VwGH 2010/06/0135

VwGH2010/06/013519.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des WS in G, vertreten durch MMag.Dr. Peter Pescoller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 3/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. April 2010, Zl. Ve1-8- 1/517-4, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. H-GmbH in G, 2. Gemeinde G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3 lita;
BauRallg;
B-VG Art139;
ROG Tir 2006 §43;
AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3 lita;
BauRallg;
B-VG Art139;
ROG Tir 2006 §43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 1. August 2008 beantragte die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Zu- und Umbau des bestehenden Hotels C. auf der neu gebildeten Gp. 215/2 KG G. im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Nach der Baubeschreibung in Zusammenschau mit den Einreichunterlagen soll der erdgeschoßige Zubau (des aus zwei getrennten Baukörpern gegliederten Gebäudekomplexes) beim östlichen Haus abgebrochen werden. Das Kellergeschoß soll erweitert, eine Tiefgarage sowie im Kellergeschoß neue bauliche Anlagen (wie Hallenbad, WC-Anlagen u. a.) errichtet und im Erdgeschoß die Lücke zwischen den beiden bestehenden Gebäuden geschlossen werden. Im Erdgeschoß, im ersten Obergeschoß und im zweiten Obergeschoß sind in beiden Gebäuden, im dritten Obergeschoß des westlichen Gebäudes näher beschriebene Umbaumaßnahmen vorgesehen.

Die Baubehörde erster Instanz holte das Gutachten des raumplanerischen Sachverständigen Dipl. Ing. B. vom 13. August 2008 sowie das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. F. vom 9. September 2008 zur Frage der widmungsgemäßen Eignung des Vorhabens entsprechend dem § 38 Abs. 3 lit. b TROG 2006 ein und ordnete eine Bauverhandlung am 14. August 2008 an, in der mehrere Nachbarn, darunter der Beschwerdeführer, Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte mit Bescheid vom 2. Oktober 2008 die baubehördliche Bewilligung nach Maßgabe der integrierende Bestandteile des Bescheides bildenden Plan- und Projektsunterlagen für das beantragte Bauvorhaben unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen und wies die Einwendungen der Nachbarn, soweit sie durch das Projekt zu erwartende Immissionen betrafen, als unbegründet ab; soweit sie die gebotene Ableitung von Niederschlags- und Fremdwässern sowie die Benützung fremder Grundstücke betrafen, verwies er sie auf den ordentlichen Rechtsweg. Die dagegen (u.a.) vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Oktober 2008 abgewiesen.

