Normen
BAO §303 Abs4;
BAO §303 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Vermietungsgemeinschaft machte in ihren Abgabenerklärungen für den Streitzeitraum 2001 bis 2004 jeweils als "REP.FOND, BK" deklarierte gemeinsame Werbungskosten geltend, die ("REP.FOND") die Beiträge zur Rücklage gemäß § 16 Wohnungseigentumsgesetz 1975 bzw. § 31 Wohnungseigentumsgesetz 2002 enthielten. Bei den für den Streitzeitraum ergangenen Feststellungsbescheiden gemäß § 188 BAO wurden diese Werbungskosten berücksichtigt.
Im Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis einer u.a. den Streitzeitraum umfassenden Außenprüfung im Jahr 2006 wertete die Prüferin, wie es im angefochtenen Bescheid bei der Darstellung des Verfahrensganges heißt, "die Anerkennung des Werbungskostencharakters im Sinn des § 16 Abs. 1 EStG 1988 nur hinsichtlich der auf das Objekt entfallenden 'Aufwendungen' als neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO". Im Bericht selbst heißt es, "anstelle der Zuführung zum Reparaturfond" im Sinne der "Dotierung Reparaturfond lt. Erkl." würden "die tatsächlichen Aufwendungen als Werbungskosten angesetzt". Als Wiederaufnahmsgrund wird in dem Bericht nur erwähnt, hinsichtlich der Feststellungsbescheide seien "Feststellungen getroffen" worden, "die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen".
Das Finanzamt nahm die Verfahren mit Bescheiden vom 29. März 2006 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ neue Feststellungsbescheide, in denen es die Dotierungen der Rücklage nicht mehr als Werbungskosten berücksichtigte und stattdessen auf Ausgaben aus der Rücklage abstellte. Die Begründungen verwiesen dazu und zu den Wiederaufnahmen auf den Bericht über die Außenprüfung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Vermietungsgemeinschaft gegen die Wiederaufnahmen und die neuen Feststellungsbescheide als unbegründet ab. Den Wiederaufnahmsgrund umschrieb sie in ihren Erwägungen wie folgt:
"Die Bereitstellung von Geldern, ohne deren Abfluss aus dem Verwaltungsvermögen der WEG in Zusammenhang mit der Betätigung der Bw. anhand von den Abgabenerklärungen entsprechenden Rechnungen nachzuweisen, stellte eine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO dar, deren Kenntnis allein einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde gegen diesen Bescheid, die sich auch gegen die Wiederaufnahmen richtet, nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Fällen - "in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte". Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung sind keine Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2009, 2008/16/0148).
Im angefochtenen Bescheid münden die allgemein gehaltenen, dem zuvor zitierten Satz unmittelbar vorangehenden Rechtsausführungen der belangten Behörde zum Begriff der "Tatsachen" im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO in den Hinweis, "solche Tatsachen" seien "beispielsweise die Nichtverausgabung von geltend gemachtem Erhaltungsaufwand (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Februar 1994, 90/13/0071)." In der Gegenschrift verteidigt die belangte Behörde die Bestätigung der Wiederaufnahmen mit dem Satz, "dass dem Erachten des Referenten nach es an einem Wiederaufnahmegrund für die vorweggenommene amtswegige Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren nicht fehlt, womit die amtswegige Wiederaufnahme der rechtskräftigen Feststellungsverfahren gesetzeskonform war." Damit wird insbesondere nicht dargetan, bei der Erlassung der ursprünglichen Bescheide sei - im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 16. Februar 1994, übertragen auf den vorliegenden Fall - davon ausgegangen worden, die deklarierten Werbungskosten ("REP.FOND") hätten sich nicht auf die Dotierung der Rücklage, sondern auf Ausgaben aus derselben bezogen. Eine solche Behauptung widerspräche auch der Bezeichnung des Wiederaufnahmsgrundes im angefochtenen Bescheid ("Bereitstellung von Geldern") und dem Bericht über die Außenprüfung ("Dotierung Reparaturfond lt. Erkl.").
Als Wiederaufnahmsgrund diente demnach, was auch in der Darstellung des Verfahrensganges im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommt, die geänderte rechtliche Beurteilung der Zuführung von Beträgen zur Rücklage und nicht das Hervorkommen von "Tatsachen", die für die Beurteilung der Frage der Anerkennung von Dotierungen der Rücklage - an Stelle der aus der Rücklage getätigten Aufwendungen - als Werbungskosten von Bedeutung gewesen wären.
Schon die Wiederaufnahmen widersprachen daher dem Gesetz, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 31. Juli 2012
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