Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1999, Zl. 98/04/0114, vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0107, und vom 26. April 2006, Zl. 2001/04/0207, verwiesen.
Mit Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. Juni 1997 wurde die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei (bestehend aus einer Einstell- und Lagerhalle mit Werkstätte, einem Lager, Sozial- und Büroräumen, Sandlagerboxen, einer Haustankstelle, einem Waschplatz, einem Personalgebäude sowie einem Nebengebäude) an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 74 iVm § 77 GewO 1994 und § 93 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz unter Auflagen gewerbebehördlich genehmigt und die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin (die damals den Namen Mag. W. trug) und des Zweitbeschwerdeführers, soweit hier wesentlich, abgewiesen.
Als Auflagepunkt 1. wurde vorgeschrieben:
"1. In der Zeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens dürfen nur max. fünf Lkw gleichzeitig warmlaufen. Die Lkw sind hiebei in Richtung Lagerhalle abzustellen."
In der Begründung dieses Bescheides wurde auf das lärmtechnische Gutachten des Dipl. Ing. P. Bezug genommen, wonach "kritische, besonders zu beachtende Störbereiche das Warmlaufen und Ausfahren" der Lkw am Montag zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr seien, wobei das "Warmlaufen" im Durchschnitt 10 Minuten dauere und bei Lkw für den Aufbau der Druckluftbremsanlage notwendig sei.
Mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 11. Mai 1998 wurde aufgrund der Berufung (auch) der nunmehrigen Beschwerdeführer die Betriebsbeschreibung des Einreichprojekts u.a. dahin spezifiziert, dass die Betriebsanlage unter anderem dem "Abstellen von 20 Lkw-Zügen und 10 Baumaschinen dient". Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. März 1999, Zl. 98/04/0114, im Wesentlichen deshalb aufgehoben, weil die belangte Behörde aktenwidrig davon ausgegangen sei, dass nach dem von ihr eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm nicht zu erwarten sei, habe doch der Sachverständige einerseits die am Morgen (5.00 Uhr bis 6.00 Uhr) in der Betriebsanlage verursachten Lkw-Fahrgeräusche als schlafbeeinträchtigend bezeichnet und andererseits hinsichtlich der tagsüber vom Freilager herrührenden Lärmimmissionen eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens nicht ausschließen können.
In der Folge erließ die belangte Behörde die (Ersatz-)Bescheide vom 20. April 2000 (aufgehoben durch das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0107, weil die mit dem letztzitierten Bescheid konkretisierte Betriebsbeschreibung hinsichtlich der zulässigen Betriebszeiten im Widerspruch zum obgenannten Auflagenpunkt 1. stand) und vom 4. September 2001 (aufgehoben durch das hg. Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2001/04/0207, weil in der Begründung des letztgenannten Bescheides weder auf die von den Beschwerdeführern vorgelegte schalltechnische Stellungnahme des Zivilingenieurs für technische Physik, Dipl. Ing. Dr. K., noch auf die dazu erstattete gutachtliche Äußerung des gewerbetechnischen Amtssachverständigen eingegangen worden und die letztgenannte Äußerung auch nicht dem Parteiengehör unterzogen worden sei).
Mit dem nunmehr angefochtenen neuerlichen (Ersatz-)Bescheid vom 16. April 2007 entschied die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 63 Abs. 1 VwGG wie folgt:
"Der Auflagenpunkt 1 des angefochtenen Bescheides wird behoben.
Die Betriebsbeschreibung wird folgendermaßen spezifiziert:
'Die Betriebszeiten haben zu lauten:
Montag bis Freitag von 6.00 bis 20.00 Uhr
Samstag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr.
Der gesamte Bereich der für Kfz-Fahrten vorgesehenen Flächen wird asphaltiert. Die Asphaltierung wird - abgesehen von für das Ablaufen von Regenwasser erforderlichen geringfügigen Krümmungen - plan ausgeführt und auch nur mit schwachen Krümmungen und kantenfrei im Bereich der Zu- und Abfahrt an die Befestigung der Bezirksstraße angeschlossen.
Die Servicehalle verfügt in ihrer Gesamtheit über ein mittleres Schalldämmmaß von mindestens 24 dB. Die zwischen Lagerhalle und Servicehalle geplante Schutzmauer wird in sich dicht ausgeführt und dicht an die Lagerhalle und dicht an die Servicehalle angeschlossen. Diese Schutzmauer reicht mindestens bis zur Höhe der Traufe der Lagerhalle bzw. der Servicehalle d. h. mindestens bis zur Höhenkote 399,20 und weist ein mittleres Schalldämmmaß von mindestens 21 dB auf. Die in Richtung Liegenschaft Mag. K weisenden Servicehallentore verfügen über ein mittleres Schalldämmmaß von mindestens 20 dB.
