VwGH 97/08/0127

VwGH97/08/012730.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, 1. über den Antrag der V in W, vertreten durch Dr. Ulf Zmölnig, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Schulgasse 5, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Februar 1997, Zl. 9-32-85/1996-3, betreffend Rückersatz von gewährter Sozialhilfe und 2. über die Beschwerde derselben Partei gegen diesen Bescheid, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dem Beschwerdeschriftsatz sowie den angeschlossenen Beilagen, ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt:

Die Bezirkshauptmannschaft F. verpflichtete die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 10. Juni 1996, gemäß §§ 39 Z. 1 und 46 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes dem zuständigen Sozialhilfeverband als Aufwandersatz für gewährte Überbrückungshilfen (Kosten für den Aufenthalt im Frauenhaus in der Zeit vom 1. August bis 24. Oktober 1995) einen Betrag in der Höhe von S 71.910,-- bis längstens 31. August 1996 zu ersetzen.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Dieser Bescheid wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 17. Februar 1997 am selben Tag beim zuständigen Postamt hinterlegt.

Die Beschwerdeführerin befand sich vom 12. (laut Bestätigung des Krankenhauses: 13.) bis 19. Februar 1997 stationär im Krankenhaus der Stadt W. Sie behob den Bescheid am Tag nach ihrer Entlassung am 20. Februar 1997.

Am 25. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführerin nachweislich ein Schreiben des Bezirksgerichtes W. in der Pflegschaftssache ihres minderjährigen Sohnes betreffend einen Unterhaltsherabsetzungsantrag des Kindesvaters zugestellt. In weiterer Folge erhielt die Beschwerdeführerin auch eine Zahlungsaufforderung der Bezirkshauptmannschaft F. vom 13. März 1997, worin ihr für die Überweisung des aushaftenden Betrages in Höhe von S 71.910,-- eine Frist bis 31. März 1997 gesetzt wurde.

Nach dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe die Beschwerdeführerin zunächst mit ihrem nunmehrigen Rechtsvertreter einen Besprechungstermin für den 26. März 1997 vereinbart. Wegen Verhinderung des Vertreters sei ein Ersatztermin für den 3. April 1997 um 16.30 Uhr vereinbart worden. Bei diesem Termin sei die Beschwerdeführerin der Auffassung gewesen, daß der angefochtene Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung erst "vor rund drei Wochen (unmittelbar vor der Zahlungsaufforderung der Bezirkshauptmannschaft F.)" zugestellt worden sei; einen genaueren Zeitpunkt habe sie nicht angeben können. Der Beschwerdeführerin sei nur erinnerlich gewesen, daß dieser Bescheid während ihres Krankenhausaufenthaltes hinterlegt worden sei; auch diesen Aufenthalt habe sie zeitlich nicht zuordnen können. Der Beschwerdeführerin sei auch die Fristsetzung des Aufforderungsschreibens der Bezirkshauptmannschaft F. vom 13. März 1997 zum 31. März 1997 wesentlich wichtiger erschienen als der diesem Schreiben zugrundeliegende Bescheid der belangten Behörde. Wegen des wiederholten Unterhaltsherabsetzungsbegehrens des Kindesvaters sei der Beschwerdeführerin der Bescheid der belangten Behörde "nicht vordringlich wichtig" erschienen, weshalb der genaue Zustelltag nicht notiert worden sei. Da die Besprechung mit der Beschwerdeführerin am 3. April 1997 erst nach 18.00 Uhr beendet gewesen sei, wären nähere Auskünfte bei der belangten Behörde betreffend des Zustellzeitpunktes des angefochtenen Bescheides nicht mehr einholbar gewesen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe daher seiner Kanzleiangestellten den Auftrag erteilt, gleich zu Dienstbeginn am 4. April 1997 den Zustelltag des Bescheides bei der belangten Behörde fernmündlich zu erheben. Diese habe daraufhin bekanntgegeben, daß die Zustellung durch Hinterlegung am 17. Februar 1997 erfolgt sei. Nach Mitteilung des zuständigen Postamtes sei der Rückscheinbrief am 20. Februar 1997 behoben worden. Durch die Zustellerhebung am 4. April 1997 sei somit das Fristversäumnis der sechswöchigen Beschwerdefrist offenkundig geworden. An diesem Tag sei auch das Hindernis der Fristwahrung weggefallen. Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vom 18. April 1997) sei somit die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gewahrt. An der Versäumung der Beschwerdefrist treffe die Beschwerdeführerin nur ein minderer Grad des Versehens.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind eine Erklärung des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin sowie der Kanzleibediensteten des Rechtsvertreters angeschlossen, in denen im wesentlichen der dargestellte Sachverhalt bestätigt wird.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung wurde Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 1997 erhoben und damit die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist aus folgenden Erwägungen nicht begründet:

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Zunächst ist dabei auf die Frage der Zustellung des angefochtenen Bescheides einzugehen:

Gemäß § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) ist ein Schriftstück dann, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Nach § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen.

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden konnte.

Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen bzw. die Anwendung des dritten Satzes des § 17 Abs. 3 ZustG nach sich ziehen würde, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie z.B. im Falle einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 20. Juni 1994, Zl. 94/10/0022, und vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0248).

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, daß der stationäre Krankenhausaufenthalt der Beschwerdeführerin vom

13. bis 19. Februar 1997 die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Hinterlegung unzulässig gemacht hat; es kommt daher der dritte Satz des § 17 Abs. 3 ZustG zur Anwendung.

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde diese am 19. Februar 1997 aus dem Krankenhaus entlassen. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß sie noch am selben Tag an ihren Wohnsitz (Abgabestelle) zurückgekehrt ist, wo sie von der schriftlichen Hinterlegungsanzeige Kenntnis genommen hat. Die Rückkehr der Beschwerdeführerin an die Abgabestelle bewirkte, daß die Zustellung mit dem folgenden Tag (20. Februar 1997) wirksam geworden ist. An diesem Tag wurde im übrigen der angefochtene Bescheid beim Postamt auch von der Beschwerdeführerin persönlich übernommen.

Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof lief daher für den am 20. Februar 1997 als zugestellt geltenden angefochtenen Bescheid am 3. April 1997 ab.

Die Beschwerdeführerin macht nun im wesentlichen als ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis geltend, daß sie sich über die Zeitpunkte der Zustellung verschiedener, hintereinander eingelangter behördlicher Schriftstücke geirrt habe. Dabei übersieht sie allerdings, daß ein so begründeter Irrtum keinen minderen Grad des Versehens darstellt (vgl. z.B. den Beschluß vom 5. Oktober 1994, Zlen. 94/08/0249, 0259, wonach den Beschwerdeführer die Verpflichtung trifft, den Zustelltag festzuhalten und den ausgewählten und beauftragten Rechtsanwalt darüber zu informieren, um damit überhaupt die Voraussetzung für eine fristgerechte Erhebung der Beschwerde zu schaffen).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

2. Da die Beschwerdefrist für den am 20. Februar 1997 als zugestellt geltenden angefochtenen Bescheid nach den obigen Ausführungen am 3. April 1997 abgelaufen ist, erweist sich die am 18. April 1997 erhobene Beschwerde als verspätet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.

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