VwGH 2009/18/0513

VwGH2009/18/051310.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des X X in Wien, geboren am 1. September 1990, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Oktober 2009, Zl. E1/20.185/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §19 Abs2;
NAG 2005 §2 Abs1 Z11;
NAG 2005 §2 Abs1 Z12;
NAG 2005 §24 Abs1 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §24 Abs3 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §24 Abs4 idF 2005/I/157;
NAG 2005 §25;
NAG 2005 §48 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §19 Abs2;
NAG 2005 §2 Abs1 Z11;
NAG 2005 §2 Abs1 Z12;
NAG 2005 §24 Abs1 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §24 Abs3 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §24 Abs4 idF 2005/I/157;
NAG 2005 §25;
NAG 2005 §48 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Republik Korea, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit einer zunächst vom 17. Dezember 2003 bis 16. Juni 2004 gültigen Erstaufenthaltserlaubnis zum Zweck der Schulausbildung nach Österreich eingereist. Dieser Aufenthaltstitel sei bis 22. März 2007 verlängert worden. Am 5. April 2006 habe der Beschwerdeführer einen (Zweckänderungs)Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger gestellt. Die Mutter des Beschwerdeführers, die mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen sei, sei am 28. Juli 2006 verstorben. Da sich der Stiefvater um den Beschwerdeführer und dessen Bruder nicht habe kümmern können oder wollen, habe er beide Kinder der Verantwortung des Jugendamtes übergeben. Der (Zweckänderungs)Antrag sei von der Niederlassungsbehörde mit Bescheid vom 28. Februar 2007 zurückgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer der Aufforderung, diverse Nachweise zu erbringen, nicht nachgekommen sei.

Am 24. Jänner 2007 sei der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückgekehrt und am 9. Februar 2007 sichtvermerksfrei wieder nach Österreich eingereist. Vom 27. Februar 2007 bis 18. November 2007 habe er sich neuerlich in der Republik Korea aufgehalten und sei dann abermals nach Österreich zurückgekommen. Nach Ablauf der sichtvermerksfreien Aufenthaltsdauer sei er jedoch nicht wieder ausgereist, sondern halte sich unrechtmäßig in Österreich auf.

Es lägen daher die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG vor.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach auch § 66 FPG der Ausweisung nicht entgegenstehe.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Stammfassung, BGBl. I Nr. 100/2005, können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Die Beschwerde bekämpft die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, und macht geltend, dass das Verfahren über seinen am 5. April 2006 gestellten Zweckänderungsantrag (auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger) noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, weil die Zustellung des Zurückweisungsbescheides an seinen nicht vertretungsberechtigten Stiefvater erfolgt sei. Die Obsorge sei damals allein dem Jugendwohlfahrtsträger zugestanden.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Der gegenständliche Fall gleicht sowohl hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes als auch der maßgeblichen Rechtsfrage betreffend die Beurteilung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Verlängerungsantrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 11 iVm § 24 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2008/21/0249, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 NAG (BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009) ist der Antragsteller nach Stellung eines Verlängerungsantrages, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Die Zustellung des Bescheides vom 28. Februar 2007, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 5. April 2006 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zurückgewiesen wurde, erfolgte nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes am 7. März 2007 an den Stiefvater des Beschwerdeführers. Die Obsorge für den Beschwerdeführer wurde jedoch mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 22. August 2006 (rechtskräftig am 22. September 2006) dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen, sodass - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift einräumt - von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides nicht ausgegangen werden kann. Somit fehlt es an einer rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers, was den rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers über die im zuletzt erteilten Aufenthaltstitel genannte Frist hinaus verlängert.

Auch der kurzzeitige Aufenthalt des Beschwerdeführers in seiner Heimat ändert an der Rechtmäßigkeit seines weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet nichts, weil ihm bis zur Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag dieselbe Rechtsposition eingeräumt war, die er nach dem Inhalt des letzten Aufenthaltstitels innehatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2007/09/0002, mwN).

§ 24 Abs. 1 NAG stand daher der Annahme, der Beschwerdeführer halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, entgegen. Damit erweist sich eine auf § 53 Abs. 1 FPG gestützte Ausweisung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes als nicht zulässig.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf die Erstattung der Eingabengebühr abzielende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer infolge Gewährung von Verfahrenshilfe von der Entrichtung derselben befreit war.

Wien, am 10. Oktober 2012

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