Mit Bescheid vom 30. April 2009 gab die belangte Behörde der Vorstellung (u.a.) des Beschwerdeführers Folge, behob den vorgenannten Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurück. In der Begründung legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, die gegenständlichen Grundstücke seien auf Grund des derzeit geltenden Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde als Wohngebiet ausgewiesen (wird näher ausgeführt). Die Baubehörden hätten sich zur Beurteilung der Zulässigkeit des gegenständlichen Bauvorhabens auf § 38 Abs. 3 TROG 2006 gestützt. Diese Bestimmung gewährleiste grundsätzlich, dass im Widmungszeitpunkt bereits rechtmäßig bestehende Betriebe in gewissem Umfang erweitert werden dürften. Solche Standorte sollten sohin nicht gänzlich in ihrer baulichen Entwicklung behindert werden. Um Baumaßnahmen genehmigen zu können, sei neben dem Bestehen eines rechtmäßigen Betriebes das Vorliegen dreier weiterer Voraussetzungen notwendig. Neben der Begrenzung des Ausmaßes einer zulässigen Erweiterung der Baumasse mache das Tiroler Raumordnungsgesetz die Zulässigkeit von Vorhaben von einer nur geringfügigen Ausweitung der betrieblichen oder sonstigen Tätigkeit abhängig und normiere unabhängig von diesen Erweiterungsmöglichkeiten in Abs. 3 lit. b des § 38 TROG 2006 ein Verschlechterungsverbot. Als erste Zulässigkeitsvoraussetzung sei daher das Bestehen des rechtmäßigen Bestandes zum maßgebenden Zeitpunkt, nämlich des Inkrafttretens des geltenden Flächenwidmungsplanes 2006, zu prüfen. Auf Grund der vorgelegten und der nachgeforderten Bauakten, der darin enthaltenen Bewilligungen und Planunterlagen in Zusammenschau mit den nunmehr eingereichten Planunterlagen und dem darin ausgewiesenen Bestand sei es der belangten Behörde nicht möglich, zweifelsfrei festzustellen, was im Zeitpunkt der Widmung als Wohngebiet (Flächenwidmungsplan 2006) konsentierter Bestand (hinsichtlich des Baubestandes und der betrieblichen bzw. sonstigen Tätigkeit) gewesen sei. Dies sei jedoch zur gegenständlichen Beurteilung unabdingbar notwendig. Zur Frage des Ausmaßes der Geringfügigkeit sei auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 24. April 1997, Zl. 97/06/0002, zu verweisen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei § 38 Abs. 3 leg. cit. um eine Ausnahmebestimmung handle, die bestehenden, nicht der Widmung entsprechenden Betrieben unter bestimmten Voraussetzungen eine Erweiterung in einem Gebiet ermöglichen solle, in dem sie aus raumordnungsrechtlichen Gründen keinesfalls neu errichtet werden könnten, könne diese Bestimmung nicht extensiv ausgelegt werden. Die Wortfolge "nur geringfügige Erweiterungen" stelle einen unbestimmten Gesetzesbegriff dar, der einer Interpretation bedürfe. Es widerspreche schon dem allgemeinen Sprachgebrauch, bei einer Erweiterung von über 20 % von einer "geringfügigen Erweiterung" zu sprechen. Erweiterungen der betrieblichen Tätigkeit bei Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen seien insbesondere auch an der Vergrößerung der Bettenanzahl des Betriebes (Bettenkapazität) zu messen. Bei der Berechnung der Geringfügigkeit der betrieblichen Erweiterung seien sämtliche Erweiterungen zusammenschauend zu betrachten; sämtliche Erweiterungen seit dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes dürften in Summe die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten. Die Baubehörde werde sohin ihr Ermittlungsverfahren in dieser Hinsicht (Ermittlung des rechtmäßigen Bestandes zum Widmungszeitpunkt, Ausmaß der Erweiterungen) zu ergänzen und darauf aufbauend ihre neuerliche Entscheidung zu treffen haben.

In weiterer Folge führte die Baubehörde "Ermittlungen nach § 38 Abs. 3 lit. a TROG 2006" durch. Als Zusammenfassung dieser (undatierten) Ermittlungen stellten der zuständige Bauamtsleiter und der hochbautechnische Sachverständige Dipl. Ing. N. fest, dass zwischen den bei der BH (Gewerbebehörde) aufliegenden Planunterlagen und den Planunterlagen des Bauaktes der mitbeteiligten Gemeinde große Differenzen bestünden. Aus den Gewerbeakten errechne sich eine genehmigte Bettenanzahl im Jahre 2006 von 134 Betten, aus den Unterlagen des Bauaktes hingegen eine genehmigte Bettenanzahl im Jahre 2006 von 104 Betten. Warum unterschiedliche Planunterlagen vorhanden seien, vor allem beim Dachgeschoß des einen Hauses, sei für die Baubehörde unklar und nach den durchgeführten Recherchen auch nicht nachvollziehbar. Zur Feststellung der betrieblichen Erweiterung könnten aber von der Baubehörde nur die im Bauakt befindlichen Unterlagen und Planunterlagen herangezogen werden. Daraus ergebe sich, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesamtflächenwidmungsplanes 2006 104 baurechtlich genehmigte Betten vorhanden gewesen seien. Den nunmehr vorliegenden Einreichunterlagen sei eine Gesamtbettenaufstellung von 117 Betten zu entnehmen. Unter Zugrundelegung der Ausführungen der belangten Behörde, dass eine geringfügige Erweiterung auf jeden Fall unter 20 % liegen müsse, könne daher seitens der Baubehörde die betriebliche Erweiterung - Erhöhung der Bettenanzahl von 104 auf 117 Betten - als geringfügig beurteilt werden.

