VwGH 2010/21/0146

VwGH2010/21/014626.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Jänner 2010, Zl. UVS-03/F/55/9402/2008-7, betreffend Bestrafung wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z3;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z3;
FrPolG 2005 §31 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Oktober 2008 wurde dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Angola, zur Last gelegt, er habe sich als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder von 10. Jänner 2005 bis 28. Dezember 2007 an einer näher genannten Anschrift nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil er weder über einen Einreise- oder Aufenthaltstitel noch über eine sonstige - näher umschriebene - Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Er habe dadurch § 31 Abs. 1 Z 1 bis 4 iVm § 120 Abs. 1 Z 2 FPG verletzt und werde deshalb gemäß § 120 Abs. 1 Z 2 FPG zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) verurteilt.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 18. Jänner 2010 insoweit Folge, als der Beginn des Tatzeitraums mit 19. April 2005 angesetzt wurde; außerdem sprach die belangte Behörde aus, dass das FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 157/2005 zur Anwendung komme. Schließlich reduzierte sie die verhängte Strafe auf EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage und zwölf Stunden).

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Mai 1999 in Österreich. Am 14. Oktober 2004 heiratete er eine österreichische Staatsbürgerin, mit der er mittlerweile zwei Kinder hat (geboren am 3. September 2004 und am 28. Februar 2008). Auch diese Kinder sind - kraft Abstammung - österreichische Staatsbürger.

Ein Asylantrag des Beschwerdeführers war vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 30. August 1999 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung zog der Beschwerdeführer - erkennbar im Hinblick auf das mittlerweile anhängige Niederlassungsverfahren - im April 2005 zurück.

Angesichts der privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich stellte die Bundespolizeidirektion Wien das gegen den Beschwerdeführer geführte Ausweisungsverfahren mit Aktenvermerk vom 7. Oktober 2008 ein.

Demgegenüber gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass - bezogen auf den hier zu beurteilenden Tatzeitraum - eine Ausweisung des Beschwerdeführers auch unter Bedachtnahme auf § 66 FPG zulässig wäre. Diese Auffassung wird der konkreten Situation des Beschwerdeführers nicht gerecht, weshalb der bekämpfte Bescheid schon deshalb keinen Bestand haben kann (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 6. November 1998, Zlen. 97/21/0085 und 98/21/0065, VwSlg. 15.002 A/1998, dessen Ausführungen auch für die geltende Rechtslage zutreffen). Im Detail muss darauf aber schon aus folgendem Grund nicht eingegangen werden:

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. (Z 2) die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Ein Strafbescheid ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verwirklicht wurde.

Im vorliegenden Fall legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, dass er sich zwischen dem 19. April 2005 und dem 28. Dezember 2007 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Als maßgebliche Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z 2 VStG wurde (insbesondere) § 120 Abs. 1 Z 2 FPG herangezogen. Diese Vorschrift ist freilich erst am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten, weshalb sich eine Bezugnahme darauf auch für einen im Jahr 2005 liegenden Tatzeitraum von vornherein als verfehlt erweist. Insoweit wäre vielmehr § 107 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 als verletzte Verwaltungsvorschrift in Betracht gekommen. Indem sich die belangte Behörde demgegenüber - durch die insoweit erfolgte Bestätigung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses -

auf die Nennung von Bestimmungen des FPG (insbesondere des § 120 Abs. 1 Z 2 FPG) beschränkte, hat sie dem Beschwerdeführer die Verletzung von Rechtsvorschriften angelastet, die nicht bezüglich des gesamten inkriminierten Tatzeitraumes in Kraft gestanden sind. Schon das belastet den angefochtenen Bescheid nach dem Vorgesagten mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er - ohne dass es auf weitere Gesichtspunkte oder auf die Ausführungen in der erhobenen Beschwerde noch ankäme - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. zum Ganzen, einen ähnlich gelagerten Fall betreffend (der dort angenommene Tatzeitraum begann im Geltungsbereich des Fremdengesetzes aus 1992 und reichte in den Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997) das Erkenntnis vom 24. Jänner 2002, Zl. 2000/21/0195).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Jänner 2012

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