VwGH 2010/01/0016

VwGH2010/01/001619.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der A K in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/I, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Jänner 2010, Zl. FA7C-11-592/2009-32, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992;
FremdenG 1997;
NAG 2005;
StbG 1985 §11a Abs1;
AufG 1992;
FremdenG 1997;
NAG 2005;
StbG 1985 §11a Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 2010, der Beschwerdeführerin zugestellt am 2. Februar 2010, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer bulgarischen Staatsangehörigen, vom 21. Oktober 2009 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 11 und 11a Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 135/2009 (StbG), ab.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltserlaubnis "selbst. Erwerb ohne Niederlassung" mit Gültigkeit von 27. Jänner 2003 bis 15. April 2003 und im Anschluss daran eine bis 16. Oktober 2003 befristete Verlängerung gewährt worden sei. Am 11. März 2004 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, nachdem sie am 27. Jänner 2004 einen österreichischen Staatsbürger geehelicht habe. Aufgrund dieses Antrags sei der Beschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit vom 26. März 2004 bis 25. März 2005 erteilt worden, die in der Folge jeweils fristgerecht verlängert worden sei.

Somit ergebe sich für die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 17. Oktober 2003 bis 10. März 2004 eine Unterbrechung des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet.

Zu der im Zuge des Verleihungsverfahrens vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin abgegebenen Stellungnahme, wonach seit dem Jahr 2001 aufgrund eines Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien Staatsangehörige der Vertragsstaaten auch ohne Visum sich 90 Tage innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Tag der ersten Einreise im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates aufhalten dürften und sich die Beschwerdeführerin nach diesem Abkommen zwischen dem 17. Oktober 2003 und dem 10. März 2004 legal in Österreich aufgehalten habe, verwies die belangte Behörde auf Artikel 3 dieses Abkommens, wonach das Abkommen keine Anwendung auf Personen finde, die sich länger als für den genannten Zeitraum im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollten oder die beabsichtigten, dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Beschwerdeführerin erfülle daher nicht die in § 11a Abs. 1 StbG normierte Voraussetzung des sechsjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 11a Abs. 1 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt;

2. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und 3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist.

Die belangte Behörde verneint die Erfüllung der Frist eines seit mindestens sechs Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 11a Abs.1 StbG, weil sich die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 17. Oktober 2003 bis 10. März 2004 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe.

2. Dagegen bringt die Beschwerde zusammengefasst vor:

a) Die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin im Verleihungsverfahren lediglich die Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthalts vorgehalten, nicht jedoch, dass auch die Voraussetzung des ununterbrochenen Aufenthalts nicht erfüllt sei ("nämlich im Sinne einer physischen Abwesenheit außerhalb des Bundesgebietes"); insofern sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt.

b) Die Anwendbarkeit der von der belangten Behörde herangezogenen Ausnahmebestimmung des Art. 3 des erwähnten Abkommens zwischen Österreich und Bulgarien auf die Beschwerdeführerin sei nicht nachvollziehbar, weil die belangte Behörde keine Feststellungen hinsichtlich eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin getroffen habe.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt.

Zu a): Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung - sowohl zu § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG als auch zu § 11a Abs. 1 (und 4) StbG - bereits klargestellt, dass nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/01/0003, und vom 15. März 2012, Zl. 2011/01/0211, jeweils mwN).

Dem angefochtenen Bescheid liegt - ebenso wie der aktenkundigen, an die Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 20. November 2009 gerichteten Aufforderung zur Stellungnahme - die Auffassung zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin das Erfordernis des durchgehenden legalen sechsjährigen Aufenthalts im dargelegten Sinn nicht erfülle.

Demgegenüber beruht das Beschwerdevorbringen erkennbar auf der Auffassung, dass mit dem Tatbestandsmerkmal des "ununterbrochenen" Aufenthalts das Erfordernis einer durchgehenden (sechsjährigen) tatsächlichen Anwesenheit der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gemeint sei und angenommen werde, dass dieses Erfordernis nicht erfüllt sei.

Die Annahme, dass die Beschwerdeführerin die Verleihungsvoraussetzungen infolge eines relevanten faktischen Aufenthalts außerhalb des Bundesgebietes (vgl. § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG, wonach die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts unterbrochen wird, wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v. H. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat), nicht erfülle, hat die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid nicht zugrunde gelegt, sodass die Beschwerdebehauptung einer diesbezüglichen Verletzung des Parteiengehörs ins Leere geht.

