VwGH 2011/23/0262

VwGH2011/23/026220.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Mai 2008, Zl. E1/137.721/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, war am 28. April 2003 über den Flughafen Wien-Schwechat nach Österreich eingereist und hatte am 2. Mai 2003 einen Asylantrag eingebracht, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Oktober 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen worden war. Unter einem war gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig sei. Über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung war bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht entschieden worden.

Am 18. April 2007 wurde der Beschwerdeführer von Finanzbeamten gegen 22.30 Uhr in einem Kebabstand in Wien dabei betreten, als er eine Anrichte putzte. Er trug einen gelben Pullover mit der Aufschrift des Unternehmens, eine weiße, mit Essensresten verschmutzte Kochschürze, eine schwarze Hose und schwarze Hausschuhe. Auf dem ihm ausgefolgten Personalblatt in türkischer Sprache vermerkte der Beschwerdeführer, dass er seit 1. April 2007 bei der U-GmbH als Putzkraft mit einer täglichen Arbeitszeit von 20 Uhr bis 22 Uhr beschäftigt sei. Über seine Entlohnung habe er mit seinem - ebenfalls namentlich angeführten - Chef noch nicht gesprochen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. Mai 2008 verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein Rückkehrverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Begründend führte sie - ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt und unter Einbeziehung der übernommenen Begründung im erstinstanzlichen Bescheid - im Wesentlichen aus, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer der U-GmbH mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. Oktober 2007 wegen § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 zweiter Strafsatz Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wegen der Beschäftigung des Beschwerdeführers in dem von der U-GmbH betriebenen Kebabstand rechtskräftig verurteilt worden sei. Die widerstreitenden Angaben des Beschwerdeführers seien dabei als konstruiert und nicht glaubwürdig bewertet worden. Wenn auch das rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren gegen den zur Vertretung der U-GmbH Befugten geführt worden sei, stehe damit doch fest, dass der Beschwerdeführer bei einer unerlaubten Beschäftigung nach dem AuslBG betreten worden sei. Seine dagegen im Rückkehrverbotsverfahren erhobene Einwendung, dass es sich um einen Gefälligkeitsdienst im Familienkreis gehandelt habe, würdigte die belangte Behörde mit näherer Begründung als "reine Schutzbehauptung".

Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesbestimmungen schloss die belangte Behörde rechtlich, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbotes vorlägen. Zum einen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 (gemeint: Z 8) FPG erfüllt und die illegale Beschäftigung des Beschwerdeführers als erwiesen anzusehen. Zum anderen rechtfertige dieses Verhalten aber auch die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere dem Schutz der öffentlichen Ordnung zuwiderlaufe.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass in Österreich die Tante des Beschwerdeführers lebe, bei der er wohne, sowie zwei seiner Onkeln. Er sei ledig, habe keine Sorgepflichten für Kinder und sei seit fünf Jahren im Bundesgebiet (als Asylwerber) aufhältig. In den heimischen Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer nicht integriert; er bestreite seinen Unterhalt durch die Grundversorgung sowie durch die behauptete finanzielle Unterstützung seiner in Österreich lebenden Verwandten. Eine ergänzende Schul- oder Berufsbildung in Österreich habe der Beschwerdeführer nicht absolviert. Die demnach geringe Integration des Beschwerdeführers werde auch insofern noch relativiert, als sein bisheriger Aufenthalt nur auf einem (in erster Instanz abgewiesenen) Asylantrag beruhe.

Davon ausgehend ging die belangte Behörde von einem "gewissen" mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers aus. Die Zulässigkeit dieser Maßnahme sei jedoch im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von gegen die Regelungen des AuslBG erbrachter Arbeit zu bejahen und als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Den berechtigten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" gegenüber. Insgesamt hätten etwaige private Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers würden keinesfalls schwerer wiegen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe. Mangels sonstiger, besonders zu seinen Gunsten berücksichtigungswürdiger Umstände könne von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

Die festgesetzte Gültigkeitsdauer von fünf Jahren sei im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers gerechtfertigt, weil auch unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden könne, dass die für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Mai 2008) maßgebliche Fassung des genannten Gesetzes.

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 (u.a.) jene des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG. Nach dieser Bestimmung hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend seine Betretung bei einer Tätigkeit, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr. Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG erfüllt sei, begegnet somit keinen Bedenken.

