VwGH 2011/03/0059

VwGH2011/03/005925.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der C GmbH in W, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 9. März 2009, Zl 611.191/0001- BKS/2008, betreffend Verletzung des Privatfernsehgesetzes (weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Normen

PrTV-G 2001 §47 Abs1;
PrTV-G 2001 §47 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht über Rundfunkveranstalter gemäß § 61 Abs 1 iVm § 62 Abs 1 Privatfernsehgesetz, BGBl I Nr 84/2001 idF BGBl I Nr 52/2007 (PrTV-G), fest, dass die Beschwerdeführerin als Kabelrundfunkveranstalterin in den Kabelnetzen S, W und F die Bestimmung des § 47 Abs 1 erster Satz PrTV-G dadurch verletzt habe, dass sie am 30. Juli 2008 keine Aufzeichnung ihrer Fernsehsendungen hergestellt und mindestens zehn Wochen lang aufbewahrt habe.

Dieser Entscheidung legte sie folgenden - unstrittigen - Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführerin sei Kabelnetzbetreiberin und Veranstalterin eines Kabel-Fernsehprogramms in den Kabelnetzen S, W und F mit der Kurzbezeichnung "W.TV". Ausgestrahlt werde eine etwa alle zwei Monate wechselnde Abfolge von Standbildern, die neben Informationen zu den bei "W.TV" erhältlichen digitalen Receivern bzw Programmen, Jobangebote von "W.TV" und "X" sowie Werbung für das Antivirus-Programm "T" und für "P" enthalte. Eine Anzeige des Kabel-Fernsehprogramms sei bislang nicht erfolgt. Als Kabelrundfunkveranstalter habe die Beschwerdeführerin jedenfalls am 30. Juli 2008 keine Aufzeichnungen ihrer Fernsehsendungen hergestellt und mindestens zehn Wochen lang aufbewahrt. Mit Schreiben vom 26. September 2008 habe sie der Regulierungsbehörde eine Powerpoint-Präsentation vorgelegt; authentische Programmaufzeichnungen seien jedoch nicht erstellt worden.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, die Beschwerdeführerin sei als Rundfunkveranstalterin im Sinne von § 2 Z 1 PrTV-G anzusehen, weil sie Beiträge zur Verbreitung in ihrem Kabelnetz zusammenstelle und somit Tätigkeiten vornehme, die einen Rundfunkveranstalter nach der zitierten Gesetzesstelle definierten. Der Ausnahmetatbestand der bloßen Weiterverbreitung gemäß § 2 Z 16 PrTV-G komme in ihrem Fall mangels "unveränderter Übertragung von für die Allgemeinheit empfangbaren Fernsehprogrammen" nicht zur Anwendung. Ob es sich bei dem beanstandeten Informationskanal um Informationsfenster von bis zu maximal 120 Minuten täglich innerhalb eines Rahmenprogramms handle, könne mangels entsprechenden Vorbringens dahingestellt bleiben. Es liege nahe, das gegenständliche Programm als Kabelinformationsprogramm im Sinne des § 2 Z 20 PrTV-G einzustufen, welches bereits definitionsgemäß als "Kabelrundfunkprogramm" zu qualifizieren sei. Die Betreiberin eines solchen Programms sei - aus näher dargestellten Gründen - als Rundfunkveranstalterin anzusehen.

Zur Aufzeichnungspflicht nach § 47 Abs 1 PrTV-G führte die belangte Behörde aus, diese diene der Gewährleistung einer effektiven Rechtskontrolle und Rechtsdurchsetzung, wozu es unabdingbar sei, dass die Aufzeichnungen eine originalgetreue Wiedergabe des tatsächlich gesendeten Programms ermöglichten. Die Beschwerdeführerin habe daher als Rundfunkveranstalterin ein dem Stand der Technik entsprechendes Aufzeichnungsverfahren anzuwenden, welches sicherstelle, dass die tatsächlich ausgestrahlten Inhalte zu einem späteren Zeitpunkt unverändert wiedergegeben werden könnten. Die von ihr vorgelegte Powerpoint-Präsentation sei dafür nicht ausreichend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn "als rechtswidrig" aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die für den Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Privatfernsehgesetzes, BGBl I Nr 84/2001 idF BGBl I Nr 52/2007 (PrTV-G), lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. Rundfunkveranstalter: wer, mit Ausnahme des Österreichischen Rundfunks, Hörfunk- oder Fernsehprogramme (analog oder digital) für die Verbreitung in Kabelnetzen oder über Satellit oder Fernsehprogramme für die Verbreitung auf drahtlosem terrestrischen Wege schafft, zusammenstellt und verbreitet oder durch Dritte vollständig und unverändert verbreiten lässt. Rundfunkveranstalter ist nicht, wer Rundfunkprogramme ausschließlich weiter verbreitet;