Zu diesem Ermittlungsergebnis wurde (u.a.) dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt. In der Stellungnahme vom 26. August 2009 brachte (u.a.) der Beschwerdeführer (zusammengefasst) vor, es gebe keine rechtmäßige Baubewilligung für die Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen, aber auch am Bestand mangle es an der Einhaltung der TBO; der Betrieb sei als Mehrfamilienwohnhaus genehmigt worden; die Bettenanzahl sei unklar; der gesetzliche Grenzabstand werde nicht eingehalten.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 21. Oktober 2009 die Berufung (u.a.) des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Zur Begründung führte er aus, der Gemeinderat habe in seinen Sitzungen vom 10. Juni 2008 und 22. Juli 2008 für das Baugrundstück die Änderung der Widmung von derzeit Wohngebiet in Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten gemäß § 43 Abs. 1 lit. b TROG 2006 beschlossen. Dieser Flächenwidmungsplanänderung habe die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 30. April 2009 die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt. Der Beschluss des Gemeinderates sei an der Amtstafel der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. September 2009 bis zum 5. Oktober 2009 kundgemacht worden. Die Widmung sei somit rechtskräftig.

In der rechtlichen Beurteilung führte der Gemeindevorstand aus, aus dem ergänzenden Ermittlungsverfahren ergebe sich, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes 2006 104 Betten bewilligt gewesen seien. Bei dem einen Gebäude habe es seither keine baurechtlichen Veränderungen und Erweiterungen der Betten gegeben, beim zweiten Haus sei laut Baubescheid vom 15. Februar 2007 das Erdgeschoß um zwölf Betten erweitert worden. Aus den nun vorliegenden Einreichunterlagen und Tektureinreichungen ergebe sich eine Gesamtbettenaufstellung von 117 Betten. Dies bedeute eine Veränderung von 13 Betten gegenüber der zum Zeitpunkt der Widmung rechtmäßig bestehenden Bettenanzahl und werde im Sinne des § 38 Abs. 3 lit. a TROG 2006 als geringfügig beurteilt. Durch die in der Zwischenzeit rechtskräftige Änderung der Flächenwidmung von Wohngebiet gemäß § 38 Abs. 1 TROG 2006 in Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten gemäß § 43 Abs. 1 lit. b leg. cit. ergebe sich für die Baubehörde eine neue Grundlage für die Beurteilung des Bauvorhabens. Nach der nun gültigen Sonderflächenwidmung dürften auf dem Baugrundstück 145 Hotelbetten errichtet werden. Eine nähere Prüfung des Bauvorhabens und Einhaltung des § 38 Abs. 3 leg. cit. erübrige sich, weil eine rechtskräftige zweckgebundene Sonderflächenwidmung im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. b TROG 2006 vorliege. Diese Widmungsgrundlage sei für die weitere Entscheidung der Baubehörde zweiter Instanz rechtsbindend. Es werde somit abschließend festgestellt, dass das zur Baubewilligung vorliegende Projekt "Zu- und Umbau Hotel C. … mit insgesamt 117 Hotelbetten" im Einklang mit der Widmung Sonderfläche Hotelbetrieb stehe und keine Abweisungsgründe aus Sicht der Baubehörde bestünden. Zum Vorbringen (u.a.) des Beschwerdeführers, die bestehende Hotelanlage halte nicht den gesetzlichen Grenzabstand ein, sei auszuführen, dass aus den für den Zu- und Umbau vorliegenden Einreichplänen und dem Lageplan nach § 23 TBO eindeutig hervorgehe, dass die neuen Baumaßnahmen den gesetzlichen Grenzabstand im Sinne des § 6 TBO 2001 einhielten. Der Bestand sei vom Vermesser nicht aufgenommen worden. Dies sei aus Sicht der Baubehörde auch nicht notwendig, weil hier keine neuen Baumaßnahmen beantragt worden seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung (u.a.) des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass für sie die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen Gemeindebescheides maßgebend sei. Im Falle der Kassation des Bescheides durch die Vorstellungsbehörde sei die Gemeindebehörde grundsätzlich an die in der aufhebenden Entscheidung geäußerte Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde gebunden. Dies gelte jedoch nicht im Falle zwischenzeitlicher Änderungen der Rechtslage. Diese Änderungen seien von der Baubehörde bei der Erlassung des Ersatzbescheides jedenfalls zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall sei die aufhebende Vorstellungsentscheidung vom 30. April 2009 auf Grundlage der vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Oktober 2008 anzuwendenden Rechtslage zu treffen gewesen. Zum damaligen Entscheidungszeitpunkt sei das gegenständliche Baugrundstück als Wohngebiet nach dem TROG 2006 ausgewiesen gewesen. Die beantragten Baumaßnahmen seien somit auf der Grundlage des § 38 Abs. 3 leg. cit. auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen gewesen. Da in dieser Hinsicht zum damaligen Zeitpunkt das Bauverfahren mangelhaft geblieben sei, habe die belangte Behörde im Sinne ihrer kassierenden Entscheidung vom 30. April 2009 durch Beauftragung zusätzlicher Ermittlungen abzusprechen gehabt.

