VwGH 2009/16/0190

VwGH2009/16/019017.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Y in L, vertreten durch Dr. Gerald Waitz, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, Finanzstrafsenat Linz 10, vom 28. Oktober 2008, Zl. FSRV/0081- L/06, betreffend Bestrafung nach dem FinStrG, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §184 Abs1;
FinStrG §114;
FinStrG §115;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;
BAO §184 Abs1;
FinStrG §114;
FinStrG §115;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war unbeschränkt haftender Gesellschafter der Y. OEG, die mit Gesellschaftsvertrag vom 2. Oktober 1997 gegründet wurde und in der Folge einen Lebensmitteleinzelhandel betrieb. Am 11. April 2000 wurde die Y OEG in die Y. KEG umgewandelt.

Im Mai 2001 fand eine Prüfung der Aufzeichnungen der Y. KEG gem. § 151 BAO (betreffend u.a. die Umsatzsteuer und die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung des Zeitraums 1997 bis 1999) sowie eine Nachschau (betreffend u.a. die Umsatzsteuer des Zeitraums Dezember 2000 bis Februar 2001) statt. In seiner Niederschrift vom 29. Mai 2001 stellte der Prüfer zahlreiche Mängel in der Buchführung fest. So sei die Losungsermittlung indirekt durch Kassasturz erfolgt. Auf den Kassaberichten für die Ermittlung der Tageslosungen seien die Aufzeichnungen teilweise mit leicht entfernbaren Schreibmitteln ausgeführt gewesen. Es seien auch Eintragungen ausgelackt oder unleserlich gemacht worden. Sei laut Losungsermittlung mehr ausgegeben worden als als Kassastand aufgeschienen sei, sei auf den jeweiligen Belegen ein Darlehensbetrag ausgewiesen worden, um den Negativstand auszugleichen. Einer der beiden Darlehensgeber habe die Mittelherkunft in nicht unbeträchtlicher Höhe nicht nachweisen können. Die Kontrolle der innergemeinschaftlichen Erwerbe des Jahres 1999 habe überdies ergeben, dass die Summe in der Saldenbilanz nicht mit der Abfrage im Zentralcomputer (MIAS) übereingestimmt habe. Der Prüfer habe (unter Zugrundelegung eines gleich bleibenden Lagerbestandes) für 1997 einen negativen Rohaufschlag sowie für 1998 und 1999 Rohaufschläge 3 % und 5 % ermittelt. Der durchschnittliche Rohaufschlag eines Lebensmitteleinzelhandels liege aber bei 30 bis 45 %. Der Prüfer ermittelte die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer und die darauf aufbauende Gewinnfeststellung, indem er von den in der Buchhaltung vorgefundenen Einkäufen jene, die ausschließlich bei MIAS-Abfragen aufschienen, hinzurechnete, einen angenommenen Eigenverbrauch abzog und darauf einen Rohaufschlag von 30 % anwandte.

Im Jänner 2002 fand eine Umsatzsteuernachschau über den Zeitraum März bis November 2001 statt.

Am 18. Februar 2002 stellte die Y. KEG ihre Tätigkeit ein.

Am 11. Juni 2002 wurde eine weitere Umsatzsteuernachschau über den Zeitraum Dezember 2001 bis April 2002 durchgeführt.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2002 wies das Landesgericht Linz einen Konkursantrag mangels Vermögens der Y. KEG ab. Die Firma der Y. KEG wurde am 18. Februar 2003 amtswegig gelöscht.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, als Verantwortlicher der steuerlichen Belange der Y. KEG (vormals Y OEG) in den Jahren 1998 bis 2000 durch Abgabe von unrichtigen Steuererklärungen und Unterlassen von Voranmeldungen (für näher bestimmte Monate im Zeitraum von Juni 2000 bis Februar 2002) eine Abgabenhinterziehung und wegen Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2000 eine versuchten Abgabenhinterziehung begangen zu haben. Weiters wurde ihm zur Last gelegt, hinsichtlich der Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (für bestimmte Monate im Zeitraum von April 2000 bis Jänner 2001) eine Finanzordnungswidrigkeit begangen zu haben. Darüber hinaus wurde er als Abgabepflichtiger der vollendeten Abgabenhinterziehung (betreffend Einkommensteuer für 1997 und 1998) und der versuchten Abgabenhinterziehung (Einkommensteuer für 1999 und 2001) schuldig erkannt. Hinsichtlich der Einkommensteuer seines Mitgesellschafters M.C. wurde ihm das Vergehen der Beitragstäterschaft zur vollendeten

