VwGH 2007/04/0219

VwGH2007/04/021910.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 18, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Februar 2007, Zl. Ge-220749/3-2007-Di/Th, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. Februar 2007 wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bierstube an einem näher genannten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 82 Abs. 14 AVG bedürften Ausfertigungen schriftlicher Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt, aber nicht elektronisch signiert worden seien, bis zum 31. Dezember 2007 weder der Unterschrift noch einer Beglaubigung. Der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 9. November 2006, dessen Ausfertigung die Behörde und den Namen der Genehmigenden enthalte, sei nach Art und Form seines Ausdruckes fraglos mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden, weshalb die Ausfertigung weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfe. Es sei somit nicht zutreffend, dass ein wirksamer Bescheid gar nicht erlassen worden sei.

Über den Beschwerdeführer seien in den letzten zweieinhalb Jahren insgesamt acht Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen der Gewerbeordnung rechtskräftig verhängt worden. Insgesamt fänden sich in Bezug auf den Beschwerdeführer seit dem Jahr 1994 27 Eintragungen wegen Übertretungen der GewO 1994 im Verwaltungsregister des Magistrates der Stadt Linz. Angesichts der Vielzahl dieser - mit der Ausübung des Gewerbes des Beschwerdeführers im Zusammenhang stehenden - Übertretungen gegen die nach Art und Gegenstand des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen seien diese als insgesamt schwer wiegend im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 zu werten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 25. September 2007, B 558/07-6, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner für den Fall der Abtretung bereits ergänzten Beschwerde machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die erstinstanzliche Erledigung sei nicht als Bescheid zu werten, weil aus ihr nicht hervorgehe, dass sie mittels elektronischer Signatur gefertigt sei. Unter dem Namen der Bearbeitenden befinde sich lediglich der Vermerk, dass die Unterschrift elektronisch beurkundet worden sei. Dem Schriftstück sei kein Hinweis auf eine Fundstelle zu entnehmen, in der "das Verfahren der Rückführung des Ausdruckes in das elektronische Dokument und die anwendbaren Prüfmechanismen dargestellt" seien. Es sei daher nicht nachvollziehbar, ob die Amtssignatur bzw. die verwendete Bildmarke veröffentlicht sei. Eine solche Veröffentlichung sei beispielsweise im Internet zwingend erforderlich, um die Authentizität des Entziehungsbescheides sicher zu stellen. Dem gegenständlichen Entziehungsbescheid fehle somit mangels Veröffentlichung einer entsprechenden Bildmarke im Internet bzw. mangels Hinweises auf eine etwaige Fundstelle im Internet die erforderliche Amtssignatur. Ebenso wie durch die Anführung des Namens der Sachbearbeiterin beispielsweise mit dem Zusatz "eh" nicht ersichtlich sei, ob es sich hierbei um eine elektronische Signatur oder ein anderes geeignetes Verfahren mit den angeführten Qualitätsmerkmalen handle, sei auch durch den bloßen Beisatz der elektronischen Beurkundung der Unterschrift die Nachweisbarkeit der Authentizität der Genehmigenden und des Genehmigungsvorganges sowie die Unverfälschbarkeit des genehmigten Inhaltes bei der ausgesprochenen Fertigungsklausel nicht gegeben.

