Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 10 AlVG der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 3. September bis 28. Oktober 2008 ausgesprochen. Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde nicht erteilt.
Nach Darlegung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei geschieden und habe keine Berufsausbildung; seit dem 29. Juni 1999 habe er Arbeitslosengeld bezogen, seit dem 26. April 2000 - mit Unterbrechungen - Notstandshilfe.
Am 25. August 2008 sei ihm von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice K die Beschäftigung als Produktionsarbeiter bei der Firma K. in K mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung und möglichem Arbeitsbeginn am 3. September 2008 angeboten worden. Dem Arbeitsmarktservice seien zwei freie Stellen bekannt gegeben worden.
Am 3. September 2008 habe die regionale Geschäftsstelle den potentiellen Dienstgeber bezüglich der Vorstellung des Beschwerdeführers kontaktiert. Der "potenzielle Dienstgeber W."
(richtig: Herr W. als Vertreter des potentiellen Dienstgebers, einer GmbH) habe bekannt gegeben, dass an diesem Tag eine Frau - wahrscheinlich die Schwester des Beschwerdeführers - angerufen und gefragt habe, ob die Stelle noch frei sei. Da die Firma aber nur Männer aufgenommen habe, habe W. geantwortet, dass die Stelle vergeben sei. Daraufhin habe die Dame gesagt, dass sie dies dem Beschwerdeführer ausrichten werde. Als W. dies gehört habe, habe er genauer nachgefragt und mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer sofort vorstellen kommen solle, weil W. dringend jemand benötige. Die Dame habe gemeint, dass der Beschwerdeführer erst nächste Woche kommen könne. Auf die Frage, warum er nicht diese Woche kommen könne, habe sie gemeint, er habe keine Zeit.
Der Beschwerdeführer habe sich in der Folge am 9. September 2008 vorgestellt und sei laut Rückmeldung des potentiellen Dienstgebers nicht eingestellt worden.
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe am 9. September 2008 bezüglich des Vorstellungsgesprächs telefonisch Rücksprache gehalten. W. habe dabei erklärt, dass er dem Beschwerdeführer einen Bewerbungsbogen zum Ausfüllen übergeben habe. Der Beschwerdeführer habe gefragt, was er bei den Dienstverhältnissen hinschreiben solle. W. habe gemeint, seine Dienstverhältnisse, woraufhin der Beschwerdeführer erklärt habe, dass er keine Dienstverhältnisse gehabt habe. Auf die Frage, ob er noch nie gearbeitet habe, habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er nicht viel gearbeitet habe. Er habe einige Beschäftigungen aufgezählt und W. mitgeteilt, dass er im Gefängnis gewesen sei, weil er ein Auto gestohlen habe. Daraufhin habe W. gemeint, solange der Beschwerdeführer Kindern nichts tue, sei ihm die Haftstrafe egal. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer handwerklich geschickt wäre, habe dieser klar mit "Nein" geantwortet. W. habe das Gefühl gehabt, dass der Beschwerdeführer auf alle Fragen, die eine Arbeitsaufnahme bedeutet hätten, mit "Nein" geantwortet hätte. Er wäre bereit gewesen, den Beschwerdeführer einzuschulen, dieser habe ihm jedoch im Gespräch vermittelt, keinerlei Ambitionen bezüglich der Arbeitsaufnahme zu haben.
Am 15. September 2008 habe der Beschwerdeführer niederschriftlich bei der regionalen Geschäftsstelle zum Nichtzustandekommen der Beschäftigung erklärt, dass er beim Ausfüllen des Bewerbungsbogens gefragt habe, was er hinschreiben solle, weil er die ganze Zeit keine Beschäftigung gehabt habe. Wegen der Haftstrafe habe der potentielle Dienstgeber gemeint, dass er aufpassen müsse, dass ihm nicht sein Auto gestohlen werde und bei einer Mordstrafe, dass der Beschwerdeführer seinen Angestellten nichts tue. W. habe gesagt, dass die Stelle vergeben sei, er würde den Beschwerdeführer jedoch trotzdem vormerken. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer handwerklich geschickt wäre, habe dieser gesagt, nur ein wenig. Es hätte keinen Sinn gehabt, etwas anderes zu behaupten, weil es W. bei der Arbeit bemerkt hätte. Daraufhin habe W. gesagt, dass es nichts wäre mit der Stelle.
