VwGH 2008/13/0150

VwGH2008/13/015025.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des F in B, Deutschland, des F in W, des F in W und der R in W, alle vertreten durch AWIT Allgemeine Wirtschaftstreuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1060 Wien, Capistrangasse 4/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 6. Juni 2008, Zl. RV/1452- W/07, betreffend Einkommensteuer 2003, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §124b Z53;
EStG 1988 §19 Abs1;
EStG 1988 §67 Abs10;
EStG 1988 §67 Abs8 lite;
EStG 1988 §67 Abs8 litg;
EStG 1988 §124b Z53;
EStG 1988 §19 Abs1;
EStG 1988 §67 Abs10;
EStG 1988 §67 Abs8 lite;
EStG 1988 §67 Abs8 litg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien sind Erben ihrer Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1989 aufgrund einer Pensionszusage des Arbeitgebers, bei dem dieser tätig gewesen war, eine Witwenpension bezog. Nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des früheren Arbeitgebers im Jahr 1996 meldete sie den Barwert der Pension als Konkursforderung an. Die Konkursquote wurde in zwei Teilbeträgen von EUR 22.076,74 im Jahr 1999 und EUR 22.792,89 im Streitjahr 2003 ausbezahlt. Den im Streitjahr ausbezahlten Betrag unterzog das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2003 ohne Anwendung einer Begünstigung der Besteuerung.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid machte die Mutter der beschwerdeführenden Parteien geltend, es sei die Rechtslage des Jahres 1996 anzuwenden, in dem sie ihre Forderung im Konkurs angemeldet habe, sodass der für Pensionsabfindungen vorgesehene Hälftesteuersatz gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 in der damals geltenden Fassung anzuwenden sei. Bei Anwendung der für das Jahr 2003 maßgeblichen Rechtslage käme jedenfalls die Tarifbegünstigung des § 67 Abs. 8 lit. g zweiter Satz EStG 1988 zum Tragen, wonach ein Fünftel der Nachzahlung im Insolvenzverfahren steuerfrei zu belassen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie verwies darauf, dass § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 in der ab dem Veranlagungsjahr 2001 geltenden Fassung die Anwendung des Hälftesteuersatzes nur mehr für Pensionsabfindungen bis zu einem im vorliegenden Fall überschrittenen Betrag vorsehe und der Standpunkt, es sei die Rechtslage des Jahres 1996 anzuwenden, aus der Übergangsregelung des § 124b Z 53 EStG 1988 nicht ableitbar sei. Pensionsabfindungen seien im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen und nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage zu versteuern.

Die Anwendung des § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 scheitere schon daran, dass keine "Nachzahlung" im Sinne dieser Bestimmung vorliege. Bei solchen Nachzahlungen gehe es nach der "analogen Norm" des § 67 Abs. 8 lit. a (gemeint, wie die Gegenschrift klarstellt: lit. c) EStG 1988 um die Zahlung von Arbeitslohn, der bei einem normalen Lauf der Dinge bereits in früheren Lohnzahlungszeiträumen ausbezahlt hätte werden sollen, wobei die rechtzeitige Auszahlung aber aus Gründen, die nicht im Belieben des Arbeitgebers gestanden sind, unterblieben sei. Bei der Pensionsabfindung handle es sich "somit um keine Nachzahlung in einem Insolvenzverfahren (...) sondern um eine Abgeltung künftiger Pensionsansprüche".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Zur Versteuerung mit der Hälfte des Steuersatzes:

Die Beschwerde macht nicht geltend, die Pensionsabfindung sei nach der für das Jahr 2003 geltenden Rechtslage ganz oder teilweise mit der Hälfte des Steuersatzes zu versteuern. Argumentiert wird weiterhin, es sei die Rechtslage des Jahres 1996 anzuwenden, was nun auf die durch das AbgÄG 2005, BGBl. I Nr. 161/2005, in § 19 Abs. 1 EStG 1988 eingefügte Regelung betreffend Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gestützt wird. Diese Regelung, so der in der Beschwerde vertretene Standpunkt, habe nur der Klarstellung gedient, weshalb sie auch im Beschwerdefall zu berücksichtigen sei.

Zu dieser nicht zutreffenden Ansicht genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das einen Zufluss von Insolvenz-Ausfallsgeld betreffende hg. Erkenntnis vom 30. März 2011, 2008/13/0053, zu verweisen.

2. Zum steuerfrei zu belassenden Fünftel:

Auf das genannte Erkenntnis ist auch insoweit zu verweisen, als der Verwaltungsgerichtshof darin die Neufassung des § 67 Abs. 8 EStG 1988 durch das BudgetbegleitG 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, und die Erläuterung der in der vorliegenden Beschwerde ins Treffen geführten lit. g dieses Absatzes in den Gesetzesmaterialien erörtert hat, wobei das Erkenntnis allerdings keine Pensionsabfindung betraf.

Die Bestimmung lautet in der für das Jahr 2003 maßgeblichen Fassung:

"g) Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren sind, soweit sie Bezüge gemäß § 67 Abs. 3, 6 oder 8 lit. e oder f betreffen, mit dem festen Steuersatz zu versteuern. Von den übrigen Nachzahlungen ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Der verbleibende Betrag ist als laufender Bezug mit einer vorläufigen laufenden Lohnsteuer in Höhe von 15% zu versteuern."

Der Standpunkt der belangten Behörde, eine im Konkurs ausgezahlte (Quote einer) Pensionsabfindung könne keine "Nachzahlung" im Sinne dieser Vorschrift sein, weil mit Pensionsabfindungen künftige Ansprüche abgegolten würden, ist mit dieser Rechtslage nicht vereinbar, weil die Bestimmung u.a. auf "Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren" Bezug nimmt, die "Bezüge gemäß § 67 Abs. (...) 8 lit. e" betreffen. Bei diesen "Bezügen" handelt es sich um die "Zahlungen für Pensionsabfindungen", deren Barwert den in § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 genannten Betrag nicht übersteigt. Können Pensionsabfindungen demnach aber, entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, "Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren" sein, so müssen sie in Fällen, in denen der in § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 genannte Betrag überschritten wird und nur deshalb kein Bezug im Sinne dieses Buchstabens vorliegt, auch zu den "übrigen Nachzahlungen" im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. g zweiter Satz EStG 1988 gehören können.

Dem steht auch nicht entgegen, dass "Zahlungen für Pensionsabfindungen", deren Barwert den maßgeblichen Betrag übersteigt, nach § 124b Z 53 EStG 1988 "gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen" sind, worin zum Ausdruck kommt, dass solche "Zahlungen" zu den in Abs. 10 genannten Bezügen zählen, "die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen". Dass für eine Subsumtion unter § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 zu hohe Pensionsabfindungen in Insolvenzfällen nicht zu den (übrigen) "Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren" gehören können, ist daraus nicht ableitbar.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. September 2012

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