Waschvorgänge in der Servicehalle werden nur bei vollständig geschlossenen Ein- und Ausfahrtstoren durchgeführt. Die Tore werden auch während des Warmlaufens von Lkw und der Durchführung sonstiger mit Lärm verbundener Arbeiten geschlossen gehalten.
Das ursprünglich Richtung Nachbarliegenschaft S geplante Freilager wird nicht errichtet.
Die Betriebsanlage dient - unter anderem - dem Abstellen von 20 Lkw-Zügen und 10 Baumaschinen.' "
In der Begründung gab die belangte Behörde den Verfahrensgang (eingeholte Gutachten) wieder und führte aus, sie habe den Parteien die gutachtliche Äußerung des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 7. August 2001 (samt einem zugehörigen, hier nicht weiter relevanten Aktenvermerk) sowie das (im angefochtenen Bescheid wiedergegebene, im Verwaltungsakt aber nicht enthaltene) Gutachten des technischen Sachverständigen vom 28. September 2006 zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerdeführer hätten mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 die schalltechnische Stellungnahme des Dipl. Ing. Dr. K. vom 4. Dezember 2006, in der dieser auf seine frühere Stellungnahme vom 24. Oktober 2001 hingewiesen habe, vorgelegt (auch die letztgenannten drei Schriftstücke wurden dem Verwaltungsgerichtshof mit den Verwaltungsakten nicht vorgelegt).
In seiner Stellungnahme habe Dipl. Ing. Dr. K. die Befürchtung vorgebracht, dass beim "Warmlaufenlassen der Lkw-Motoren nach 6.00 Uhr früh" die Anzahl der gleichzeitig warmlaufenden Motoren nicht auf 5 Lkw beschränkt sei und dass diese Lkw zum Warmlaufen nicht nur im abgeschirmten Bereich östlich der Servicehalle aufgestellt würden.
Dazu sei seitens der belangten Behörde auszuführen, dass sich sämtliche Abstellplätze für die Lkw nach den Einreichplänen projektsgemäß östlich der Servicehalle bzw. der anschließenden Schutzmauer befänden, somit in einem Bereich, der gegenüber der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin abgeschirmt sei. Diese Abstellplätze hätten jedoch aufgrund der großen Anzahl unterschiedlichen Abstand zur Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin. Berechnungen hätten ergeben, so die belangte Behörde weiter, dass die "theoretische Schallpegelzunahme, die durch das Heranrücken der Lkw-Abstellplätze an die Liegenschaft" der Erstbeschwerdeführerin hervorgerufen werde, durch die Erhöhung der Abschirmwirkung der Servicehalle bzw. der Schutzmauer "annähernd ausgeglichen wird". Würden daher auf den projektierten Lkw-Abstellplätzen gleichzeitig 20 Lkw-Motoren warmlaufen, so ergäbe dies - so die belangte Behörde unter Verweis auf die "gutächtliche Äußerung vom 7.3.2001" - gegenüber dem Warmlaufen von bloß 5 Lkw-Motoren, bezogen auf den Immissionspunkt der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin, eine Erhöhung "um ca. 6 dB" (somit am Balkon der Erstbeschwerdeführerin Werte von 45-55 dB und im Haus der Erstbeschwerdeführerin Werte von 40-50 dB).
Im Hinblick auf die spruchgemäße Einschränkung der Betriebszeiten (Betriebsbeginn 6.00 Uhr früh; ein Warmlaufen der Lkw vor diesem Zeitpunkt sei daher nicht gestattet) und den ebenfalls aus dem Spruch hervorgehenden Umstand, dass das Freilager nicht zur Ausführung gelange, ergebe sich vor dem Hintergrund der eingeholten gewerbetechnischen und medizinischen Gutachten, dass Beeinträchtigungen der Nachbarn im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 nicht zu erwarten seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die (nach dem Gesagten offenbar nicht vollständigen) Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen in ihrer Beschwerde im Zusammenhang mit der von ihnen vorgelegten schalltechnischen Stellungnahme des Dipl. Ing. Dr. K. vor, mit dem angefochtenen Bescheid werde der mitbeteiligten Partei keine Einschränkung mehr hinsichtlich der Anzahl der gleichzeitig warmlaufenden Lkw auferlegt. Dies bedeute, dass die mitbeteiligte Partei nach 6.00 Uhr beispielsweise auch 20 Lkw-Motoren gleichzeitig warmlaufen lassen könne, was zu erheblichen Lärm-, aber auch Abgasemissionen führe. Diese Geräusch- und Abgasquelle sei weder in die technische noch in die medizinische Begutachtung einbezogen worden.
