VwGH 2011/22/0005

VwGH2011/22/00057.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Maus Riedherr Rechtsanwälte Partnerschaft in 5020 Salzburg, Kreuzbergpromenade 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 20. Oktober 2010, Zl. E1/3449/2010, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

11997E039 EG Art39;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art31 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art35;
62008CJ0127 Metock VORAB;
AVG §1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
11997E039 EG Art39;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art31 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art35;
62008CJ0127 Metock VORAB;
AVG §1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde - auf das für die gegenständliche Entscheidung Wesentliche zusammengefasst - davon aus, der Beschwerdeführer habe mit der in Österreich lebenden deutschen Staatsangehörigen B eine Scheinehe geschlossen und sich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen.

Zu ihrer Zuständigkeit führte die belangte Behörde wörtlich aus:

"Grundsätzlich wird festgestellt, dass Sie trotz Ihrer aufrechten Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin fremdenpolizeilich nicht als begünstigter Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 zu behandeln sind, da Ihre Ehe als sog. 'Scheinehe' qualifiziert wurde und Sie somit keinerlei fremdenpolizeilichen Sonderstatus innehaben."

Sodann merkte die belangte Behörde noch an, der Beschwerdeführer verfüge über keine Berechtigung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80, weil er einerseits seit 8. Oktober 2009 nicht mehr über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge und andererseits nicht die Voraussetzungen des Art. 7 ARB 1/80 erfülle.

Im Weiteren legte die belangte Behörde dar, weshalb von einer Scheinehe auszugehen sei und weshalb sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch unter dem Blickwinkel des § 66 FPG als zulässig erweise.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 15. Dezember 2010, B 1696/10-3, ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die deutsche Ehefrau (soweit die belangte Behörde im Rahmen der Erwägungen zu ihrer Zuständigkeit von deren österreichischen Staatsbürgerschaft ausging, handelt es sich mit Blick auf den sonstigen Bescheidinhalt um einen offenkundigen Schreibfehler) des Beschwerdeführers, die der Aktenlage zufolge seit 2001 in Österreich lebt, das ihr unionsrechtlich (damals: gemeinschaftsrechtlich) zustehende Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hätte. Anders als die belangte Behörde meint ist der Beschwerdeführer aber - ausgehend von den behördlichen Feststellungen, wonach die Ehe aufrecht sei - unabhängig davon, ob die Ehe als Scheinehe zu qualifizieren wäre, begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG, sodass gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG der örtlich zuständige unabhängige Verwaltungssenat und nicht die belangte Behörde als Berufungsinstanz tätig zu werden hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, 2007/18/0734, mwN). An dieser Beurteilung vermag auch nichts zu ändern, dass sich die Ehepartner erst in Österreich kennengelernt haben und die Ehe in Österreich geschlossen wurde (vgl. das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2008, C- 127/08 , Rs. Metock ua.). Aber selbst wenn die Ehe nicht mehr aufrecht sein sollte, wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren mit Blick auf ihre Zuständigkeit zu prüfen habe, ob dem Beschwerdeführer eine nach Art. 7 erster Spiegelstrich ARB 1/80 begünstigte Rechtsstellung zukommt, weil ihm der Aktenlage zufolge der Nachzug zu seinen türkischen Eltern am 11. Jänner 2008 gewährt wurde und er zudem vor Ablauf des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels einen das Begehren um Verlängerung des Aufenthaltsrechts miteinschließenden Zweckänderungsantrag eingebracht hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, 2008/21/0249, sowie § 24 Abs. 1 dritter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 7. April 2011

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