VwGH 2010/06/0142

VwGH2010/06/014215.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des H M in S, vertreten durch Mag. Herbert Juri und Mag. Thomas Schuster, Rechtsanwälte in 9400 Wolfsberg, Bambergerstraße 5/DG, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 10. Mai 2010, Zl. 7-B-BRM- 1202/2/2010, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
BauO Krnt 1996 §6 lita;
B-VG Art139 Abs1;
GdPlanungsG Krnt 1995 §23 Abs4;
GdPlanungsG Krnt 1995 §23;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwRallg;
AVG §13a;
BauO Krnt 1996 §6 lita;
B-VG Art139 Abs1;
GdPlanungsG Krnt 1995 §23 Abs4;
GdPlanungsG Krnt 1995 §23;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 10. August 2009 die Anträge des Beschwerdeführers vom 8. Oktober 2007 und vom 20. Jänner 2009 auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Eigentumswohnanlage mit 29 Wohneinheiten auf den Grundstücken Nr. 863/3 und 865/2, beide KG S., gemäß § 15 Abs. 1 Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996) ab. Dies wurde damit begründet, dass mit der Verordnung des Gemeinderates vom 2. Oktober 2008 u.a. für die Baugrundstücke eine befristete Bausperre verfügt worden sei. Eine Bebauung sei gemäß § 23 Abs. 4 Kärntner GemeindeplanungsG 1995 (K-GplG 1995) während der Bausperre nur für Gebäude zulässig, die dem Fremdenverkehr dienten.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 12. November 2009 als unbegründet ab.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid gleichfalls als unbegründet ab. Auch die belangte Behörde verwies auf die Bausperren-Verordnung vom 2. Oktober 2008. Dem örtlichen Entwicklungskonzept (OEK) vom 2. Oktober 2008, das die Grundlage für die gegenständliche Verordnung gebildet habe, sei zu entnehmen, dass die Widmung der Baugrundstücke von "Bauland-Kurgebiet" in "Bauland-Kurgebiet rein" geändert werden solle. In dieser Widmungskategorie sei gemäß § 3 Abs. 6 letzter Satz K-GplG 1995 die Errichtung von Wohngebäuden samt dazugehörigen sonstigen baulichen Anlagen nicht zulässig. Gegenstand des vorliegenden Bauansuchens sei eine Eigentumswohnanlage mit 29 Eigentumswohnungen. Die Erteilung der Baubewilligung für das verfahrensgegenständliche Projekt würde gemäß § 23 Abs. 4 K-GplG 1995 den im OEK dokumentierten Planungsabsichten zuwiderlaufen und daher sei die Erteilung der beantragten Baubewilligung gemäß dieser Bestimmung nicht zulässig.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Auch die mitbeteiligte Partei hat - rechtsanwaltschaftlich nicht vertreten - eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 23 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 4 Kärntner GemeindeplanungsG 1995 - K- GplG 1995, LGBl. Nr. 23, sieht Folgendes vor:

"§ 23

Befristete Bausperre

(1) Der Gemeinderat hat mit Verordnung vor der Erlassung oder Änderung eines textlichen Bebauungsplanes (§ 24 Abs 2) für das gesamte Gemeindegebiet, vor der Erlassung oder Änderung eines Teilbebauungsplanes (§ 24 Abs 3) für die davon betroffenen Teile desselben eine befristete Bausperre zu verfügen, wenn sonst die Durchführung der Bebauungsplanung wesentlich erschwert oder die beabsichtigte Wirkung des Bebauungsplanes beeinträchtigt würde.

(1a) Der Gemeinderat darf nach der Erstellung oder Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes für einzelne Teile des Gemeindegebietes mit Verordnung eine befristete Bausperre verfügen, wenn dies unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten in den davon betroffenen Teilen des Gemeindegebietes erforderlich ist, um die Umsetzung der im örtlichen Entwicklungskonzept enthaltenen Planungsabsichten der Gemeinde durch eine entsprechende Änderung des Flächenwidmungsplanes sicherzustellen.

(4) Während der Geltung der befristeten Bausperre dürfen Baubewilligungen nach § 6 lit a der Kärntner Bauordnung 1996 nicht erteilt werden, wenn dadurch die Umsetzung konkreter Planungsabsichten der Gemeinde im Rahmen der Bebauungs- oder Flächenwidmungsplanung wesentlich erschwert oder ihre beabsichtigten Wirkungen wesentlich beeinträchtigt würden.

Der Beschwerdeführer stellt die Unzulässigkeit des Vorhabens auf Grund der Bausperre nicht in Frage; er macht aber insbesondere Bedenken gegen die verfahrensgegenständliche Bausperrenverordnung geltend. Die Anlage 2 (mit dem Text der Verordnung) zur Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom 2. Oktober 2008, betreffend unter Tagesordnungspunkt 3. den Beschluss über die angeführte Bausperrenverordnung, enthalte die konkreten, von der Bausperrenverordnung erfassten Grundstücke nicht. Die Verordnung, die auf Anlage 2 aufbaue, sei daher nicht in gesetzeskonformer Weise erlassen worden.