In weiterer Folge habe sich aber die Rechtslage insofern maßgebend geändert, als der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde in seiner Sitzung vom 10. Juni 2008 und 22. Juli 2008 für das betreffende Baugrundstück die Änderung der Widmung von Wohngebieten in Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten gemäß § 43 Abs. 1 lit. b TROG 2006 beschlossen habe. Mit Bescheid der Landesregierung vom 30. April 2009 sei die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt worden. Mit Ablauf der Kundmachungsfrist sei die Änderung in Kraft getreten. Diese Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Rechtslage sei von der Berufungsbehörde ihrem neuerlichen Abspruch zugrunde zu legen gewesen und es habe damit keine Bindung mehr an die Aufhebungsgründe der Vorstellungsentscheidung bestanden. Aber auch die belangte Behörde selbst sei in ihrer weiteren Entscheidung an diese neue Rechtslage gebunden.

Gemäß § 25 Abs. 3 lit. a TBO 2001 seien Nachbarn berechtigt, die Nichteinhaltung der Festlegung eines Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei, geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienten. Ein Immissionsschutz könne demnach nur über die Festlegungen der Flächenwidmung eines Grundstückes geltend gemacht werden. Nach dem TROG 2006 gewährten jedoch (u.a.) nur Bestimmungen des § 38 und des § 40 einen Immissionsschutz. Keinen Immissionsschutz für die Nachbarn räumten hingegen, so auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Sonderflächenwidmungen nach § 43 TROG 2006 ein. Das gegenständliche Grundstück weise, wie dargestellt, eine Sonderflächenwidmung Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten auf. Dieser Umstand sei nunmehr auch von der belangten Behörde zwingend zu beachten. Ein Festhalten an den zu § 38 Abs. 3 TROG 2006 erfolgten Entscheidungsüberlegungen sei sohin nicht mehr zulässig, und sämtliches Vorbringen (u.a.) des Beschwerdeführers in dieser Hinsicht habe unter diesen Überlegungen daher unberücksichtigt bleiben müssen. Das zulässige Ausmaß der Bettenanzahl von 145 Betten werde durch die Baumaßnahmen jedenfalls nicht überschritten.

Auf Grund des ergänzenden Ermittlungsverfahrens habe sich ergeben, dass im Hause West der Bestand des dritten Obergeschoßes mit den genehmigten Plänen aus den Jahren 1977 (Baubescheid) bzw. 1979 (Änderungen genehmigender Kollaudierungsbescheid) übereinstimme. In der Folge sei daher ein entsprechender, den tatsächlichen Baubestand des dritten Obergeschoßes ausweisender Tekturplan nachgereicht worden. Diese Bauabänderungen seien durch deren nachträgliche Einbringung Teil des Bauantrages geworden, stehe es doch einem Bauwerber gemäß § 13 Abs. 8 AVG frei, den verfahrenseinleitenden Antrag in jeder Lage des Verfahrens zu ändern, sofern die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werde. Dieses Recht auf Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages sei auch im Berufungsverfahren gegeben.

