäuden als ein Einkaufszentrum, wenn diese in einem räumlichen Naheverhältnis stehen. Betriebe, in denen Kraftfahrzeuge und ergänzend dazu Kraftfahrzeugzubehör und höchstens in einem geringfügigen Ausmaß andere Waren angeboten werden, gelten nicht als Einkaufszentren.

(2) Kundenflächen sind jene Flächen der im Abs. 1 genannten Gebäude oder Teile von Gebäuden, einschließlich der diesen funktionell zugeordneten Anlagen, auf denen Waren ausgestellt oder zum Verkauf angeboten oder Dienstleistungen erbracht werden, Flächen, die der Abwicklung des geschäftlichen Verkehrs mit den Kunden dienen, und Flächen, die der Erschließung der genannten Flächen dienen und zur Benützung durch Kunden bestimmt sind. Nicht als Kundenflächen gelten:

  1. a) Flächen für Stiegen, Windfänge und Sanitärräume,
  2. b) Flächen für Kinderbetreuungseinrichtungen,
  3. c) Flächen, auf denen Bank- oder Postdienstleistungen erbracht werden,

    d) Flächen, auf denen ausschließlich solche Waren ausgestellt oder zum Verkauf angeboten werden, die auf diesen Flächen produziert werden,

    e) Flächen, die der Bedienung der Kunden mit Waren dienen und ausschließlich dem Personal vorbehalten sind.

(3) Die Widmung von Sonderflächen für Einkaufszentren des Betriebstyps A ist nur innerhalb der in Raumordnungsprogrammen festgelegten Kernzonen von Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zulässig. Als Kernzonen dürfen Gebiete festgelegt werden, die

a) großteils als Mischgebiet, gemischtes Wohngebiet oder Wohngebiet gewidmet sind und

b) großteils eine dichte, zusammenhängende und mehrgeschossige Bebauung mit einem vielfältigen gemischten Angebot an Handelsbetrieben, sonstigen Dienstleistungseinrichtungen, wie Banken, Versicherungen, Büros, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen, öffentlichen Einrichtungen, Gastgewerbebetrieben, Freizeiteinrichtungen, kulturellen Einrichtungen, Veranstaltungs- und Vergnügungsstätten und Wohnbauten aufweisen und

c) über eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr verfügen.

Die Kernzonen sind auf der Grundlage der digitalen Katastralmappe im Maßstab 1:5.000 oder größer darzustellen. Die planliche Darstellung von Kernzonen ist durch Auflegung zur öffentlichen Einsichtnahme während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden beim Amt der Tiroler Landesregierung zu verlautbaren und überdies im Internet in einem gegen unbefugte Änderungen geschützten Dateiformat bekannt zu machen.

(4) ...

§ 38

Wohngebiet

(1) …

(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Im gemischten Wohngebiet dürfen neben den im Abs. 1 genannten Gebäuden auch öffentliche Gebäude, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten und Gebäude für sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

(3) …

§ 48a

Sonderflächen für Handelsbetriebe

(1) Die Schaffung und die Erweiterung von Handelsbetrieben mit einer Kundenfläche von mehr als 300 m2 ist unbeschadet des § 49 außer in Kernzonen im Sinn des § 8 Abs. 3 nur auf Sonderflächen für Handelsbetriebe zulässig. § 8 Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 2 gilt sinngemäß.

(2) Bei der Widmung von Sonderflächen für Handelsbetriebe kann das jeweils zulässige Höchstausmaß der Kundenfläche festgelegt werden.

(3) Bei der Widmung von Sonderflächen für Handelsbetriebe ist unbeschadet der Ziele der örtlichen Raumordnung insbesondere Bedacht zu nehmen auf:

  1. a) eine Boden sparende Bebauung und verkehrsmäßige Erschließung,
  2. b) die bestehenden Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen,
  3. c) die Erhaltung ausreichender Flächen für die Weiterentwicklung anderer Wirtschaftszweige,

    d) die Art der verkehrsmäßigen Erschließung der betreffenden Grundflächen und deren Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr.

(4) Die Abs. 1, 2 und 3 gelten nicht für Handelsbetriebe, in denen Kraftfahrzeuge und ergänzend dazu Kraftfahrzeugzubehör und höchstens in einem geringfügigen Ausmaß andere Waren angeboten werden.

§ 49

Sonderflächen für Einkaufszentren

(1) Die Schaffung, die Erweiterung und die Änderung des Betriebstyps von Einkaufszentren ist nur auf Grundflächen, die als Sonderflächen für Einkaufszentren gewidmet sind, zulässig.

(2) Bei der Widmung von Sonderflächen für Einkaufszentren sind der zulässige Betriebstyp und das jeweils zulässige Höchstausmaß der Kundenfläche festzulegen. Weiters ist festzulegen, ob Lebensmittel angeboten werden dürfen. Gegebenenfalls ist ferner das zulässige Höchstausmaß jenes Teiles der Kundenfläche festzulegen, auf dem Lebensmittel angeboten werden dürfen.

§ 110

Bestehende Einkaufszentren und Handelsbetriebe

(1) …

(6) Für Handelsbetriebe, die am 30. Juni 2005 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestanden und am 1. Juli 2005 die Eigenschaft als Einkaufszentrum erlangt haben, gilt Abs. 5 erster, zweiter und dritter Satz sinngemäß. Die Erweiterung derartiger Sonderflächen, deren Lage nicht den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 und 4 entspricht, und die Erhöhung des zulässigen Höchstausmaßes der Kundenfläche bei solchen Sonderflächen sind nur bis zu dem für die Begründung der Eigenschaft als Einkaufszentrum des jeweiligen Betriebstyps laut der Anlage zu den §§ 8 und 49 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 93/2001 maßgebend gewesenen Ausmaß der Kundenfläche zulässig. Diese Festlegungen können auch in einem mit der Widmung der betreffenden Grundfläche als Sonderfläche für Einkaufzentren nach dem ersten Satz getroffen werden. Abs. 4 zweiter und dritter Satz ist anzuwenden.