Weiters wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei strafrechtlich unbescholten und es könnten ihm lediglich innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre acht rechtskräftige Verwaltungsstrafen wegen Übertretung der Gewerbeordnung angelastet werden. Diese Übertretungen beträfen jedoch Straferkenntnisse bezüglich der "Auflagenpunkte um ein Offenlassen der Eingangstüre bzw. um Nichteinhalten der Sperrstunde". Dabei handle es sich zweifelsfrei um keine schwer wiegenden Verstöße, sondern lediglich um Verwaltungsübertretungen, deren Folgen jeweils von geringer Bedeutung gewesen seien. Darüber hinaus sei die Schuld des Beschwerdeführers als sehr gering anzusehen, zumal es sich bei sämtlichen Übertretungen um Fahrlässigkeitsdelikte gehandelt habe. Es sei offenkundig, dass es nicht möglich sei, im Bereich des "vergnügten Nachtlebens" Auflagenpunkte wie die Sperrstunde oder das Geschlossenhalten der Eingangstüre ständig einzuhalten. Es handle sich dabei um Verstöße gegen Vorschriften, deren peinliche Befolgung es praktisch jedem Gewerbetreibenden unmöglich machen würde, sein Lokal zu betreiben. Auch die verhängten, relativ geringen Strafen ließen einerseits auf die Geringfügigkeit der zu Grunde liegenden Übertretungen schließen und hätten andererseits dazu geführt, dass der Beschwerdeführer - schon um sich den damit verbundenen Aufwand und die Kosten zu ersparen - keine Rechtsmittel erhoben und die Strafen bezahlt habe. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde laufe im Ergebnis darauf hinaus, die erforderliche Zuverlässigkeit zur Ausübung eines Gewerbes liege bei jedem wie immer gearteten Verstoß dann nicht mehr vor, wenn sich diese Verstöße häuften.

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 10/2004, lauten:

"Erledigungen

§ 18. ...

(4) Externe Erledigungen haben schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von einer Partei verlangt wird oder wenn ihre Zustellung erforderlich ist. Die Ausfertigung der Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Die Verwendung einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) entfaltet jedenfalls die Wirkung einer Beglaubigung durch die Kanzlei.

...

§ 82 ...

(14) Die elektronische Beurkundung interner Erledigungen darf bis zum 31. Dezember 2007 auch durch andere geeignete Verfahren als die elektronische Signatur geschehen, wenn diese durch technische und organisatorische Maßnahmen mit hinlänglicher Sicherheit gewährleisten, dass die Nachweisbarkeit der eindeutigen Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Genehmigungsvorgangs sowie die Unverfälschbarkeit des genehmigten Inhalts gegeben sind. Bis zum 31. Dezember 2007 bedürfen Ausfertigungen schriftlicher Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt, aber nicht elektronisch signiert worden sind, und Ausfertigungen, die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung; bei vervielfältigten schriftlichen Erledigungen bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung."

Selbst wenn man der Beschwerde folge und davon ausginge, dass der erstinstanzliche Bescheid nicht elektronisch signiert worden sei, kommt dem im Beschwerdefall auf Grund der Regelung des § 82 Abs. 14 zweiter Satz AVG keine Wesentlichkeit zu.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 131/2004, ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwer wiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, wegen der von der belangten Behörde festgestellten Übertretungen der Gewerbeordnung (wegen Nichteinhaltung der Sperrstunde und der "Auflagenpunkte" betreffend das Offenlassen der Eingangstür, wie auch der Beschwerdeführer einräumt) rechtskräftig bestraft worden zu sein. Damit steht bindend fest, dass er die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137). Zu diesen Straftaten bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass diese selbst in Summe das Tatbestandselement eines schwer wiegenden Verstoßes nicht erfüllen könnten.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das im § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwer wiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwer wiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften (vgl. auch dazu das vorangeführte Erkenntnis vom 25. Juni 2008). Das Beschwerdevorbringen, insbesondere auch, dass es im Bereich des "vergnügten Nachtlebens" auch objektiv betrachtet nicht zu vermeiden sei, Auflagenpunkte wie die Einhaltung der Sperrstunde oder das Geschlossenhalten der Eingangstüre ständig einzuhalten, bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal die Verstöße in einem relativ kurzen Zeitraum begangen wurden.

Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwer wiegenden Verstößen ergibt, bedarf es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erfüllt ist, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers (vgl. dazu abermals das angeführte Erkenntnis vom 25. Juni 2008, mwH). Eine Fallkonstellation, die im Sinne des letztzitierten Erkenntnisses ausnahmsweise doch eine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes erfordert, liegt gegenständlich nicht vor.

Auf Grund der acht rechtskräftigen und noch nicht getilgten Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretung der Gewerbeordnung ist es nach dem Vorgesagten nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen des Entziehungsgrundes gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 bejaht hat. Ein Eingehen auf die im angefochtenen Bescheid festgestellten polizeilichen Ermittlungen betreffend Suchgiftkonsum und -handel im Lokal des Beschwerdeführers und das dazu erstattete Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. Dezember 2009

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