Abgabenhinterziehung (Einkommensteuer für 1997) und zur versuchten

Abgabenhinterziehung (Einkommensteuer für 1998) zur Last gelegt. Über den Beschwerdeführer wurde deswegen eine Geldstrafe von EUR 12.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe zwölf Tage) verhängt.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde nach Wiedergabe des Ganges des Finanzstrafverfahrens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften zunächst auf die vom Betriebsprüfer in seiner Niederschrift vom 29. Mai 2001 getroffenen Feststellungen zu den Mängeln in der Buchführung und die von diesem angewendete Schätzungsmethode. Die im Zuge der Betriebsprüfung errechneten Umsatzzuschätzungen seien als Basis zur Berechnung der Einkommensteuerverkürzungen herangezogen worden, wobei in den Jahren 1997 und 1998 vor Prüfungsbeginn bereits bescheidmäßige Festsetzungen auf Grund unrichtiger Jahreserklärungen erfolgt seien. Somit liege eine vollendete Abgabenhinterziehung vor (1997 umgerechnet EUR 116,27 und 1998 EUR 1.605,70).

Dem Berufungsvorbringen, der Verlustvortrag aus 1997 möge in den nachfolgenden Jahren angerechnet werden, sei zu entgegnen, dass sich nach den Feststellungen der Betriebsprüfung für das Jahr 1997 eben kein Verlust, sondern ein zu verteilender Gewinn in der Höhe von S 37.500,00 ergeben habe. Für 1999 und 2001 lägen keine Einkommensteuerfestsetzungen vor, weswegen vom Versuch einer Abgabenhinterziehung auszugehen sei (1999 EUR 1.882,52 und 2001 EUR 63,73).

Auf Grund der eingereichten Erklärungen des Mitgesellschafters M.C. seien für diesen für 1997 und 1998 Arbeitnehmerveranlagungen durchgeführt worden. Hinsichtlich der Nachforderungen nach der Betriebsprüfung bei der Y. KEG sei vollendete Abgabenhinterziehung anzunehmen, wobei der Beschwerdeführer den M.C. zur Abgabe unrichtiger Erklärungen bestimmt habe. Für 1999 sei vor Bekanntwerden der Prüfungsfeststellungen noch keine Jahresveranlagung vorgelegen, der Termin zur Einreichung einer Einkommensteuererklärung sei jedoch bereits verstrichen gewesen. Es liege daher ein Beitrag zu einer versuchten Abgabenhinterziehung vor.

Der Beschwerdeführer sei ab Gründung der Y. KEG als unbeschränkt haftender Gesellschafter verpflichtet gewesen, für die Einhaltung der steuerlichen Vorschriften, die fristgerechte Meldung und Entrichtung der Selbstberechnungsabgaben, die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung und die Einreichung richtiger Jahressteuererklärungen Sorge zu tragen. Hinsichtlich der verspäteten Weitergabe von Buchhaltungsunterlagen an die Steuerberatungskanzlei und die Unterlassung der fristgerechten Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben habe er sich im erstinstanzlichen Verfahren weitestgehend geständig verantwortet.

Zu den Feststellungen der Betriebsprüfung zu einer Schätzungsberechtigung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen bei Umsatzsteuer und Einkommensteuer sei auf die schlüssigen und glaubwürdigen Angaben des Betriebsprüfers H.A. zu verweisen, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat am 18. Oktober 2005 als Zeuge befragt worden sei und dem Protokoll auch seine Stellungnahme zur Berufung im Abgabenverfahren beigelegt habe.