(7) § 48a ist auf die Erweiterung der am 30. Juni 2005 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehenden Handelsbetriebe nicht anzuwenden, sofern das Ausmaß der Kundenfläche um höchstens 25 v. H. der zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer rechtskräftigen Baubewilligung zulässig gewesenen Kundenfläche erhöht wird. Das für die Begründung der Eigenschaft als Einkaufszentrum des jeweiligen Betriebstyps laut der Anlage zu den §§ 8 und 49 maßgebende Ausmaß der Kundenfläche darf nicht überschritten werden.

(8) …"

Das gegenständliche Bauvorhaben betreffend den Neu-, Um- und Zubau eines Geschäfts- und Wohnhauses soll auf einem Grundstück verwirklicht werden, das als gemischtes Wohngebiet gewidmet ist. Da eine Kernzone im Sinn des § 8 Abs. 3 TROG 2006 nicht vorliegt, wäre für die Schaffung und die Erweiterung von Handelsbetrieben mit einer Kundenfläche von mehr als 300 m2 eine Widmung als Sonderfläche für Handelsbetriebe erforderlich. Für die Berechnung von Kundenflächen gilt § 8 Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 2 leg. cit. sinngemäß.

Der Beschwerdeführer konzentriert sich - wie bereits im Verwaltungsverfahren - in seinem Beschwerdevorbringen zunächst auf die Frage, ob bei den gegenständlich geplanten drei Geschäftseinheiten gemäß § 8 Abs. 1 TROG 2006 ein wirtschaftlicher, organisatorischer oder funktioneller Zusammenhang besteht und daher die Verkaufsflächen im Sinn des § 48a TROG 2006 zusammenzuzählen sind.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

In den Erläuternden Bemerkungen (abgedruckt in Schwaighofer (Herausgeber), Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, Seite 78f) zu dem mit der hier anzuwendenden Fassung des TROG 2006, LGBl. Nr. 29, gleichlautenden § 8 Abs. 1 bis 3 TROG 2001 idF der Novelle LGBl Nr. 35/2005, heißt es u.a., ein funktioneller Zusammenhang von Betrieben liegt dann vor, wenn die Erschließung der Betriebsgebäude über ein gemeinsames Betriebsgelände, eine gemeinsame Einfahrt, eine gemeinsame Tiefgarage bzw. über gemeinsame Gebäudezugänge erfolgt. So können etwa gemeinsam genutzte Anlieferungszonen oder gemeinsam genutzte, nicht nach Gebäuden abgeteilte bzw. zugeordnete Stellplätze vorliegen. Weiters kann eine aufeinander abgestimmte Haustechnik, etwa für die Beheizung, die Lüftung oder die Wasser- und Energieversorgung, bestehen oder es können Aufzugsanlagen gemeinsam genutzt werden.

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde, wonach im gegenständlichen Fall die Erschließung der Gebäude über ein gemeinsames Betriebsgelände erfolgen soll und eine gemeinsame Einfahrt sowie nicht abgeteilte Stellplätze für die Geschäftseinheiten geplant sind, nicht entgegen. Aus dem Einreichplan vom Jänner 2008 geht hervor, dass nur eine Anlieferungszone vorgesehen ist; laut Bauansuchen sind eine Zentralheizung und sowohl die Wasser- und Energieversorgung als auch die Abfallentsorgung einheitlich für das gesamte Bauobjekt geplant. Angesichts dessen bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass fallbezogen die Betriebe in einem wirtschaftlichen, organisatorischen oder funktionellen Zusammenhang stehen und die Kundenflächen somit zusammenzuzählen sind, keine Bedenken.

Daraus ergibt sich, dass die Kundenfläche der drei geplanten Geschäftseinheiten insgesamt mehr als 300 m2 beträgt und daher eine Widmung als Sonderfläche für Handelsbetriebe erforderlich ist. Da eine solche unbestritten nicht vorliegt, ist auch die auf § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2001 gestützte Abweisung des Bauansuchens durch die belangte Behörde unbedenklich.

Soweit der Beschwerdeführer vermeintliche Verfahrensfehler im Verfahren betreffend seinen Antrag auf Änderung des Flächenwidmungsplanes rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese nicht Gegenstand des hier zu beurteilenden Bauverfahrens sind. Wenn die Beschwerde weiter vorbringt, es sei (mit Bescheid vom 8. Juni 1984) eine Verkaufsfläche von 400 m2 genehmigt gewesen, sodass der Beschwerdeführer - ohne um eine Genehmigung anzusuchen -

gemäß § 110 Abs. 7 TROG 2006 berechtigt sei, diesen Bestand um 25 % zu erweitern, wobei Toiletten, Lager etc. nicht als Kundeflächen zu werten seien, ist sie auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) hinzuweisen. Ein solches Vorbringen wurde während des Verwaltungsverfahrens nicht erstattet; für eine Beurteilung dieser Rechtsausführungen wären zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erforderlich, die wegen der "Untätigkeit" der Partei im Verwaltungsverfahren unterblieben sind (vgl. die in Mayer, B-VG4 (2007) zu § 41 VwGG zitierte hg. Rechtsprechung). Darüber hinaus ist auch der Hinweis auf § 110 Abs. 6 TROG 2006 nicht zielführend, weil sich aus den Verwaltungsakten keine Hinweise dafür ergeben, dass der bestehende Handelsbetrieb ab 1. Juli 2005 als Einkaufszentrum gilt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. Juni 2012

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