16. Weiterverbreitung: der Empfang und die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Übertragung von für die Allgemeinheit empfangbaren Fernsehprogrammen auf drahtlosem terrestrischen Wege oder von Hörfunk- oder Fernsehprogrammen in Kabelnetzen oder über Satellit. Als Weiterverbreitung gilt auch die Übertragung eines Rahmenprogramms, sofern die Dauer der darin eingefügten Fensterprogramme den Zeitraum von insgesamt 120 Minuten täglich nicht überschreitet …

20. Kabelinformationsprogramm: ein Kabelrundfunkprogramm, das ausschließlich aus eigengestalteten Beiträgen eines Kabelnetzbetreibers besteht und seinem Inhalt nach überwiegend auf Sachinformationen (wie örtliche Veranstaltungshinweise, Wettervorhersagen, Straßenverkehrsberichte usw.) beschränkt ist;

21. Teletext: Darbietungen zur Information mittels schriftlicher und grafischer Zeichen und Symbole sowie mittels Standbildern, die als Service für die Empfänger auf einem eigenen Kanal oder in der Austastlücke eines Fernsehsignals angeboten werden;

Auskunfts-, Aufzeichnungspflichten

§ 47. (1) Die Rundfunkveranstalter haben auf ihre Kosten von allen ihren Sendungen Aufzeichnungen herzustellen und mindestens zehn Wochen lang aufzubewahren. Über Verlangen haben sie der Regulierungsbehörde die gewünschten Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. … Ist wegen einer Sendung ein Verfahren vor der Regulierungsbehörde anhängig, so besteht die Aufbewahrungspflicht bezüglich dieser Sendung bis zum Abschluss des Verfahrens.

…"

2. Die Beschwerde macht vor allem geltend, die gegenständliche "Informationsausstrahlung" sei keine Sendung im Sinne des § 47 Abs 1 PrTV-G gewesen, weil eine solche einen "gewissen Mindestinhalt - auch in kreativer und intellektueller Hinsicht - aufweisen" müsse. Die bloße Ausstrahlung eines "statisch" und unverändert bleibenden "Teletextes" mit Standbildern in gewissen periodischen Abständen ohne jeden sonstigen visuellen oder akustischen Inhalt könne wohl keine "Sendung" sein. § 47 leg cit lege nur Rundfunkveranstaltern eine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht auf, welche wiederum nur für Rundfunkveranstaltungen im Sinne des Gesetzes gelte. Schon eine grammatikalische und vernünftige Interpretation zeige, dass weder die Beschwerdeführerin als Rundfunkveranstalterin, noch die in Rede stehende "Informationsausstrahlung" als Rundfunkveranstaltung einzustufen sei. Der Informationsgehalt der strittigen Darbietung sei so gering und die darin zum Ausdruck kommende redaktionelle Gestaltung der Beiträge so minimal, dass nicht mehr von einem Rundfunkprogramm bzw einem Kabelinformationsprogramm im Sinne des PrTV-G gesprochen werden könne. Das PrTV-G nehme im Übrigen die bloße Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen ausdrücklich von der Legaldefinition des Rundfunkveranstalters aus. Die Beschwerdeführerin sei der Auffassung, dass in ihrem Fall § 2 Z 16 PrTV-G (zumindest im Wege eines Größenschlusses) anzuwenden sei, weil auf dem in Rede stehenden Kanal überwiegend nur die Rundfunksendungen von U TV weiterverbreitet würden und nur in der freien Sendezeit eine Aussendung der in Rede stehenden grafisch-bildmäßigen Informationen erfolge. Dabei werde nicht übersehen, dass "rein theoretisch" die Gesamtsendezeit der Informationsfenster mehr als 120 Minuten pro Tag betrage. Wenn aber sogar "echte Fernsehbeiträge", soweit sich diese im Rahmen des § 2 Z 16 leg cit bewegten, nicht als Rundfunkveranstaltungen gelten würden, so müsse dies nach dem Größenschluss umso mehr für eine immer wiederkehrende Abfolge von Stehbildern mit Teletexten, wie sie im gegenständlichen Fall vorliege, gelten. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin in der Berufung diesbezüglich sehr wohl ein konkretes Vorbringen erstattet.

