VwGH 2010/04/0104

VwGH2010/04/01042.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde des Ing. X in Y, vertreten durch Dr. Walter Heel und Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6 b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. Juli 2010, Zl. uvs-2009/11/3055-4, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend; mitbeteiligte Partei: Stadtwerke A GmbH in B, vertreten durch Dr. Eckart Söllner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §67h Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67h Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) vom 18. August 2009 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Bescheides vom 16. Juli 2009, mit dem der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Änderung der von ihr betriebenen gewerblichen Betriebsanlage (Biomassefernheizkraftwerk) erteilt wurde, gemäß § 42 Abs. 1 AVG iVm §§ 81 Abs. 1, 333 Abs. 1 und 356 Abs. 1 GewO 1994 zurückgewiesen.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Oktober 2009 wurde dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei Nachbar im gegenständlichen Betriebsanlagenverfahren. Vorliegend sei nur der Anschlag in der Gemeinde, nicht jedoch jener in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern erfolgt. Mangels ordnungsgemäßer doppelter Kundmachung gemäß § 42 Abs. 1 AVG habe somit keine Präklusionswirkung gegenüber dem Beschwerdeführer eintreten können, weshalb der Bescheid aufzuheben sei.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers vom 19. Oktober 2009 gegen den Änderungsgenehmigungsbescheid der BH vom 16. Juli 2009 gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 67h AVG als unzulässig zurück.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei von einer fehlerfreien doppelten Kundmachung gemäß § 42 Abs. 1 AVG auszugehen. Mangels erhobener Einwendungen bis zum Ende der mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer seine Parteistellung daher verloren. Durch die Entscheidung der belangten Behörde vom 2. Oktober 2009 sei - nach dem allein maßgeblichen Spruch - kein normativer Abspruch über die Parteistellung des Beschwerdeführers erfolgt. Eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung in Form eines Feststellungsbescheides sei unterblieben. Durch die bloße Zustellung des Änderungsgenehmigungsbescheides der BH vom 19. Oktober 2009 könne keine Parteistellung begründet werden, eine solche könne nur aus den in Betracht kommenden Rechtsvorschriften abgeleitet werden, nicht aus dem (unter Umständen auch rechtsirrigen) Verhalten der Behörde. Die Begründung des Bescheides vom 2. Oktober 2009 könne nicht aufrechterhalten werden, diese könne auch keinerlei Bindungswirkung für die nunmehr zu treffende Entscheidung entfalten.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Wortfolge "gemäß § 66 Abs. 4 in der Sache zu entscheiden hat" in § 67h Abs. 1 AVG stellt auf den Regelfall der Berufungsentscheidung ab, lässt dem unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsbehörde aber - wenn kein Widerspruch erhoben wird - alle Entscheidungsmöglichkeiten gemäß § 66 AVG offen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2007, Zl. 2006/04/0132).

Anhaltspunkte, dass im Beschwerdefall ein Widerspruch nach § 67h Abs. 1 AVG erfolgt wäre, liegen nicht vor.

2. Vielmehr hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. Oktober 2009 den erstinstanzlichen Bescheid der BH behoben und diese Entscheidung auf § 66 Abs. 4 AVG gestützt.

Diese Behebung hat die belangte Behörde tragend mit der Auffassung begründet, dass die Parteistellung des Beschwerdeführers als Nachbar nicht präkludiert sei und daher die von der Erstbehörde vorgenommene Zurückweisung seines Antrages auf Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Änderungsgenehmigungsbescheides rechtswidrig sei.

Insoweit kann die Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer betreffend die angesprochene Änderungsgenehmigung Parteistellung zukommt, aus der Begründung des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides vom 2. Oktober 2009 beantwortet werden. Aus diesem Grund wäre auch ein gesonderter Feststellungsbescheid zu dieser Frage unzulässig (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung, wonach die Erlassung eines Feststellungsbescheides dann unzulässig ist, wenn die den Gegenstand der Feststellung bildende Frage aus der Begründung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides beantwortet werden kann, das hg. Erkenntnis vom 16. September 2011, Zl. 2008/02/0242, mwN).

Somit ist dem Bescheid vom 2. Oktober 2009 die Feststellung zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer betreffend die angesprochene Änderungsgenehmigung Parteistellung zukommt und er nicht präkludiert ist.

An diese rechtskräftige Feststellung waren in der Folge sowohl die BH und auch die belangte Behörde gebunden.

3. Somit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 2. Februar 2012

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