Die mitbeteiligte Gemeinde legte dazu die Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom 2. Oktober 2008 sowohl im Hinblick auf Punkt 2. der Tagesordnung (betreffend das OEK 2008) als auch Punkt 3. der Tagesordnung betreffend die verfahrensgegenständliche Bausperrenverordnung vor. Die mitbeteiligte Gemeinde führte weiters aus, dass der Ortsplaner Mag. C. K. bei dem Tagesordnungspunkt 3. anwesend gewesen sei und anhand von Planungsunterlagen des OEK die für eine Widmungsänderung vorgesehenen Grundstücke planlich dargestellt habe, auf denen mittels Widmungsänderung Vorrangflächen für den Tourismus geschaffen werden sollten. Auf der Grundlage dieser Ausführungen und Darstellungen des Ortsplaners habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die in Frage stehende befristete Bausperrenverordnung erlassen und seien in § 2 der kundgemachten Verordnung jene Grundstücke taxativ angeführt, die durch den Ortsplaner planlich dargestellt worden seien. Nach Ansicht der belangten Behörde würden Beschlüsse des Gemeinderates mit der Beschlussfassung rechtswirksam, die Niederschrift darüber habe keine konstitutive Wirkung. Der vorliegende Beschluss des Gemeinderates sei somit gültig zustande gekommen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates vom 2. Oktober 2008 betreffend den Tagesordnungspunkt 3. geht hervor, dass der Ortsplaner Mag. C.K. anwesend gewesen ist. Er hat danach auf die Zielsetzung im OEK, nämlich die Festsetzung von Vorranggebieten für den Fremdenverkehr, hingewiesen und darauf, dass im unmittelbaren Seebereich die Umwidmung von "Kurgebiet" in "Kurgebiet rein" in Erwägung gezogen werde. Um die Umsetzung dieser Zielsetzung sicherzustellen, wäre für dieses Gebiet eine befristete Bausperre zu erlassen.

Unmittelbar vor der Behandlung des Tagesordnungspunktes 3. wurde Tagesordnungspunkt 2. betreffend das neue Ortsentwicklungskonzept 2008 beschlossen. Der genannte Ortsplaner führte dazu - wie dies dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen ist - aus, dass das Ortsentwicklungskonzept 2008 vorsehe, im Ort Vorrangflächen für den Tourismus zu schaffen und so für den Bereich zwischen Promenade und Landesstraße sowie für Teilbereiche in X und in U die Widmungskategorie "Kurgebiet rein" zu verordnen. Nach dem Plan 02a des OEK 2008, auf den sich der Ortsplaner dabei berufen hat, wurde in dem an den See angrenzenden Bereich im Norden und im Westen "Vorrangstandort Tourismus" vorgesehen.

Der Vizebürgermeister leitete die Abstimmung über den Antrag auf Erlassung der genannten Bausperrenverordnung (TOP 3) damit ein, der Gemeinderat möge für die in der "vorliegenden Planunterlage" (gemeint nach dem Zusammenhang Plan 02a des OEK 2008) dargestellten Grundstücke eine befristete Bausperre anordnen. Es ging dabei im Zusammenhang mit dem zuvor Gesagten ohne Zweifel um jene Grundstücke, die nördlich und westlich des Sees mit einer strichlierten roten Linie in dem genannten Plan umfasst sind und teils zwischen Landesstraße und Promenade liegen. Aus der im Akt auch einliegenden Digitalen Katastralmappe zu S sind die einzelnen, mit ihren Nummern bezeichneten Grundstücke in diesem Bereich zwischen Landesstraße und Promenade auch zu entnehmen. Den Mitgliedern des Gemeinderates war somit auf Grund des unmittelbar vorher beschlossenen OEK 2008 und des genannten Planes 02a jener Bereich, der für Vorrangflächen für den Tourismus vorgesehen war und für den die beschlossene Bausperre gelten sollte, eindeutig bekannt. Die Beschlussfassung darüber hat daher die davon betroffenen Grundstücke erfasst, wobei sich aus den genannten Unterlagen eindeutig ergibt, dass die Baugrundstücke in diesem Bereich liegen. Dass die angewendete Bausperrenverordnung mit einer im vorliegenden Fall aufzugreifenden Gesetzwidrigkeit belastet wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof somit nicht erkennen.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass die mitbeteiligte Gemeinde dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 2007 hätte mitteilen müssen, dass für den Bereich seiner Baugrundstücke eine befristete Bausperre verhängt werde. Dadurch hätte der nunmehr eingetretene Schaden für den Beschwerdeführer (an Planungsaufwand für das beabsichtigte Projekt) hintangehalten werden können. Die Baubehörde sei somit ihrer Manuduktionspflicht nicht entsprechend nachgekommen und habe dem Beschwerdeführer in grob fahrlässiger Weise einen erheblichen Schaden verursacht.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Verwaltungsbehörden den Beteiligten gemäß § 13a AVG nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben haben, sie sind aber nicht verpflichtet, die Beteiligten in einer Angelegenheit in materiellrechtlicher Hinsicht zu beraten (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a Rz 6 und die dort angeführte hg. Judikatur) oder ihn betreffend die anzuwendenden Gesetze und Verordnungen zu informieren. Ein allfälliger einem Bauwerber im Zuge eines letztlich negativ entschiedenen Baubewilligungsverfahrens entstandener Schaden im Hinblick auf seinen dadurch entstandenen Aufwand ist nicht Gegenstand des betreffenden Baubewilligungsverfahrens, sondern kann allenfalls privatrechtlich vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Danach kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt. Das Vorbingen in der Beschwerde richtet sich primär gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperrenverordnung. Die Prüfung von Verordnungen auf ihre Gesetzmäßigkeit fällt gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Es wäre im Hinblick darauf eine mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof anzustreben gewesen (vgl. das Urteil des EGMR vom 14. Oktober 2010, Nr. 65631/01 im Fall Kugler gegen Österreich, Z. 50). Das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf Schadenersatz im Hinblick auf den für das Bauvorhaben getätigten Planungsaufwand ausgerichtet und fällt - wie erwähnt - nicht in den Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichtshofes.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. März 2012

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