VwGH 2012/01/0070

VwGH2012/01/007020.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, in der Beschwerdesache des M B in G, gegen "die Vollzugsbehörde erster Instanz", wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Strafvollzugs, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §73 Abs2;
StVG §11 Abs1;
StVG §12 Abs1;
StVG §121 Abs1;
StVG §24;
VwGG §27;
AVG §73 Abs2;
StVG §11 Abs1;
StVG §12 Abs1;
StVG §121 Abs1;
StVG §24;
VwGG §27;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der in der Justizanstalt Garsten eine Freiheitsstrafe verbüßt, macht mit "Säumnisklage gegen die Vollzugsbehörde erster Instanz" geltend, diese sei der "Umsetzung eines Bescheides der Vollzugskammer-Linz (Vollzugsbehörde zweiter Instanz) nicht nachgekommen".

Er bringt dazu vor, sein Ansuchen um Bewilligung einer Vergünstigung (nämlich die Ausfolgung eines Notebooks) habe der Anstaltsleiter abgelehnt. Gegen die (am 18. Mai 2010 verkündete) Entscheidung des Anstaltsleiters habe er Beschwerde an die Vollzugskammer (Vollzugsbehörde zweiter Instanz) erhoben. Mit einem Bescheid zu Zl. Vk 99/10-5 habe die Vollzugskammer-Linz seiner Beschwerde Folge gegeben "und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Anstaltsleiter zurückverwiesen"; der Anstaltsleiter habe "bis dato keine Entscheidung getroffen". Da der Anstaltsleiter eine "Entscheidung nicht herbeigeführt habe", stelle er "den Antrag auf Säumnisbeschwerde/Klage".

Die Beschwerde ist unzulässig:

Gemäß § 27 Abs. 1 erster Satz VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat.

Demnach setzt die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer die höchste sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Weg eines Antrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG vergeblich angerufen hat (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 30. Juni 2011, Zl. 2011/07/0146, und vom 21. Dezember 2011, Zl. 2011/08/0355).

Gegen die Untätigkeit einer anderen Behörde als der obersten Behörde ist eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Der Zweite Unterabschnitt des Strafvollzugsgesetzes (StVG) regelt die "Vollzugsbehörden, die Aufsicht und innere Revision".

Gemäß § 11 Abs. 1 StVG ist der Anstaltsleiter Vollzugsbehörde erster Instanz. § 12 Abs. 1 StVG bestimmt die Direktion für den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen (Vollzugsdirektion) als Vollzugsoberbehörde und gemäß § 13 Abs. 1 StVG ist das "Bundesministerium für Justiz" (erkennbar gemeint: der/die Bundesminister/in für Justiz) Oberste Vollzugsbehörde. Vollzugsdirektion und Oberste Vollzugsbehörde sind in ihrem Wirkungsbereich sachlich in Betracht kommende Oberbehörden. Sie haben zufolge Art. I Abs. 2 B Z. 28 EGVG bzw. Art. I Abs. 3 EGVG das AVG anzuwenden.

Soweit die Beschwerde dahin verstanden werden kann, dass der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Anstaltsleiters nach § 73 Abs. 1 AVG (in dem Sinne, dass der Anstaltsleiter über einen Antrag auf bescheidförmige Erledigung nicht abgesprochen habe) geltend macht, hat er es unterlassen, die Vollzugsdirektion als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nach § 73 Abs. 2 AVG anzurufen.

Soweit die Beschwerde aber ein Verhalten des Anstaltsleiters dahingehend meint, dass der Anstaltsleiter dem Beschwerdeführer die begehrte Vergünstigung (vgl. § 24 StVG) nicht gewährt habe, so liegt insoweit ein zulässiger Gegenstand für eine Entscheidung in einer Säumnisbeschwerdesache gemäß Art. 132 B-VG nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Oktober 2010, Zl. 2010/06/0186; vom 30. Mai 2006, Zl. 2006/06/0089; vom 5. April 2004, Zl. 2004/10/0035; und vom 22. Dezember 2004, Zl. 2004/12/0200) liegen die Voraussetzungen für eine Beschwerdeführung nach Art. 132 B-VG (Säumnisbeschwerde) in Verbindung mit § 27 VwGG dann nicht vor, wenn die Verpflichtung der belangten Behörde nicht auf die Erlassung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (eines Bescheides), sondern auf die Ausstellung einer Bescheinigung (Beurkundung) oder auf eine sonstige Leistung, wie etwa die Erteilung einer Auskunft, gerichtet ist.

Über Beschwerden gegen ein Verhalten (Handlung, Duldung oder Unterlassung) des Anstaltsleiters hat gemäß § 121 Abs. 1 StVG die Vollzugskammer zu entscheiden.

Die Säumnisbeschwerde war somit mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung (wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes) gemäß § 34 Abs. 1 VwGG

ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 20. Juni 2012

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