Zunächst ist festzuhalten, dass durch den Spruch des angefochtenen Bescheides und die dort vorgenommene Präzisierung der Betriebsbeschreibung einerseits betreffend den Betriebsbeginn (ab 6.00 Uhr) und andererseits betreffend die Nichterrichtung des Freilagers die im zitierten hg. Vorerkenntnis Zl. 98/04/0114 angesprochenen Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung bzw. unzumutbare Belästigung ausgeräumt wurden, soweit diese Bedenken (aufgrund des im Vorerkenntnis zitierten medizinischen Gutachtens) aus der betriebskausalen Lärmentwicklung vor 6.00 Uhr bzw. aus dem Betrieb des Freilagers resultierten.
Hingegen sind im Spruch des angefochtenen Bescheides keine Vorkehrungen gegen eine Gesundheitsgefährdung bzw. unzumutbare Belästigung getroffen, sofern diese aus dem "gleichzeitigen Warmlaufenlassen" der Motoren der 20 Lkw-Züge ab 6.00 Uhr morgens resultieren sollten: Daran vermag weder der vorgeschriebene Entfall des (eingangs zitierten) Auflagenpunktes 1. etwas zu ändern (dieser betraf ohnedies bloß den Zeitraum vor 6.00 Uhr), noch die Konkretisierung der Betriebsbeschreibung, wonach die Tore der Servicehalle beim Warmlaufen geschlossen zu halten sind (weil dies nicht das in Rede stehende Warmlaufen der Motoren auf den Abstellplätzen betrifft).
Entscheidend ist daher, ob die Ansicht der belangten Behörde, selbst bei gleichzeitigem Warmlaufenlassen der Motoren der 20 Lkw-Züge ab 6.00 Uhr morgens komme es für die beschwerdeführenden Nachbarn weder zu einer Gesundheitsgefährdung noch zu einer unzumutbaren Belästigung, auf einer tragfähigen (nachvollziehbaren) Begründung beruht. Dies ist jedoch aus folgenden Gründen zu verneinen:
Die belangte Behörde hat ihre Ansicht einerseits damit begründet, dass die "theoretische Schallpegelzunahme", die sich durch 20 (anstelle von 5) warmlaufende Lkw-Motoren ergebe, durch die Abschirmwirkung der Gebäude "annähernd ausgeglichen" werde und andererseits das Ausmaß dieser Schallpegelzunahme mit ca. 6 dB angegeben. Diesbezüglich fehlen aber nach den vorgelegten Verwaltungsakten (vgl. zu den Rechtsfolgen einer allfälligen nicht vollständigen Aktenvorlage § 38 Abs. 2 VwGG) nicht nur Ermittlungsergebnisse, die für die genannte Annahme der belangten Behörde sprechen: Aussagen dazu finden sich insbesondere weder in der von der belangten Behörde als Beleg genannten gutachtlichen Äußerung des technischen Sachverständigen vom 7. März 2001, noch in jener vom 7. August 2001 (beide Äußerungen betrafen vielmehr das Warmlaufenlassen von bloß 5 Lkw-Motoren), noch in der (auf Seite 47 des Bescheides zitierten, aber nicht vorgelegten) technischen Stellungnahme vom 28. September 2006. Ebenso fehlen Äußerungen eines medizinischen Sachverständigen über die Auswirkungen der durch das gleichzeitige Warmlaufenlassen der Motoren hervorgerufenen Schallpegelzunahme auf den menschlichen Organismus. Da der angefochtene Bescheid somit keine nachvollziehbare Begründung über die Auswirkungen des gleichzeitigen Warmlaufenlassens von 20 Lkw-Motoren auf den Abstellplätzen der gegenständlichen Betriebsanlage enthält und vor dem Hintergrund u.a. der Bescheidbegründung davon ausgegangen werden muss, dass dieses Betriebsgeschehen durch die vorliegende Genehmigung erfasst wird (vgl. zur notwendigen Beurteilung jener Situation, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind, etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, Zl. 2007/04/0168, mit Hinweis auf die Vorjudikatur), erweist er sich als rechtswidrig.
Bei diesem Ergebnis braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen (das allerdings schon durch die eingangs zitierten Vorerkenntnisse zum Teil als unbegründet beurteilt wurde) nicht näher eingegangen zu werden.
Für das fortgesetzte Verfahren wird angemerkt, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Schallpegelmessungen vom November 1997 stammen und daher nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 28. September 2011, Zl. 2011/04/0117) keine ausreichende Beurteilungsgrundlage mehr darstellen. Im weiteren Verfahren werden daher auch Erhebungen (Messungen) über die aktuelle (und im Hinblick auf das zulässige Betriebsgeschehen für die Nachbarn ungünstigste) Lärmsituation durchzuführen und deren Ergebnisse der ergänzenden Begutachtung durch einen ärztlichen Sachverständigen zu unterziehen sein.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 2. Februar 2012
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