Die höchsten Auffälligkeiten habe der Prüfer für 1999 festgestellt. Es seien lediglich Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner bis Juli eingereicht worden, welche vom zuständigen Referat als Basis für eine Jahresveranlagung im Schätzungsweg herangezogen worden seien. Der geschätzte Umsatz sei dabei mit S 2,149.057,33 angenommen worden, während aus der vorgelegten Saldenliste im Zuge der Prüfung ein Umsatz von S 3,624.022,26 ersichtlich gewesen sei. Aus den eingereichten Daten sei ein 10 %iger innergemeinschaftlicher Erwerb von S 462.244,65 angenommen worden, dem laut Saldenliste S 1.259.533,87, laut Buchhaltung S 1.469,088,64 und laut MIAS S 1.579.690,00 gegenüberstünden. Der Beschwerdeführer habe demnach der Abgabenbehörde nur einen äußerst geringen Anteil der erzielten Umsätze einbekannt und "eine viel zu niedrige Schätzung vornehmen" lassen. 1999 betrage die Differenz zwischen den innergemeinschaftlichen Erwerben laut Buchhaltung und der MIAS-Abfrage S 108.475,36. In den anderen Betriebsprüfungsjahren seien keine Differenzen festgestellt worden. Von den neun Lieferanten im Jahr 1999 schienen sechs Lieferanten auch in der Liste für das Jahr 2000 auf. Die größeren Lieferanten, M. GesmbH und C.M., hätten sowohl 1999 als auch 2000 Lieferungen vorgenommen, M. GesmbH schon ab 1998. Es erscheine somit als reine Schutzbehauptung, dass die UID-Nummer des Beschwerdeführers missbräuchlich verwendet worden sei, weil bei den kleineren Lieferanten kein Bezug in der fraglichen Größenordnung erfolgt sei, der Einwand erstmals im Strafverfahren vorgebracht, aber niemals hinsichtlich eines der beiden in Frage kommenden Lieferanten konkretisiert worden sei und keine entsprechenden Rechnungen zur Überprüfung dieses Einwandes in der Firma vorgelegen seien.

Im Zuge der im Jänner 2002 für März bis November 2001 durchgeführten Umsatzsteuernachschau seien gleich gelagerte Buchhaltungsmängel festzustellen gewesen. Es sei ein bisher nicht verbuchter innergemeinschaftlicher Erwerb in der Höhe von S 207.597,06 festgestellt worden, eine Aufbuchung des Belegwesens sei vor Prüfungsbeginn nicht erfolgt und Kassaminusstände seien erneut durch einen "Kredit eines Bruders" von S 10.000,00 am 22. November 2001 und "Kredit des B. G." von S 50.000,00 am 2. Oktober 2001 ausgeglichen worden. In diesen Zeiträumen schienen als Lieferanten die M. GesmbH und A.C. auf, wobei das Gros der Lieferungen von der M. GesmbH vorgenommen worden sei.

Der Umstand, dass in fünf Jahren innergemeinschaftliche Lieferungen von der M GesmbH bezogen worden und in den zwei nicht aufeinanderfolgenden Jahren 1999 und 2001 Differenzen (zwischen den diesbezüglichen innerbetrieblichen Aufzeichnungen und der MIAS-Abfrage) festzustellen seien, spreche ebenfalls gegen eine missbräuchliche Verwendung der UID-Nummer, da jemand, der widerrechtlich die UID-Nummer einer anderen Firma einsetze, sicherlich nicht ein Jahr Pause zwischen missbräuchlich bezogenen Lieferungen eingelegt hätte. Die "denkfolgerichtige Erklärungsmöglichkeit" liege demnach in der unvollständigen Erfassung der Lieferungen in der Buchhaltung der Y. KEG und der mangelhaften Aufzeichnung der Rechnungseingänge und der erzielten Umsätze.

In der Berufung gegen die Abgabenbescheide sei ein Lager im Wert von etwa S 600.000,00, in der mündlichen Verhandlung sogar von S 800.000,00 behauptet worden. Am 9. Juni 1999 sei eine weitere Betriebsstätte eröffnet worden, wodurch der Umsatz zwischen 1998 und 1999 sprunghaft angestiegen sei. Bei Auflösung des Betriebes sei jedoch "in der Aktenlage" von der Existenz eines Lagers nichts zu finden.