Abschließend bringt die Beschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 47 Abs 1 erster Satz PrTV-G vor und regt an, der Verwaltungsgerichtshof möge einen diesbezüglichen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen.

3. Nach § 47 Abs 1 PrTV-G trifft den Rundfunkveranstalter die Verpflichtung, von allen seinen Sendungen Aufzeichnungen herzustellen, diese für eine näher umschriebene Zeit aufzubewahren und der Regulierungsbehörde auf Verlangen zur Verfügung zu stellen. Eine nähere Umschreibung des Sendungsbegriffs enthielt das PrTV-G in der hier maßgeblichen Fassung nicht. Dem Zweck nach soll die gegenständliche Bestimmung - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - eine effektive Rechtskontrolle und Rechtsdurchsetzung gewährleisten (vgl RV 635 BlgNR 21. GP zu § 47 PrTV-G mit Verweis auf die Vorgängerbestimmung des § 30 Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz, BGBl I Nr 42/1997; dazu wiederum RV 500 BlgNR 20. GP, 26). Die gegenständliche Vorschrift dient somit dem Ziel, der Regulierungsbehörde im Rahmen der ihr übertragenen Kontrollfunktion eine Überprüfung des vom Rundfunkveranstalter tatsächlich gesendeten Programms zu ermöglichen. Unter diesem Blickwinkel ist der belangten Behörde - entgegen den Beschwerdeausführungen - zuzustimmen, dass die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht das ausgestrahlte Programm (im weitesten Sinne) umfasst, und zwar unabhängig davon, welches Ausmaß an redaktioneller Arbeit, Kreativität und Intellektualität für dessen Erstellung erforderlich und wie umfangreich der Informationsgehalt der Darbietung war.

Wenn die Beschwerdeführerin in Zweifel zieht, als Rundfunkveranstalterin eingestuft werden zu können, ist ihr entgegen zu halten, dass sie - unstrittig - nicht bloß eine unveränderte Weiterverbreitung eines Fernsehprogramms iSd § 2 Z 16 PrTV-G vornahm, sondern sie eine sich in regelmäßigen Abständen veränderte eigene Rundfunkveranstaltung schuf, zusammenstellte und verbreitete (vgl dazu die Begriffsdefinition des Rundfunkveranstalters in § 2 Z 1 PrTV-G). Auch ihr Hinweis auf die in § 2 Z 16 zweiter Satz PrTV-G genannten Tatbestandsmerkmale ändert daran schon deshalb nichts, weil sie selbst zugibt, die dort aufgestellten Voraussetzungen nicht zu erfüllen. Ob das gegenständliche Programm - wie die belangte Behörde annimmt und die Beschwerdeführerin bestreitet - als Kabelinformationsprogramm anzusehen ist, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.

4. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die gegen den angefochtenen Bescheid an ihn erhobene (Parallel-)Beschwerde mit Beschluss vom 16. Juni 2009,

B 512/09-5, abgelehnt hat. Unter Bezugnahme auf die oben zitierten Gesetzesmaterialien führte er aus, es sei "verfassungsrechtlich nicht bedenklich, wenn jede Art von Rundfunkveranstaltung einer Aufzeichnungsverpflichtung unterworfen" werde. Aus diesen Gründen wird der Anregung zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht näher getreten.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 25. Jänner 2012

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