VwGH 2009/15/0095

VwGH2009/15/00955.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J T in S, vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Gaalerstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 9. März 2009, Zl. RV/0697-G/08, betreffend Rückzahlungsantrag gemäß § 239 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §213;
BAO §216;
BAO §239;
BAO §213;
BAO §216;
BAO §239;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war an der W.T. GmbH & Co KG als Kommanditist beteiligt. Nach Durchführung einer finanzstrafrechtlichen Prüfung bei der Gesellschaft kam das Finanzamt zum Ergebnis, die Beteiligung des Beschwerdeführers sei bloß vorgetäuscht gewesen, rechnete die Einkünfte ausschließlich dem Bruder des Beschwerdeführers zu und erließ infolgedessen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1995, aus denen Einkommensteuergutschriften am Abgabenkonto des Beschwerdeführers resultierten, welchen entsprechende Lastschriften am Abgabenkonto des nunmehr in Insolvenz befindlichen Bruders gegenüber standen.

Das daraus resultierende Guthaben auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers wurde sodann vom Finanzamt von Amts wegen auf das einen hohen Rückstand aufweisende Abgabenkonto des Bruders umgebucht, weil es diesem in wirtschaftlicher Betrachtung zuzurechnen sei. Dagegen wehrte sich der Beschwerdeführer in einem Abrechnungsverfahren nach § 216 BAO erfolgreich (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2007, 2006/14/0061), was mit Buchungstag vom 14. Juli 2008 zu einer Rückbuchung des Betrages auf das Konto des Beschwerdeführers führte.

Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2008 erhob der Masseverwalter des Bruders des Beschwerdeführers Anspruch auf das rückübertragene Guthaben. Dieses solle "ungeachtet des vorliegenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2007, Zl. 2006/14/0061" nicht auf das Abgabenkonto des Beschwerdeführers, sondern an den Masseverwalter überwiesen werden, weil nach dem Urteil des Landesgerichts Leoben im Strafverfahren feststehe, dass der Beschwerdeführer nur pro forma aus familiärer Verbundenheit als Unternehmensinhaber aufgetreten sei und keinerlei Investitionen in das Unternehmen getätigt habe. Die erforderlichen Geldmittel stammten durchwegs vom Bruder des Beschwerdeführers, weshalb auch das Abgabenguthaben ausschließlich diesem zustehe. Der Masseverwalter beabsichtige daher, auch eine einstweilige Verfügung zu beantragen, dass dem Finanzamt eine Rückzahlung an den Beschwerdeführer verboten werde.

Mit Antrag vom 21. Juli 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Rückzahlung des auf seinem Abgabenkonto befindlichen Guthabens von 469.962,94 EUR.

Mit Hinterlegungsantrag vom 31. Juli 2008 beantragte die Republik Österreich durch die Finanzprokuratur unter Hinweis auf die widerstreitenden Anspruchserhebungen durch zwei Forderungsprätendenten eine Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB beim zuständigen Bezirksgericht, die mit Beschluss vom 14. August 2008 von diesem angenommen worden ist.

Mit Bescheid vom 25. August 2008 wies das Finanzamt den Antrag des Beschwerdeführers "mangels Guthabens" ab. Der Betrag sei beim Bezirksgericht Judenburg hinterlegt worden, weshalb auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers kein Guthaben bestehe.

Mit Schreiben vom 23. September 2008 erhob der Beschwerdeführer dagegen Berufung. Begründend brachte er vor, der Hinterlegungsbeschluss des zuständigen Bezirksgerichts sei vom Beschwerdeführer mit Rekurs bekämpft worden. Die vorgenommene Hinterlegung wirke nur dann schuldbefreiend, wenn sie rechtmäßig sei, weshalb der Guthabensbetrag gemäß § 239 BAO rückzuzahlen sei.