Aufgrund der vom Prüfer festgestellten zahlreichen Buchführungsmängeln (Losungsermittlungen durch Kassasturz trotz Registrierkasse, Führung der Kassaberichte mit leicht entfernbaren Schreibmitteln, Unleserlichmachen und Auslackieren von Eintragungen, unzureichende Belegung von Darlehenshingaben und unvollständige Erfassung von innergemeinschaftlichen Erwerben) sei eine Schätzungsberechtigung gegeben. Es könne kein Lagerbestand angenommen werden, weil sich im ersten Prüfungsjahr sogar ein negativer Rohaufschlag aus den vorgelegten Unterlagen ergeben habe. Der Wareneinkauf hätte sich demnach in einem weitaus höheren Maß als rund S 273.000,00 bewegen müssen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass ein Unternehmen, welches mit Gewinnerzielungsabsicht wirtschafte und das den Lebensunterhalt der Gesellschafter decken solle, mit dermaßen geringen Aufschlägen agiere, zumal aus den laufenden Einnahmen auch sämtliche Ausgaben zu tätigen seien. Laut Prüfungsbericht vom 11. Juni 2002 habe der steuerliche Vertreter dazu angegeben, dass der Betrieb aufgegeben und die Waren abverkauft worden seien. Zu etwaigen Entnahmen hätten aber die Belege gefehlt. Ob Ablösen vereinnahmt worden seien, entziehe sich seiner Kenntnis. Am 28. Februar 2002 seien Anlagen in der Höhe von EUR 3.960,00 brutto verkauft und der Erlös erfasst worden. Eine Rechnung gebe es dazu nicht. Auffällig sei der Prüferin gewesen, dass die letzte Tageslosung am 18. Februar 2002 ermittelt worden, der Kassastand bei Geschäftsabschluss bei EUR 4.028,44 gelegen und dieses Geld bis 28. Februar 2002 in der Kassa verblieben sei. An diesem Tag habe der Erlös aus dem Anlagenverkauf und die Bezahlung von Rechnungen zu einem weiteren abschließenden Kassabericht geführt. Die vorgelegten Berechnungen zu den Voranmeldungszeiträumen Jänner bis April 2002 seien als richtig befunden worden. In diesem Prüfungsbericht werde mit keinem Wort erwähnt, dass bei Geschäftsauflösung ein Warenlager bestanden habe. Der Abverkauf eines Warenlagers in der angegebenen Größenordnung von S 600.000,00 bis S 800.000,00 fände auch in den erklärten Umsätzen keinen erkennbaren Niederschlag.

Jahr

Umsatz

20%

10%

1999 laut Bp

4.541.000,00

454.100,00

4.086.900,00

2000 geschätzt im September 2002

7.200.000,00

850.000,00

6.350.000,00

2001 geschätzt an Hand der UVA Prüfungen

4.219.439,00

311.552,16

3.907.886,63

2002 geschätzt

EUR 48.010,00

EUR 4.336,90

EUR 43.673,11

Die gemeldeten und in den Prüfungsjahren im Zuge der Prüfungsfeststellungen errechneten Beträge lägen 2000 um EUR 8.857.06 (Gesamtzahllast) und 2001 um EUR 958,48 (Gesamtzahllast) niedriger. Daher sei eindeutig davon auszugehen, dass das Jahr 1999 das umsatzstärkste Jahr gewesen sei und keinerlei Glaubhaftmachung einer Lagerhaltung und eines Lagerabverkaufes in der genannten Größenordnung bei Beendigung der Tätigkeiten der Y. KEG gegeben sei.

Die mangelhafte Führung der Buchhaltung in Zusammenhang mit der ungewöhnlichen und unglaubhaften Gebarung bezüglich zinsenloser und rückzahlungsvereinbarungsfreier Darlehensgewährungen durch M.M. und B.B. in einer Größenordnung, die von diesen Personen nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen kaum erbracht werden könne, zur Abdeckung von Kassaminusständen und einem aus den Buchhaltungsunterlagen errechenbaren Rohaufschlag von unter einem Drittel des niedrigsten Rohaufschlages laut Brancheninformationssystem, habe die Abgabenbehörde zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt.

Diese Schätzung sei fundiert und könne unbedenklich auch für Zwecke des Strafverfahrens übernommen werden. Der Einwand, dass die UID-Nummer des Beschwerdeführers missbräuchlich verwendet worden sei, sei durch nichts belegt und als reine Schutzbehauptung zu sehen. Der Umstand, dass erst im Laufe des Strafverfahrens dieser Missbrauch vorgebracht worden sei und das Verhalten des steuerlichen Vertreters im Rahmen der Prüfung bei Vorlage der MIAS-Abfragen im Zusammenhang mit der Annahme von Schwarzeinkäufen als einzig erklärbare Ursache für die Buchhaltungslücken, lasse nur diesen Schluss zu.