Mit der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer ein Schreiben des potentiellen Dienstgebers an ihn vom 25. September 2008 vorgelegt. Darin erkläre der potentielle Dienstgeber W., dass nach Vorlage der Niederschrift beim Arbeitsmarktservice vom 15. September 2008 das Vorstellungsgespräch ungefähr so verlaufen sei, wie in dieser Niederschrift erwähnt. Die genaue Wortwahl könne er nicht mehr angeben. Es sei die Frage über handwerkliches Geschick gestellt worden, die der Beschwerdeführer verneint habe. Es sei ihm auch mitgeteilt worden, dass bereits ein anderer Bewerber für einen Probemonat eingestellt worden sei.
Die belangte Behörde führte weiter aus, es stehe außer Streit, dass der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch, insbesondere beim Ausfüllen des Bewerbungsbogens, den potentiellen Dienstgeber gefragt habe, was er denn unter Dienstverhältnisse schreiben solle, weil er keine bzw. nicht viele Beschäftigungen gehabt habe. Unstrittig sei auch, dass der Beschwerdeführer seine Haftstrafe mitgeteilt habe. Hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer handwerkliches Geschick aufweise, habe dieser erklärt, dass er diese Frage mit "nur ein wenig" beantwortet habe. Der potentielle Dienstgeber habe hingegen erklärt, dass der Beschwerdeführer diese Frage ausdrücklich verneint habe. Darüber hinaus habe der potentielle Dienstgeber erklärt, dass er den Beschwerdeführer trotz all dieser Umstände eingestellt und eingeschult hätte, dieser jedoch absolut kein Interesse an der Stelle zeige.
Die belangte Behörde führte beweiswürdigend aus, sie folge den glaubwürdigen Angaben des potentiellen Dienstgebers hinsichtlich des Nichtzustandekommens des Beschäftigungsverhältnisses, zumal kein vernünftiger Grund ersichtlich sei, weshalb ein Dienstgeber, der dringend Arbeitskräfte benötige, Interesse an einer unwahren Aussage hätte. Die belangte Behörde gehe von diesem dringenden Bedarf aus, da bereits der Schwester des Beschwerdeführers aufgrund ihres Anrufs bei W. am 3. September 2008 mitgeteilt worden sei, dass sich der Beschwerdeführer vorstellen kommen solle, da dringend Arbeitskräfte gesucht würden. Die Angabe, dass er bereits eine andere Person für einen Probemonat eingestellt habe, spreche auch nicht gegen die Einstellung des Beschwerdeführers, da zwei Stellen zu besetzen gewesen seien und eine Stelle bis zum 1. Oktober 2008 auch noch unbesetzt gewesen sei. Es werde daher im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten bei der Vorsprache, insbesondere dadurch, dass er in den Vordergrund gestellt habe, in der letzten Zeit keinerlei Dienstverhältnisse gehabt zu haben, dass er seine Haftstrafe dargelegt habe und auch etwas handwerkliches Geschick verneint habe, dem potentiellen Dienstgeber zu verstehen gegeben habe, an der angebotenen Tätigkeit nicht wirklich interessiert zu sein. Der Beschwerdeführer habe sohin die Annahme einer zumutbaren Beschäftigung vereitelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Gemäß § 38 AlVG ist diese Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
2. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass das Zustandekommen der Beschäftigung aus seinem Verschulden gescheitert sei. Die belangte Behörde habe dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben des W. vom 25. September 2008 keine oder nur unzureichende Bedeutung beigemessen. Man habe seine wahrheitsgemäßen Angaben als Verweigerung der Arbeitstätigkeit ausgelegt, übersehe aber andererseits, dass auch der Dienstgeber offensichtlich am Beschwerdeführer kein Interesse (mehr) gehabt habe, weil er bereits einen Tag vor seiner Vorsprache einen anderen Bewerber eingestellt hätte. Genau dieser Umstand habe sich aus dem zitierten Schreiben ergeben.