Was die Verletzung des Parteiengehörs in Bezug auf diesen Abänderungsplan betreffe, sei auszuführen, dass auf Grund der Aktenlage mit näher genanntem Schreiben der Baubehörde (u.a.) dem Beschwerdeführer nachweislich Parteiengehör durch die Möglichkeit zur Akteneinsicht gewährt worden sei.

Was die Frage der genehmigten Nutzungszwecke an sich betreffe, müsse auf den Umfang der subjektiven-öffentlichen Mitspracherechte von Nachbarn im Baubewilligungsverfahren hingewiesen werden. Ein allenfalls im Hinblick auf § 25 Abs. 3 lit. a TBO 2001 als beachtlich denkbarer Einwand in Bezug auf einen nicht genehmigten Verwendungszweck könne gegenständlich nicht greifen, weil eine Sonderflächenwidmung verordnet sei, Festlegungen des Flächenwidmungsplanes nur insoweit Gegenstand eines Mitspracherechtes sein könnten, als damit ein Immissionsschutz verbunden sei, die tatsächliche Bauführung im Rahmen der Sonderflächenwidmung erfolge und Nachbarn eines Bauverfahrens grundsätzlich nicht schlechthin ein Recht auf Einhaltung der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes zustehe. Weitere allenfalls in diesem Zusammenhang denkbare nachbarrechtlich beachtliche Interessen, wie etwa Fragen des Brandschutzes, seien nicht thematisiert worden.

Eine angebliche Verletzung der gesetzlichen Abstandsbestimmungen durch die bestehende Hotelanlage werde zwar in der Vorstellung in den Raum gestellt, konkret werde eine tatsächlich bestehende derartige Verletzung hingegen nicht behauptet. Eine Verletzung von Abstandsvorschriften sei aber nicht zu erkennen (wird näher ausgeführt).

Eine Rechtsverletzung nachbarrechtlicher Schutzinteressen nach der TBO 2001 müsse daher aus den genannten Gründen ausgeschlossen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die Bauwerberin hat eine Stellungnahme erstattet, die mitbeteiligte Gemeinde hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, idF LGBl. Nr. 40/2009, und das Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, LGBl. Nr. 29, anzuwenden.

§ 25 TBO 2001 lautet (auszugsweise):

"§ 25

Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber und die Nachbarn.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

..."

§ 43 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006, LGBl. Nr. 27

(Wiederverlautbarung), lautet (auszugsweise):

"§ 43

Sonderflächen

(1) Als Sonderflächen können außer in den in diesem Gesetz besonders geregelten Fällen Grundflächen gewidmet werden, auf denen

b) aus besonderen raumordnungsfachlichen Gründen, insbesondere zur Vermeidung von Nutzungskonflikten oder wechselseitigen Beeinträchtigungen, nur Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen mit einem bestimmten Verwendungszweck errichtet werden dürfen.

(2) Bei der Widmung von Sonderflächen ist der jeweilige Verwendungszweck genau festzulegen. Auf Sonderflächen dürfen nur Gebäude und sonstige Anlagen, die dem festgelegten Verwendungszweck entsprechen, samt den dazugehörenden Nebengebäuden und Nebenanlagen errichtet werden. …

(3) Als Sonderflächen dürfen nur Grundflächen gewidmet werden, die sich aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit im Hinblick auf die Nutzungssicherheit sowie in gesundheitlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht für eine dem festgelegten Verwendungszweck entsprechende Bebauung eignen. …

…"

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, und viele andere). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.

Das gegenständliche Bauvorhaben betreffend den Zu- und Umbau eines Hotels soll auf einem Grundstück verwirklicht werden, das nunmehr (Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der letztinstanzlichen Baubehörde, das ist der Bescheid des Gemeindevorstandes vom 21. Oktober 2009) als Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten gewidmet ist.