Die Schätzung sei mit dem untersten Wert laut Brancheninformationssystem vorgenommen worden, die unkonkreten, bzw. aus der Aktenlage widerlegbaren Einwände gegen die Höhe der Schätzung seien nicht geeignet, eine Grundlage für ein Abgehen hinsichtlich einer Übernahme für die Zwecke des Strafverfahrens zu bieten.

Der Sachverhalt scheine hinreichend geklärt, sodass die Beweisanträge auf Erhebungen bei den Lieferanten und auf Feststellungen zu einer Lagerhaltung hätten abgewiesen werden können. Im Zuge der USt-Nachschau im Jahr 2002 habe nicht einmal der steuerliche Vertreter von einem Lagerabverkauf gesprochen. Es lägen auch keine Belege vor. Ein Lagerabverkauf in der genannten Größenordnung finde auch nicht in den vorgelegten Buchhaltungsunterlagen zur Erlösermittlung Deckung.

Die Einkommensteuerfestsetzungen basieren auf den Umsatzzuschätzungen. Mit dem erklärten Umsatz und Einkommen wäre der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten.

Aufgrund des mangelhaften Buchhaltungswesen und der in der mündlichen Verhandlung zur Schau gestellten gleichgültigen Einstellung des Beschwerdeführers zur Wahrnehmung steuerlicher Verpflichtungen sei es erwiesen, dass er die ihm zur Last gelegten Abgabenverkürzungen vorsätzlich bewirkt habe, weil er um die gesetzlichen Termine zur Meldung und Entrichtung von Selbstberechnungsabgaben gewusst habe. Es ist ihm daher Wissentlichkeit hinsichtlich der bewirkten Abgabenverkürzungen anzulasten. Es verbleibe ein strafbestimmmender Wertbetrag nach § 33 FinStrG von EUR 37.315,71 und nach § 49 FinStrG von EUR 781,56. Das teilweise Geständnis, die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, und die teilweise Schadensgutmachung seien als mildernd, die Vorstrafe, der rasche Rückfall sowie die Wiederholung der strafbaren Handlungen über einen längeren Zeitraum seien als erschwerend anzusehen. Bei der Strafmessung seien die wirtschaftlich angespannte Lage des Beschwerdeführers (Schuldenregulierungsverfahren) und die Sorgepflichten für eine berufstätige Gattin und vier Kinder berücksichtigt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich u.a. in seinem Recht, nicht wegen des Finanzvergehens der teils versuchten, teils vollendeten Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 FinStrG und der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bekämpft im Wesentlichen die im Schätzungswege erfolgte Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrags, wobei sie die Berechtigung zur Schätzung nicht in Zweifel zieht. Sie bringt zusammengefasst vor, die belangte Behörde habe das Bestehen eines Warenlagers nicht in die Schätzung (der Bemessungsgrundlagen von Umsatzsteuer und Einkommensteuer) einbezogen, habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die UID-Nummer der Y. KEG von Dritten missbräuchlich verwendet worden sei und habe der Schätzung des Umsatzes einen zu hohen Rohaufschlag zugrunde gelegt.

Die Schätzung der beeinträchtigten Abgaben kann eine durchaus tragfähige Grundlage für die Entscheidung in Finanzstrafsachen bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, 2002/16/0060, mwN). Die Finanzstrafbehörde trägt jedoch - anders als im Abgabenverfahren - die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung, sodass eine Abgabenhinterziehung nur dann angenommen werden kann, wenn sich auf Grund entsprechender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sagen lässt, dass seine Verantwortung nach menschlichem Ermessen nicht richtig sein kann. Die Tatsache, dass Geschäftsvorgänge nicht in die Buchhaltung aufgenommen wurden oder Mängel der Aufzeichnungen festzustellen waren, reicht für sich allein noch nicht, um einen Verkürzungsvorsatz anzunehmen, weil es vielmehr der Feststellung bedarf, welche finanzstrafrechtlich zu verantwortenden Vorgänge zu den festgestellten Abgabenverkürzungen geführt haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2004, 2003/13/0171, mwN).

