VwGH 2011/22/0301

VwGH2011/22/030113.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des C in Wien, vertreten durch Dr. Martina Withoff, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Hauptplatz 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. September 2011, Zl. 154.997/2-III/4/09, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 16. September 2009 betreffend die Versagung einer Erstniederlassungsbewilligung als verspätet zurück und im Instanzenzug die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die erste Instanz ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides durch Hinterlegung rechtswirksam am 15. Oktober 2009 erfolgt und die Berufung erst am 30. Oktober und daher verspätet eingebracht worden sei. Der Beschwerdeführer habe den Antrag auf Wiedereinsetzung damit begründet, dass seine Mutter Dr. Franz W gegenüber irrtümlich als Hinterlegungsdatum den 16. und nicht richtigerweise den 15. Oktober 2010 mitgeteilt habe. Es hätten mehrere Konsultationen zwischen der Mutter des Beschwerdeführers, Dr. Franz W und der Vertreterin Dr. Martina W stattgefunden, weshalb Irrtümer und Kommunikationsmängel mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen seien. Die Vertreterin des Beschwerdeführers hätte "vom verwaltungsnotorischen Usus berufsmäßiger Parteienvertreter der Einbringung von Rechtsmitteln am letzten Tag der Frist ausnahmsweise Abstand nehmen" müssen. Den Beschwerdeführer treffe daher "durchaus ein Verschulden und nicht bloß ein minderer Grad des Versehens". Er müsse sich die verspätete Berufungseinbringung durch die rechtsfreundliche Vertreterin jedenfalls zurechnen lassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (Z 1). Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist dabei als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Dabei ist der Partei ein Verschulden ihres Vertreters zuzurechnen (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG § 71 Rz. 44).

Es gehört zu den Pflichten des Rechtsanwalts, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung durch Befragung der Partei oder durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde festzustellen. So hat der Gerichtshof im Erkenntnis vom 30. August 2007, 2007/21/0242, 0243, festgehalten, es stelle eine auffallende Sorglosigkeit dar, wenn sich ein Rechtsanwalt mit den mehrdeutigen Angaben einer nicht rechtskundigen Partei zufrieden gibt. Es ist davon auszugehen, dass einer rechtsunkundigen Partei der Zeitpunkt der "Hinterlegung" eines Schriftstücks nicht ohne weiteres klar ist und dieser Zeitpunkt erfahrungsgemäß oft mit dem Datum der Behebung des Schriftstücks verwechselt wird.

Dass in einem solchen Fall eine besondere Sorgfalt bei der Erforschung des Zustelldatums anzuwenden ist, hat Dr. Franz W als emeritierter Rechtsanwalt auch erkannt, wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dieser sei "den Umgang mit Fristen gewohnt und hat diese Frist auch hinterfragt". Es wird aber jegliche Konkretisierung unterlassen, auf welche Weise diese "Hinterfragung" erfolgt wäre. Die bloße Frage nach dem Datum stellt sich dabei als nicht ausreichend dar. Somit ist der belangten Behörde Recht zu geben, dass der Vertreterin des Beschwerdeführers ein nicht bloß minderer Sorgfaltsverstoß anzulasten ist, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hindert.

Für dieses Ergebnis ist im Übrigen nicht relevant, in welcher Funktion Dr. Franz W tätig geworden ist. Auch wenn er nicht selbst bevollmächtigt war, ist ein fehlendes oder geringeres Verschulden der Vertreterin des Beschwerdeführers nicht gegeben, liegt doch die Fristbestimmung, also auch die Eruierung des Beginns der Frist, allein in der Verantwortung des Parteienvertreters. Tut er dies nicht, ist ihm eine fehlerhafte Berechnung zuzurechnen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. September 2009, 2009/18/0282).

Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, inwieweit der Partei selbst (oder einer rechtsunkundigen Vertreterin) der Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung vorwerfbar ist (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 30. September 1997, 97/08/0127).

Nicht von Relevanz ist aber auch der Vorwurf im angefochtenen Bescheid, dass die Rechtsanwältin nicht bis zum letzten Tag der angenommenen Frist mit der Berufungseinbringung zuwarten hätte dürfen. Die darauf bezogenen Beschwerdeausführungen gehen somit ins Leere. Dass Dr. Franz W die Dokumente erst am Ende der Frist vollständig erhalten und an die Vertreterin erst am vermeintlich letzten Tag abgesandt habe, stellt - in der Beschwerde ausdrücklich zugestanden - eine Neuerung dar. Die Relevanz einer solchen Feststellung kann somit dahinstehen.

Die belangte Behörde hat daher frei von Rechtsirrtum zum einen die Berufung gegen die Versagung der Niederlassungsbewilligung zurückgewiesen und jene gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2011

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