Zu b): Zum Erfordernis des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0316, ausgesprochen, dass für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (am 1. Jänner 2006) die Rechtmäßigkeit auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 und des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden kann.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 17. Oktober 2003 bis 10. März 2004 über keinen derartigen Aufenthaltstitel verfügt.

Strittig ist hingegen, ob sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im besagten Zeitraum aus dem "Abkommen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Bulgarien zur Änderung des Abkommens über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht", BGBl. III  Nr. 141/2001 (im Folgenden: "Abkommen"), ergibt.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Abkommens

lauten:

"Artikel 1

(1) Staatsangehörige der Vertragsstaaten, die ein in Artikel 4 angeführtes Reisedokument mit sich führen, dürfen ohne Visum des anderen Vertragsstaates durch dessen Hoheitsgebiet durchreisen oder in dessen Hoheitsgebiet einreisen und sich dort 90 Tage innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Tag der Einreise aufhalten.

(2) Die Fristen gemäß Absatz 1 werden für Staatsangehörige der Republik Bulgarien ab dem Tag der ersten Einreise in das Hoheitsgebiet eines Staates, der das Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen in Kraft gesetzt hat, gerechnet.

(3) …

Artikel 3

Artikel 1 findet keine Anwendung auf Personen, die sich länger als für den in diesem Artikel genannten Zeitraum im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen oder die beabsichtigen, dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

…"

Art. 1 des Abkommens gewährt bulgarischen Staatsangehörigen demnach die visumsfreie Durch-/Einreise durch/nach Österreich sowie ein mit längstens 90 Tagen - innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der ersten Einreise (nach Österreich bzw. in einen anderen Schengenstaat) - begrenztes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Diese Rechte werden den in Artikel 3 genannten Personen nicht gewährt.

Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe ihrer Annahme, die Beschwerdeführerin unterfalle der Bestimmung des Artikels 3, keine näheren Feststellungen über die Absicht der Beschwerdeführerin, in Österreich ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, zu Grunde gelegt, zeigt sie damit keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Nach den Beschwerdeausführungen (sowie nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten) hat die Beschwerdeführerin seit 1. Juli 2002 in Österreich (durchgehend) einen Wohnsitz begründet. Nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin weiters bereits mit Gültigkeitsbeginn vom 27. Jänner 2003 eine Aufenthaltserlaubnis "selbst. Erwerb ohne Niederlassung" erteilt. Allein aus diesen Umständen ist abzuleiten, dass (im Sinne des Art. 3 des Abkommens) der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich auf einen längeren Zeitraum als 90 Tage angelegt war und dass die Beschwerdeführerin auch beabsichtigte, in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Selbst wenn man im Übrigen - wie im Ergebnis die Beschwerde - die Anwendbarkeit des Art. 3 des Abkommens auf die Beschwerdeführerin verneinen wollte, ließe sich daraus für die Beschwerdeführerin insofern nichts gewinnen, als zum Einen aus den oberwähnten Umständen erhellt, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls mehr als sechs Monate vor dem 17. Oktober 2003 erstmalig nach Österreich eingereist ist, und zum Anderen der fragliche Zeitraum vom 17. Oktober 2003 bis 10. März 2004 auch die Dauer von 90 Tagen überschreitet. Aus diesen Gründen käme ein relevantes Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum nach Maßgabe des Art. 1 des Abkommens nicht in Betracht. Die Beschwerdeauffassung, wonach das in Art. 1 des Abkommens geregelte Aufenthaltsrecht jeweils für ein bestehendes Kalenderjahr gelte, sodass (für bulgarische Staatsangehörige) die Möglichkeit bestehe, sich innerhalb einer Frist von zwei Jahren insgesamt sechs Monate sichtvermerksfrei in Österreich aufzuhalten, findet im genannten Abkommen keine Grundlage.

3. Nach dem Gesagten begegnet daher die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei von 17. Oktober 2003 bis 10. März 2004 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen, sodass sie das Verleihungserfordernis des sechsjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts gemäß § 11a Abs.1 StbG nicht erfüllt habe, keinen Bedenken.

4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte