Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Die beschwerdeführende Partei betreibt auf mehreren Grundstücken im Gebiet der Marktgemeinde H (im Folgenden: Gemeinde) eine Bodenaushubdeponie, wofür ihr mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (im Folgenden: LH) vom 3. März 1999 die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung erteilt wurde.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L (im Folgenden: BH) vom 14. April 1999 wurde der Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung zur Versickerung des P-Baches im Bereich zweier näher genannter Grundstücke und Errichtung eines Retentions- und Versickerungsbeckens erteilt. Mit weiterem Bescheid der BH vom 8. November 2005 wurde der Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung für ergänzende wasserbautechnische Maßnahmen bei diesem Retentions- und Versickerungsbecken sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür erforderlichen Anlagen erteilt und überdies festgestellt, dass die ausgeführten Anlagen mit der mit Bescheid der BH vom 14. April 1999 erteilten Bewilligung im Wesentlichen übereinstimmten.
Die beschwerdeführende Partei war diesen wasserrechtlichen Verfahren nicht beigezogen worden.
Mit Bescheid der BH vom 3. September 2008 wurden die Anträge der beschwerdeführenden Partei vom 20. November 2006 auf Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung der genannten Bescheide vom 14. April 1999 und 8. November 2005 als unzulässig zurückgewiesen.
Auf Grund der gegen den Bescheid vom 3. September 2008 erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde deren Anträgen vom 20. November 2006 mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 2009 stattgegeben. Dazu führte die belangte Behörde (u.a.) aus, dass die den beiden Bewilligungsbescheiden der BH vorangegangenen mündlichen Verhandlungen einzig durch Anschlag in der Gemeinde jeweils kundgemacht worden seien und die gesetzlich zwingend geforderte doppelte bzw. zusätzliche Kundmachungsform "auf sonstige geeignete Weise" nicht vorgenommen worden sei. Dass die beschwerdeführende Partei persönlich verständigt worden sei oder als Beteiligte eine rechtzeitige Verständigung erhalten habe, sei dem Akteninhalt nicht zu entnehmen, sodass der Verlust der Parteistellung der beschwerdeführenden Partei nicht habe eintreten können. Mit diesem Bescheid wurde auch die Zustellung der genannten Bescheide vom 14. April 1999 und 8. November 2005 an die beschwerdeführende Partei verfügt.
Mit Schriftsatz vom 4. Jänner 2010 erhob die beschwerdeführende Partei gegen die beiden Bescheide der BH "Einwendungen und Berufungen", worin sie u.a. vorbrachte, dass "die Liegenschaft/das Betriebsgelände" der beschwerdeführenden Partei wiederholt durch das Wasser des Versickerungsbeckens der Gemeinde überflutet werde und die Abweichungen vom Genehmigungsbescheid vom 14. April 1999 wesentliche Veränderungen, nämlich eine wesentliche Erhöhung des Wasserdruckes im Hochwasserversickerungsbecken und eine wesentliche zusätzliche Verschlechterung und Beeinträchtigung ihrer Situation, herbeigeführt hätten. Die nördliche Grenze der zu ihrer Betriebsanlage gehörigen Grundstücke verlaufe unmittelbar am P-Bach, sodass die Errichtung des Wehrs, welches untrennbarer Bestandteil des Hochwasserversickerungsbeckens sei, ohne Inanspruchnahme ihrer Grundstücksflächen denkunmöglich sei. Darüber hinaus seien laut dem Spruch des Bescheides vom 8. November 2005 eine "Verhandlungsschrift über die mündliche Verhandlung vom 25.10.2005 sowie die entsprechend klausulierten Projektsunterlagen" Bestandteile dieses Spruches und seien weder diese Verhandlungsschrift noch die klausulierten Projektsunterlagen bisher der beschwerdeführenden Partei zugestellt worden, sodass beantragt werde, ihr die Verhandlungsschrift und die entsprechend klausulierten Projektsunterlagen zuzustellen. Eine Ergänzung der Berufungen nach Zustellung dieser Bescheidbestandteile bleibe ausdrücklich vorbehalten.