Richtig sei, dass der Beschwerdeführer W. nur einige wenige Beschäftigungen aufzählen habe können und auf seine Haftstrafe verweisen habe müssen. Einerseits wäre es anders nicht möglich gewesen, die wenigen Arbeitstätigkeiten des Beschwerdeführers zu begründen, andererseits habe der Beschwerdeführer auch seine Haftstrafe nicht verschweigen wollen, weil der Dienstgeber früher oder später ohnehin draufgekommen wäre und dies auch aus der Sicht des Beschwerdeführers keine geeignete Vertrauensbasis für eine zukünftige Zusammenarbeit dargestellt hätte. Auch die Frage nach handwerklichem Geschick habe der Beschwerdeführer wahrheitsgemäß mit "ein wenig bis gar nicht" beantwortet, weil es aus seiner Sicht keinen Sinn gemacht hätte, dem Arbeitgeber großes handwerkliches Geschick vorzuspiegeln, da der Beschwerdeführer zwar willig aber durch seine Haftstrafe "vollkommen aus der Übung" gewesen sei.
3. Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden:
Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestands nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl. 2005/08/0049, uva).
Eine Vereitelung ist dann nicht gegeben, wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch wahrheitsgemäß seine fachlichen Qualifikationen darstellt und daraufhin seitens des potentiellen Dienstgebers ein Beschäftigungsverhältnis abgelehnt wird, obwohl der Arbeitslose zur Annahme der Beschäftigung bereit war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1987, Zl. 86/08/0211).
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer beim Bewerbungsgespräch laut eigenem Beschwerdevorbringen die Frage nach seinem handwerklichen Geschick mit "wenig bis gar nicht" beantwortet. Die zugewiesene Beschäftigung als Produktionsarbeiter war mit keinen besonderen Anforderungen an Ausbildung oder Fachkenntnis verbunden. Die allgemeine Frage nach "handwerklichem Geschick", mit der nicht auf eine formale Qualifikation wie etwa nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung gefragt wird, ist in einem solchen Kontext so zu verstehen, dass damit die grundsätzliche Leistungsbereitschaft des Beschwerdeführers in einer handwerklichen Tätigkeit abgeklärt werden soll. Selbst wenn der Beschwerdeführer der Auffassung war, handwerklich "wenig geschickt" zu sein, hätte er auf diese Frage in einer Weise antworten können, in der er nicht (insbesondere durch die Worte "bis gar nicht") seine von ihm angenommene Schwäche hervorgehoben, sondern Interesse an der Erlangung der Arbeitsstelle zum Ausdruck gebracht hätte. In diesem Sinne kann im Ergebnis die Antwort des Beschwerdeführers ("wenig bis gar nicht") nicht als wahrheitsgemäße Darstellung seiner fachlichen Qualifikationen beurteilt werden, sondern - auch in Zusammenhalt mit den weiteren Umständen der Bewerbung - als Ausdruck seines Unwillens, die angebotene Beschäftigung anzutreten.
Es war daher schon aufgrund des vom Beschwerdeführer geschilderten Verlaufs des Bewerbungsgesprächs eine Vereitelungshandlung anzunehmen, ohne dass es noch darauf angekommen wäre, ob die Erwähnung der Haftzeiten und die Betonung der geringen beruflichen Erfahrung dem Beschwerdeführer ebenfalls als Vereitelungshandlungen angelastet werden können.
Auf die weiteren - die Beweiswürdigung der belangten Behörde angreifenden - Beschwerdeausführungen zu angeblichen Widersprüchen in den Angaben des W. gegenüber der belangten Behörde muss daher nicht weiter eingegangen werden, da sich die rechtliche Qualifikation als Vereitelungshandlung bereits aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst ergibt.
4. Der Beschwerdeführer bestreitet auch, dass die zugewiesene Stelle zum Zeitpunkt seiner Vorstellung tatsächlich noch unbesetzt und nicht bereits vergeben war. Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet nach dem vom Verwaltungsgerichtshof anzulegenden Prüfmaßstab keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat dargelegt, dass der potentielle Dienstgeber zwei Stellen zu besetzen hatte und an einer möglichst baldigen Arbeitsaufnahme des Beschwerdeführers interessiert war. Dass beim potentiellen Dienstgeber zwei Stellen offen waren - wie von der belangten Behörde festgestellt - bestreitet der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht, weshalb das Vorbringen, es sei zum Zeitpunkt der Vorstellung des Beschwerdeführers bereits eine Person eingestellt gewesen, nicht zielführend ist.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 22. Februar 2012
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