Im Finanzstrafverfahren trifft die Finanzstrafbehörde die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung in dem Sinn, dass der geschätzte Betrag mit der Wirklichkeit solcherart übereinstimmt, dass die Verantwortung der Beschuldigten (auch hinsichtlich der Höhe der Verkürzung) so unwahrscheinlich ist, dass sie nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, 93/15/0194).

Im Beschwerdefall stützt sich die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Ergebnisse von Schätzungen durch eine Betriebsprüfung und drei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, welche insgesamt die Umsatzsteuer des Zeitraums 1. Jänner 1998 bis Februar 2002 umfassten. Aus den Gewinnfeststellungen des Betriebsprüfers zog die belangte Behörde Schlüsse hinsichtlich der Verkürzung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers und seines Mitgesellschafters M.C. für die Jahre 1997 bis 1999. Für 2001 gab es keine Gewinnfeststellungen durch die Betriebsprüfung. Wie der strafbestimmende Wertbetrag hinsichtlich der Einkommensteuer des Beschwerdeführers des Jahres 2001 ermittelt wurde, legt der angefochtene Bescheid hingegen nicht offen und ist insofern nicht nachvollziehbar.

Darüber hinaus beschränkt sich der angefochtene Bescheid im Wesentlichen darauf, auf die Berichte der Betriebsprüfung und Umsatzsteuer-Nachschauen zu verweisen, ohne diese Berichte in einer Form wiederzugeben, die eine nachprüfende Kontrolle ermöglichen würde. Dazu kommt, dass die belangte Behörde sich nicht in ausreichendem Maße mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Finanzstrafverfahren auseinandergesetzt hat. Dies betrifft vor allem die Anwendung des Durchschnittsrohaufschlages von 30 %. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, aufgrund der Besonderheiten seines Lebensmittelgeschäfts lediglich mit einem Rohaufschlag von 20 % kalkuliert zu haben. Dazu hat er auch auf eine Auskunft seiner Hausbank verwiesen, wonach der "Durchschnittsaufschlag" im Lebensmittelhandel bei 22 % liege. Denkbar ist aber, dass ein Lebensmittelgeschäft von der Struktur des gegenständlichen aufgrund der Besonderheiten seines Warenangebotes, der Kundenstruktur, der Öffnungszeiten und der häufigen Beschäftigung von Familienmitgliedern in der Regel eine andere Kalkulation aufweisen wird, als andere Betriebe des Lebensmitteleinzelhandels. Der bloße Hinweis der belangten Behörde, es sei vom Prüfer ohnehin der unterste Wert laut "Brancheninformationssystem" (gemeint offenbar: der Finanzverwaltung) gewählt worden, kann in diesem Zusammenhang nicht als ausreichend angesehen werden, zumal die belangte Behörde nicht offen legt, auf welche Art und Weise und mit welchem Datenmaterial diese vom Betriebsprüfer verwendeten Durchschnittswerte der Finanzverwaltung ermittelt wurden und inwiefern dabei auch regionale und betriebsspezifische Unterschiede Berücksichtigung gefunden haben.

Die belangte Behörde hat auch unter Hinweis auf den Bericht des Prüfers die Feststellung getroffen, dass kein Warenlager vorhanden gewesen ist. Abgesehen davon, dass dem Prüfbericht (Aktenseite 22) zu entnehmen ist, dass der Prüfer durchaus von einem Lager ausgegangen ist, aber angenommen hat, dass "die Lagerbestände in den einzelnen Prüfungsjahren ziemlich gleich hoch" gewesen sind, erscheint die Feststellung der belangten Behörde auch bedenklich. Ein Lebensmitteleinzelhandel wird nämlich regelmäßig über einen Stock an Waren, die er den Kunden zum Verkauf anbietet, verfügen. Dessen Größe richtet sich u.a. nach der Art der angebotenen Lebensmittel, aber auch nach der Größe der Verkaufsflächen. Diesbezüglich hat die belangte Behörde aber keine Feststellungen getroffen. Wenn aber nun, wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgebracht hat, die Y. KEG ihren Einzelhandel im November 1997 mit einer Verkaufsfläche von 25 m2 begonnen und diese nach einem Standortwechsel auf 200 m2 erweitert hat, dann erscheint weder die Annahme, es sei überhaupt kein Warenlager vorhanden gewesen, noch jene, es habe sich in jedem Jahr in derselben Größenordnung bewegt, plausibel. Dazu kommt, dass im Beschwerdefall die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 erfolgte, sodass den Kosten für die Anschaffung der Waren für November und Dezember 1997 (und der Anlagegüter) durchaus nur verhältnismäßig geringe Erlöse gegenüber stehen können, was wiederum Auswirkungen auf den ermittelten Rohaufschlag haben wird. Auch wenn der Beschwerdeführer keine ausreichenden Angaben über den Verbleib der Waren nach der Geschäftsauflösung gemacht haben sollte, so entbindet das die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, entsprechende Feststellungen zu treffen.