Mit Kundmachung vom 22. Juni 2010 beraumte der LH eine mündliche Verhandlung über die gegen die Bescheide der BH vom 14. April 1999 und 8. November 2005 erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei für den 15. Juli 2010 an, dies mit dem Hinweis, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliere, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebe. Die Ladung zu dieser Verhandlung wurde der beschwerdeführenden Partei am 25. Juni 2010 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2010 stellte die beschwerdeführende Partei an die belangte Behörde den Antrag, als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über die Berufungen gegen die beiden Bescheide der BH vom 14. April 1999 und 8. November 2005 in der Sache zu entscheiden und ihnen vollinhaltlich stattzugeben, weil seit deren Einbringung mehr als sechs Monate verstrichen seien.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 ersuchte die beschwerdeführende Partei den LH um schriftliche Bestätigung, dass im Hinblick auf den eingebrachten Devolutionsantrag die für den 15. Juli 2010 anberaumte Verhandlung nicht stattfinde.
Der LH übermittelte mit Schreiben (Mail) vom 13. Juli 2010 an die belangte Behörde die Kundmachung der Anberaumung der mündlichen Verhandlung mit dem Vorschlag, ihn gemäß § 55 AVG zu beauftragen, den Sachverhalt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu ermitteln.
Mit Schreiben (Mail) vom 14. Juli 2010 erteilte die belangte Behörde dem LH gemäß § 55 AVG den Auftrag in diesem Sinn. Davon wurde die beschwerdeführende Partei mit Schreiben (Mail) des LH vom selben Tag in Kenntnis gesetzt, dies mit dem Hinweis, dass die für 15. Juli 2010 anberaumte Verhandlung durchgeführt werde.
Mit Schreiben (Mail) vom selben Tag stellte daraufhin die beschwerdeführende Partei an die belangte Behörde den Antrag, einen anderen Termin für die mündliche Verhandlung anzuberaumen, weil eine Teilnahme daran sowohl der beschwerdeführenden Partei als auch deren bevollmächtigten Vertreter "auf Grund andererweitiger beruflicher Verhinderung" unmöglich und der vom LH angesetzte Verhandlungstermin infolge Überganges der Zuständigkeit hinfällig geworden sei und andere Termine fixiert worden seien, welche nicht verschoben werden könnten.
Bei der sodann am 15. Juli 2010 durchgeführten Verhandlung war die beschwerdeführende Partei nicht anwesend.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 2010 wurde der Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Partei vom 9. Juli 2010 "wegen Unzulässigkeit" zurückgewiesen. Dazu führte die belangte Behörde (u.a.) aus, dass der LH nach Eingang des Schriftsatzes vom 4. Jänner 2010 innerhalb der Entscheidungsfrist von sechs Monaten keine Erledigung durch Bescheid unternommen habe, weshalb der Devolutionsantrag vom 9. Juli 2010 bei der belangten Behörde zulässig eingebracht worden sei. Für die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages sei ein Anbringen Prozessvoraussetzung, für welches eine Erledigung durch Bescheid vorgesehen sei. Diese Prozessvoraussetzung sei deshalb nicht erfüllt, weil die fraglichen Berufungsanträge unwirksam seien. So habe die Einschreiterin als übergangene Partei in ihrem Schriftsatz vom 4. Jänner 2010 geltend gemacht, dass sie gegen den Bescheid vom 8. November 2005 Berufung erhebe, aber sich die Berufungsergänzung deshalb vorbehalte, weil sie keine Kenntnis von der einen Bescheidbestandteil bildenden Verhandlungsschrift vom 25. Oktober 2005 habe. Die unter einer Bedingung eingebrachten Berufungen seien deshalb unwirksame Prozesshandlungen. Im rechtlichen Zusammenhang beziehe sich der Berufungsvorbehalt auch auf den Bewilligungsbescheid vom 14. April 1999, weil dieser Bescheid dem Kollaudierungsbescheid vom 8. November 2005 zugrunde liege. Ob und in welchem Umfang der Bescheid vom 14. April 1999 bekämpft worden sei, sei insofern unklar, weil die beschwerdeführende Partei sich zwar allgemein gegen diesen wende, aber dann widersprüchlich moniere, dass das Rückhaltebecken nicht entsprechend dem Bewilligungsbescheid ausgeführt worden sei und die ergänzenden Vorschreibungen nicht ausreichend seien. Die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides sei nicht mehr zu überprüfen. Berufungsanträge bzw. Einwendungen müssten spezialisiert sein und die Verletzung konkreter subjektiver Rechte geltend machen. Ein allgemein erhobener Protest reiche ebenso wenig aus wie das Vorbringen, mit einem Vorhaben nicht einverstanden zu sein oder die Zustimmung von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, in eventu, die Beschwerde im Hinblick auf den Bescheid des LH vom 11. April 2011, mit dem der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die Bescheide der BH vom 14. April 1999 und 8. November 2005 keine Folge gegeben worden sei, als gegenstandslos geworden zu erklären.
