VwGH 2009/04/0025

VwGH2009/04/00258.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. Dezember 2008, Zl. IIa-53013/1- 08, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
EMRK Art6;
StGG Art6;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
EMRK Art6;
StGG Art6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers lautend auf "Gastgewerbe gemäß § 142 Abs. 1 Z. 2 bis 4 GewO 1994 in der Betriebsart Bar" gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, die Betriebsanlage des Beschwerdeführers sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 7. Jänner 1999 als "Schirmbar" und mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 als Pavillon in Holz-Glas-Konstruktion unter diversen Auflagen und einer Betriebszeit während der Wintersaison (10.00 Uhr bis 22.00 Uhr) genehmigt worden. Im Nahebereich der Betriebsanlage befänden sich mehrere bewohnte Objekte, wie beispielsweise ein Hotelbetrieb und das Wohnhaus des G.D. Es sei in der Vergangenheit wiederholt zu Anzeigen wegen Lärmbelästigung und Überschreitungen der Betriebszeiten betreffend den gegenständlichen Gastgewerbebetrieb gekommen, weil die Nachbarn durch Immissionen in Form von Lärm und Musik beeinträchtigt worden seien.

Mit Verfahrensanordnung vom 14. Jänner 2008 sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, die ohne Änderungsgenehmigung vor dem Pavillon aufgestellten Tische und Hocker zu entfernen und den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Da auch in der Folge ein genehmigungsloser Gastgarten in Form mehrerer Stehtische samt Hockern errichtet und betrieben worden sei, sei die sofortige Schließung des Gastgartens mit Bescheid vom 11. Februar 2008 verfügt worden.

In der Liste der Verwaltungsvormerkungen des Beschwerdeführers seien neben 22 Verkehrsstrafen folgende gewerberechtliche Übertretungen vermerkt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Beschwerdevorbringen ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer mit den sechs zitierten Strafbescheiden (davon fünf rechtskräftig) wegen konsensloser Änderung der Betriebsanlage, und zwar einerseits durch Überschreitung der festgesetzten Betriebszeit und andererseits durch den genehmigungslosen Betrieb einer Terrasse, sowie wegen des Nichteinhaltens von Bescheidauflagen verwaltungsbehördlich bestraft wurde.

Voranzustellen ist, dass die belangte Behörde die Erfüllung des Tatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 nicht auf die gegenüber dem Beschwerdeführer verhängten Verkehrsstrafen und auch nicht auf Strafen, die gegenüber seinem Geschäftsführer verhängt wurden, gestützt hat, sondern ausschließlich auf die genannten gewerberechtlichen Verwaltungsübertretungen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 42/2008 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2007/04/0222, mwN).

Im Beschwerdefall, der dem Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, Zl. 2007/04/0219, zugrunde lag, hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen des Entziehungsgrundes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 auf Grund des Vorliegens von acht rechtskräftigen und noch nicht getilgten Bestrafungen des Gewerbeinhabers wegen Übertretungen der Gewerbeordnung (fallbezogen ging es um das Nichteinhalten der Sperrstunde und um ein vorschriftswidriges Offenlassen der Eingangstüre) innerhalb eines Zeitraumes von zweieinhalb Jahren bejaht.

Auch in dem dem Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2011/04/0025, zugrunde liegenden Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof acht Übertretungen des § 368 GewO 1994 (fallbezogen: Darbietung von Musik in einem Gastgewerbelokal trotz verfügter Stilllegung der Musikanlage) sowie eine damit im Zusammenhang stehende Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 3 iVm § 74 Abs. 1 und 2 GewO 1994 (konsenswidrige Änderung der Betriebsanlage) in ihrer Gesamtheit als "schwerwiegende Verstöße" im Sinn des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 angesehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer unstrittig sechs Mal wegen konsensloser Änderungen der Betriebsanlage bestraft (davon fünf Strafen rechtskräftig), wobei jedoch einzelne Straferkenntnisse mehrere Tatzeitpunkte erfassten. So hat der Beschwerdeführer die in der Betriebsanlagengenehmigung festgelegten Betriebszeiten an insgesamt 13 Tagen überschritten, wobei sich der Beschwerdeführer durch die jeweils vorangegangenen Bestrafungen von weiteren Verstößen nicht abhalten ließ.

An die genannten fünf rechtskräftigen Straferkenntnisse war die belangte Behörde gebunden (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2007/04/0219).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verfahrensanordnung vom 14. Jänner 2008 (nach den Feststellungen der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer damit aufgefordert, die vor dem Pavillon aufgestellten Tische und Hocker zu entfernen) sei ihm erst verspätet zur Kenntnis gelangt und er sei daher in der "Karwoche des Jahres 2008" irrtümlich davon ausgegangen, er dürfe ein paar Tische vor dem Lokal aufstellen. Soweit der Beschwerdeführer damit die im nicht rechtskräftigen Straferkenntnis angelasteten Verwaltungsübertretungen vom 16. Mai 2008 bestreitet, ist dieser Einwand nicht nachvollziehbar, weil die dort angelasteten Tatzeitpunkte kein Verhalten in der Karwoche 2008 (16. bis 22. März 2008) betreffen. Im Übrigen musste der Beschwerdeführer in der Karwoche 2008 bereits aufgrund des rechtskräftigen Straferkenntnisses vom 26. November 2007 über die Rechtswidrigkeit des genehmigungslosen Terrassenbetriebs in Kenntnis sein. Die belangte Behörde durfte somit auch das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftige Straferkenntnis vom 16. Mai 2008 berücksichtigen, weil nach der hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2005, Zl. 2005/04/0029) eine gerichtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung nicht Voraussetzung für den Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist.

Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung ist es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde in Hinblick auf die Vielzahl der Betriebszeitenüberschreitungen und die wiederholten Konsenswidrigkeiten innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes von schwerwiegenden Verstößen gegen die im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung zu beachtenden Rechtsvorschriften ausgegangen ist, hat die belangte Behörde doch zutreffend darauf hingewiesen, dass durch diese Verstöße in wiederholter Weise die Schutzinteressen der Nachbarn vor Lärmimmissionen beeinträchtigt wurden. Daher ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde daraus den Schluss gezogen hat, der Beschwerdeführer sei (jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) nicht als zuverlässig im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 anzusehen gewesen.

Soweit der Beschwerdeführer anregt, beim Verfassungsgerichtshof das "gewerberechtliche Entziehungsverfahren" wegen Verletzung des Art. 6 EMRK anzufechten, ist er auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2011, B 254/11, VfSlg. 19425 (siehe dort Punkt IV.3.7. ff), zu verweisen, nach der die in verfassungskonformer Weise wahrgenommene nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in Streitigkeiten über ein "civil right" den Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiliches Tribunal nach Art. 6 EMRK genügt. Den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführervertreter wenige Tage vor dem Termin der bereits anberaumten Verhandlung mit Zustimmung der belangten Behörde zurückgezogen, sodass diese unterbleiben konnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 8. November 2012

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