Die Beschwerdeausführungen richten sich zunächst gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes im gegenständlichen Bereich von ehemals Wohngebiet in nunmehr Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten gemäß § 43 Abs. 1 lit. b TROG 2006. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, es liege diesbezüglich eine reine Anlassgesetzgebung (auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen des Eigentümers des Baugrundstückes zum Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde) vor. Da eindeutig auch eine Inselwidmung vorliege - das Hotel liege mitten im restlichen Wohngebiet -, würden die Anrainer und Nachbarn in ihren Rechten gröblichst beschnitten. Das sei rechtswidrig und es erleideten die Nachbarn und Anrainer durch Hotellärm, schlechte Wohnqualität, verminderte Grundstückspreise, erhöhten Verkehr, etc. einen erheblichen Nachteil. Die Nachbarschaftsrechte würden rechtswidrig aufs Gröbste geschmälert.

Aus Anlass des Beschwerdefalles hat der Verwaltungsgerichtshof den Verordnungsakt betreffend die Änderung des Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde eingeholt.

Nach Einsicht in den Verordnungsakt sind beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes entstanden.

Die mit Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde am 22. Juli 2008 getroffene Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Grundstücke 215/1, 215/2, 215/3, 240/2 und .407, alle KG G., von Wohngebiet in Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten gemäß § 43 Abs. 1 TROG 2006 steht mit § 36 Abs. 2 lit. a leg. cit. im Einklang.

Während des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens des Flächenwidmungsplanes wurde ein emissionstechnisches Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. F. vom 17. März 2009 zur Emissionsänderung durch die Erweiterung der Widmung für die bestehende Hotelanlage auf maximal 145 Betten eingeholt. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass durch die Umwidmung auf Sonderfläche Hotelanlage, was eine Erweiterung des bestehenden Hotelgebäudes auf maximal 145 Betten zulasse, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten keine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnqualität im betroffenen Gebiet durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen und Erschütterungen zu erwarten sei. Die Emissionen würden auf Grund des geltenden Gewerberechtes sowie des Standes der Bautechnik soweit wie möglich vermieden. Die belangte Behörde hat dazu im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren in nicht als unzutreffend zu erkennender Weise ausgeführt, den durch die geplanten Nutzungen bedingten Lärmimmissionen könne durch begleitende Maßnahmen in einer Weise begegnet werden, dass sich noch eine Verträglichkeit mit den umgebenden Nutzungen erzielen lasse.

Das Vorbringen, die Änderung des Flächenwidmungsplanes sei eine reine Anlassgesetzgebung, ist für sich genommen nicht geeignet, den Verwaltungsgerichtshof zu einer Anfechtung des Flächenwidmungsplanes beim Verfassungsgerichtshofes zu veranlassen, weil sich die Änderung eines Flächenwidmungsplanes nicht schon deshalb als gesetzwidrig erweist, weil der Gemeinde allenfalls erst angesichts bestimmter Bauansuchen die Notwendigkeit zur Änderung des Flächenwidmungsplanes bewusst wird (vgl. dazu etwa auch Hauer/Pallitsch, Kärntner Baurecht4 E 8 zu § 15 Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des besagten Flächenwidmungsplanes zu stellen.

Soweit der Beschwerdeführer sich gegen das (im aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Änderung des Flächenwidmungsplanes eingeholte) emissionstechnische Gutachten wendet und diesbezüglich Unschlüssigkeit bzw. Unrichtigkeit geltend macht und eine tatsächlich erfolgte Verschlechterung der Wohnqualität behauptet, ist ihm zu entgegnen, dass die verfahrensgegenständliche Flächenwidmung Sonderfläche Hotelbetrieb mit maximal 145 Betten nicht eine solche Flächenwidmung ist, die im Sinne des § 25 Abs. 3 lit. a TBO 2001 mit einem Immissionsschutz verbunden ist.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Dezember 2012

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