Die beschwerdeführende Partei brachte mit Schriftsatz vom 18. Mai 2011 vor, trotz Erlassung des Bescheides des LH vom 11. April 2011, wofür keine Zuständigkeit des LH bestanden habe, weiterhin in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 leg. cit.) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird.
Nach ständiger hg. Judikatur hat jede Partei des Verwaltungsverfahrens Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag (oder eine Berufung) offen ist, und ist dieser Anspruch auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages vorliegen. Auch in einem Streit um die Parteistellung und die Antragsbefugnis bestehen, insoweit diese zur Entscheidung stehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht. In diesem Fall hat die Partei den Anspruch auf Erlassung eines Bescheides betreffend die Zurückweisung ihres Antrages (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 2000/07/0026, mwN).
Ist ein Anbringen zurückzuweisen und kommt die Behörde ihrer diesbezüglichen Entscheidungspflicht nicht nach, so hat die mit Devolutionsantrag angerufene Oberbehörde nicht den Devolutionsantrag, sondern in Stattgebung des Devolutionsantrages den Sachantrag zurückzuweisen (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 73 AVG E 277 zitierte hg. Judikatur; ferner etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. Juni 2008, Zl. 2003/13/0110, und vom 25. März 2010, Zl. 2008/05/0229, mwN).
Die belangte Behörde ist im vorliegend angefochtenen Bescheid selbst davon ausgegangen, dass der LH innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG die Berufung nicht erledigt hat und der Devolutionsantrag im Hinblick darauf zulässig eingebracht wurde. Selbst wenn man die Ansicht vertreten wollte, dass die im Schriftsatz vom 4. Jänner 2010 gestellten Berufungsanträge der beschwerdeführende Partei, wie die belangte Behörde meint, "unwirksam" seien, weil sich die beschwerdeführende Partei eine Berufungsergänzung vorbehalten habe, hätte auf dem Boden der vorzitierten Rechtsprechung der zulässigerweise gestellte Devolutionsantrag nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb bereits deshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist in Anbetracht des im weiteren Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheides des LH vom 11. April 2011 keine Gegenstandslosigkeit der Beschwerde eingetreten, weil dieser Bescheid mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/07/0148, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben wurde (vgl. zur "ex tunc-Wirkung" eines aufhebenden Erkenntnisses § 42 Abs. 3 VwGG).
Für das fortzusetzende Verfahren ist zu bemerken, dass im genannten Schriftsatz vom 4. Jänner 2010 begründete Berufungsanträge enthalten sind und die belangte Behörde mit ihrer Auffassung, es liege im Hinblick auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in diesem Schriftsatz, sich eine Ergänzung der Berufung nach Zustellung der Verhandlungsschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2005 und von entsprechend klausulierten Projektsunterlagen vorzubehalten, lediglich eine bedingte Berufung und damit eine unwirksame Prozesshandlung vor, einem Rechtsirrtum unterliegt. Abgesehen davon würde selbst das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages - ausgenommen den Fall der bewussten und rechtsmissbräuchlichen mangelhaften Gestaltung des Berufungsanbringens durch den Berufungswerber - die Berufungsbehörde nicht zu einer sofortigen Zurückweisung berechtigen. Dabei würde es sich nämlich um einen verbesserungsfähigen Mangel handeln, der die Behörde verhalten würde, von Amts wegen unverzüglich dessen Behebung zu veranlassen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 15. November 2007, Zl. 2007/07/0017, mwN).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 20. September 2012
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