Die belangte Behörde hat auch - wieder unter Verweis auf Prüferfeststellungen - "Schwarzeinkäufe" in der Höhe der Differenzen zwischen Abfragen im MwSt-Informationsaustauschsystem (MIAS) und den innerbetrieblichen Aufzeichnungen im Ausmaß von S 108.475,36 festgestellt und ihren Schätzungen zugrunde gelegt. Der Beschwerdeführer hat zwar unstrittig erst im Finanzstrafverfahren diese Differenz mit einer missbräuchliche Verwendung seiner UID-Nummer durch einen Dritten erklärt und entsprechende Beweisanträge gestellt, dies hat die belangte Behörde aber nicht bereits davon entbunden, diesen Beweisanträgen zu entsprechen oder auf andere Art und Weise Ermittlungen anzustellen. Der Umstand, dass es sich bei diesen "Differenzfällen" in der Regel um Lieferanten, die ansonsten schon im Rechenwerk der Y. KEG aufgeschienen sind, gehandelt hat, vermag ebenso wenig wie der Umstand, dass die Differenzen nicht aufeinander folgende Jahre betreffen, mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu begründen, dass es sich dabei um Einkäufe aus anderen Mitgliedstaaten handelt, die dem Beschwerdeführer zuzurechnen seien. Der Betriebsprüfer hat bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat vom 18. Oktober 2005 angegeben, dass in Fällen solcher Differenzen üblicherweise sog. "Art. 5-Anfragen" (gemeint wohl: nach der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 ) beim betreffenden Mitgliedstaat durchgeführt würden, die zur Folge hätten, dass ein Finanzorgan des betreffenden Mitgliedstaates beim liefernden Unternehmen in die Verkaufsrechnungen Einsicht nehme und abkläre, wie die Waren versendet und bezahlt worden seien. Warum eine solche Anfrage - die nur der Finanzverwaltung, nicht hingegen dem Beschwerdeführer offen steht - im Beschwerdefall unterblieben ist, hat die belangte Behörde nicht begründet. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde die Beweislast trifft, ist angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten des Beschwerdeführers, zu beweisen, dass die gegenständlichen Lieferungen, die nicht im Rechenwerk aufschienen, tatsächlich nicht an die Y. KEG ausgeführt worden sind, auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer sein Vorbringen hätte konkretisieren und durch Rechnungen belegen können. Nach § 98 Abs. 3 FinStrG darf aber eine Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten als erwiesen angenommen werden, wenn Zweifel bestehen bleiben.

Die dem angefochtenen Bescheid gegebene Begründung reicht somit nicht aus, um seinen Spruch hinsichtlich der strafbestimmenden Wertbeträge zu tragen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren wird überdies auf folgendes hingewiesen: Der (von der belangten Behörde unverändert belassene erstinstanzliche) Schuldspruch über die Hinterziehung von Umsatzsteuer enthält keine Angaben über die Jahre, welche die vorgeworfenen Umsatzsteuerverkürzungen betreffen (Spruchpunkt A a). Dies wäre im Falle einer Aufrechterhaltung der diesbezüglichen Bestrafung zu ergänzen. Darüber hinaus wird die belangte Behörde auch Feststellungen über eine allfällige Strafbarkeitsverjährung zu treffen haben.

Im Übrigen wird im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer auf Art. 6 Abs. 1 EMRK hingewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer abgegolten wird.

Wien, am 17. Oktober 2012

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