Darüber hinaus missverstehe die Behörde das Rechtsinstitut der Hinterlegung. Mit ihrem Hinterlegungsantrag habe sie anerkannt, dass der hinterlegte Betrag entweder dem Beschwerdeführer oder dem Zweiterlagsgegner, dem Masseverwalter des Bruders, gebühre. Durch die Hinterlegung habe die Behörde dem Rückzahlungsantrag letztlich inhaltlich stattgegeben, weshalb schon deswegen der abweisende Spruch des bekämpften Bescheides rechtswidrig sei.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben 1 R 331/08f vom 27. Februar 2009 wurde dem Rekurs des Beschwerdeführers Folge gegeben und der Hinterlegungsantrag des Finanzamtes abgewiesen, weil das Finanzamt zur Antragsbegründung lediglich auf den Anspruch und die angekündigte Klage des Bruders des Beschwerdeführers gegen diesen verwiesen habe. Da somit gar kein direkter Anspruch einer anderen Partei gegen das antragstellende Finanzamt auf Auszahlung des Abgabenguthabens behauptet worden sei und die andere Partei nur Gläubiger des Beschwerdeführers, nicht jedoch der Antragstellerin selbst sein könne, sei ein Prätendentenstreit nicht schlüssig dargelegt worden. Der dagegen erhobene ao. Revisionsrekurs an den OGH wurde von diesem mit Beschluss vom 5. Mai 2009, 1 Ob 78/09s, zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, weil "zum Zeitpunkt des Rückzahlungsantrages kein Guthaben am Abgabenkonto" des Beschwerdeführers bestanden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 239 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ein Guthaben am Abgabenkonto liegt vor, wenn die Summe der Gutschriften die Summe der Lastschriften zu Gunsten des Abgabepflichtigen übersteigt.

Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist "bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen … für jeden Abgabepflichtigen … die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlaß entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefaßt zu verbuchen".

§ 213 BAO stellt damit die gesetzliche Grundlage für die Führung von Abgabenkonten dar (Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung, § 213 Rz 1), auf denen "für jeden Abgabepflichtigen" die Gebarungs(Buchungs)vorgänge zu erfassen sind. Das Abgabenkonto eines Abgabepflichtigen dient der Abbildung seines individuellen gebarungstechnischen Verhältnisses zum Abgabengläubiger.

Mit dem hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2007, 2006/14/0061, ist der Verwaltungsgerichtshof bereits dem damaligen Rechtstandpunkt der belangten Behörde eines möglichen wirtschaftlichen Eigentums Dritter am Abgabenkonto eines Abgabepflichtigen nicht näher getreten. Er hat zudem bereits ausgesprochen, dass es "zur Beurteilung der (bloß) rechnungsmäßigen Richtigkeit der Gebarungsakte nicht von Bedeutung" sei, ob "die seinerzeitige Entrichtung der (wenn auch zu Unrecht) vorgeschriebenen Abgaben von dritter Seite finanziert wurde".

Allfällige Streitigkeiten zwischen dem Abgabepflichtigen und einem Dritten sind im Zivilrechtsweg auszutragen und betreffen das Verhältnis des Abgabepflichtigen zum Abgabegläubiger bzw. zur Abgabenbehörde nicht.

Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit der Abbuchung des Abgabenguthabens zur gerichtlichen Hinterlegung, über die in einem Abrechnungsverfahren gemäß § 216 BAO zu entscheiden gewesen wäre, setzt eine Rückzahlung jedenfalls ein "Guthaben" im Zeitpunkt der behördlichen Erledigung voraus (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1986, 86/15/0058, sowie vom 27. Mai 1998, 98/15/0062).

Ein rückzahlbares Guthaben eines Abgabepflichtigen entsteht nach der hg. Rechtsprechung zu § 239 BAO für diesen erst dann, wenn auf seinem Abgabenkonto die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Gutschriften an, welche die Abgabenbehörde nach Auffassung des Abgabepflichtigen hätte durchführen müssen, sondern auf die von der Abgabenbehörde tatsächlich durchgeführten Gutschriften. Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Gutschriften die Abgabenbehörde hätte durchführen müssen, können allenfalls Gegenstand eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO sein (vgl. z.B. wiederum die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1986, 86/15/0058, oder vom 27. Mai 1998, 98/15/0062, sowie das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, 99/13/0067). Gleiches muss auch für Lastschriften gelten.

Vor diesem Hintergrund war im Beschwerdefall die Abweisung des Rückzahlungsantrages mangels eines Guthabens am Abgabenkonto durch die belangte Behörde letztlich nicht als rechtswidrig zu beanstanden. Durch die (allenfalls rechtswidrige) Abbuchung des Abgabenguthabens und seine gerichtliche Hinterlegung war das Abgabenkonto tatsächlich auf null gestellt und konnte dem Rückzahlungsantrag daher kein Erfolg beschieden sein.

Mit der hilfsweisen Rüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften konnte die Beschwerde schließlich gleichfalls keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Verfahrensfehler aufzeigen. Dass die belangte Behörde in ihrer Begründung irrtümlich darauf verwiesen hat, dass "zum Zeitpunkt des Rückzahlungsantrages" statt richtig "zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückzahlungsantrag" kein Guthaben am Abgabenkonto des Beschwerdeführers bestanden habe, kann der Beschwerde - angesichts der dargestellten Rechtslage - nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 5. September 2012

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