Dies indiziert die Gefährdungsprognose des § 62 Abs. 1 FPG, weshalb die entsprechende Annahme der belangten Behörde keinem Einwand begegnet.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang zunächst meint, dass das Verhalten des Beschwerdeführers überdies eine tatsächliche, gegenwärtige, erhebliche Gefahr darstellen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, übersieht sie, dass diese "Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung" nach § 86 Abs. 1 FPG nur in Verfahren gegen "freizügigkeitsberechtigte" EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige Anwendung finden (vgl. zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen im FPG das Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Diesen Personengruppen gehört der Beschwerdeführer nicht an.

Die Beschwerde wendet in Bezug auf die Gefährdungsprognose noch ein, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dem Beschwerdeführer seien mehrere Verstöße gegen das AuslBG zur Last zu legen, bei denen er betreten worden sei. Dabei bezieht sie sich auf eine Passage in der Begründung, wonach die Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer "schon im Hinblick auf den kurzen Zeitraum seit der letzten Betretung nicht positiv ausfallen" könne. Damit hat die belangte Behörde erkennbar aber nicht auf mehrere unrechtmäßige Beschäftigungen des Beschwerdeführers - wiewohl er in seiner Vernehmung gegenüber den einschreitenden Finanzbeamten zugestanden hatte, diese Tätigkeit schon seit zwei Wochen auszuüben - abgestellt, sondern zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeitraum seit der Betretung bis zur Bescheiderlassung zu kurz sei, um schon wegen eines Wohlverhaltens in dieser Phase eine positive Prognose erstellen zu können.

Im Übrigen wenden sich die Beschwerdeausführungen vorrangig gegen die vorgenommene Interessenabwägung und die Ermessensübung.

Nach § 62 Abs. 3 FPG gilt bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes (u.a.) auch der - nach seinem Wortlaut nur auf Ausweisungen abstellende - § 66 FPG. Danach ist ein Rückkehrverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG darf eine solche Maßnahme jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn deren Auswirkungen auf die Situation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei der Entscheidung über ein Rückkehrverbot ist der Behörde überdies Ermessen eingeräumt.

Entgegen der Meinung in der Beschwerde ist die Beurteilung der belangten Behörde unter den erwähnten Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie hat nämlich auf die bisherige Aufenthaltsdauer (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) von etwa fünf Jahren, auf die dadurch bewirkte Integration des Beschwerdeführers und den Aufenthalt von zwei Onkeln und einer Tante in Österreich, wobei der Beschwerdeführer mit Letzterer im gemeinsamen Haushalt lebt und von diesen Verwandten finanzielle Unterstützung erhält, ausreichend Bedacht genommen. Weitere für die Integration bedeutsame und entscheidungswesentliche Umstände werden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht. Soweit die Beschwerde fehlende Ermittlungen zu einem vom Beschwerdeführer in Österreich aufgebauten Freundeskreis und zur Möglichkeit der Fortsetzung dieses Privatlebens im Herkunftsland vermisst, ist dieses Vorbringen für eine ausreichende Relevanzdarstellung zu unbestimmt. Die belangte Behörde hat den persönlichen Interessen zutreffend jedoch nur ein geringes Gewicht beigemessen, stützte sich sein bisheriger Aufenthalt nur auf eine vorläufige Berechtigung nach dem Asylgesetz. Diesem persönlichen Interesse steht die gravierende Beeinträchtigung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" gegenüber. Aus diesem Grund kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich und verwaltungsrechtlich unbescholten ist, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern (vgl. das einen ähnlichen Fall betreffende Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2009/18/0190).

Es ist - anders als die Beschwerde meint - auch nicht zu sehen, dass im Hinblick auf die angeführten Umstände aus Ermessensgründen von der Erlassung des Rückkehrverbotes hätte Abstand genommen werden müssen.

Schließlich bestehen auch gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes - entgegen den Beschwerdeausführungen - keine Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufenthalts- oder Rückkehrverbot unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa jüngst das Erkenntnis vom 22. September 2011, Zl. 2008/18/0466, mwN). Die Annahme der belangten Behörde, dass dies im gegenständlichen Fall erst nach Ablauf von fünf Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkte maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von gegen die Bestimmungen des AuslBG erbrachter Arbeit keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt auch keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Beschwerde unbegründet ist und sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Dezember 2011

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