VwGH 2011/16/0027

VwGH2011/16/002722.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Dipl. Ing. S in W, vertreten durch Mag. Franz Galla, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Margaretenstraße 22/12, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 17. September 2010, Zl. ABK - 8/10, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §80;
BAO §9 Abs1;
DienstgeberabgabeG Wr §6a Abs1;
KommStG 1993 §6a Abs1;
KommStG 1993 §6a;
BAO §80 Abs1;
BAO §80;
BAO §9 Abs1;
DienstgeberabgabeG Wr §6a Abs1;
KommStG 1993 §6a Abs1;
KommStG 1993 §6a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war ab 5. Juni 2007 als Geschäftsführer der im Jahr 2006 gegründeten K. GmbH im Firmenbuch eingetragen. Er vertrat gemeinsam mit dem auch selbständig vertretenden Gesellschafter-Geschäftsführer R.H., ab 3. Juli 2007 gemeinsam mit dem mit ihm gemeinsam vertretenden Geschäftsführer R.K. und ab 8. Juli 2008 gemeinsam mit der auch selbständig vertretenden Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin J.N.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 11. Dezember 2008 wurde der Konkurs über die K. GmbH eröffnet.

Mit dem angefochtenen Bescheid zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes und gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe für Abgabenschuldigkeiten der K. GmbH in Höhe von 11.899,80 EUR an Kommunalsteuer samt 238 EUR an Säumniszuschlag und in Höhe von 335,52 EUR für Dienstgeberabgabe samt 6,71 EUR Säumniszuschlag jeweils für September 2008 sowie für Dienstgeberabgabe in Höhe von 1,62 EUR für das Jahr 2007 zur Haftung heran. Die zumindest erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenrückstände und die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der K. GmbH seien unstrittig. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der angeführten Abgaben bis längstens zum 15. des darauffolgenden Monats.

Der Beschwerdeführer habe sein Verschulden an der Pflichtverletzung damit bestritten, dass die K. GmbH am 8. Juli 2008 an J.N. "verkauft" worden sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine offenen Abgabenforderungen bestanden; ab der Übernahme der Gesellschaft durch J.N. hätte der Beschwerdeführer, weil er die Gesellschaft lediglich gemeinsam mit J.N. habe vertreten können, die Geschäftsführung nicht mehr ausüben können. Seit diesem Zeitpunkt sei J.N. nämlich nicht mehr erreichbar gewesen.

Dem halte die belangte Behörde entgegen, dass ein Geschäftsführer, wenn er an der Erfüllung seiner Pflichten gehindert werde, erforderlichenfalls im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführerbefugnis zurückzulegen habe. Dies habe der Beschwerdeführer erst mit eingeschriebenem Brief vom 22. Oktober 2008 erfüllt.

Zum Rückstand an Dienstgeberabgabe für 2007 habe die Abgabenbehörde Stellung genommen und mitgeteilt, dass nur mehr ein Betrag von 1,62 EUR für 2007 aushafte, weshalb nach Einräumung von Parteiengehör der Haftungsbetrag insoweit zu reduzieren gewesen sei.

Zur Ermessensübung führte die belangte Behörde aus, es spreche nichts dagegen, einen Geschäftsführer, der seine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt habe, zur Haftung heranzuziehen, bei Abstandnahme von der Haftung würde der Abgabengläubiger seines Anspruches allenfalls verlustig gehen und bei der Ausübung des Auswahlermessens gehe die belangte Behörde davon aus, dass dem Beschwerdeführer keine geringere Verantwortung treffe als die zweite Geschäftsführerin J.N., welche ebenfalls zur Haftung herangezogen worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht verletzt erachtet, nicht zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der K. GmbH herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 3 Abs. 1 BAO sind Abgaben im Sinn dieses Bundesgesetzes u.a. die Nebenansprüche aller Art. Zu den Nebenansprüchen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. d auch die Säumniszuschläge.

Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes - KommStG haften die in §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970, haften die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, Zl. 2011/16/0070). Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts anderes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 2010, Zl. 2010/16/0028).

Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung beraubt ist, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsicht und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 2010, Zl. 2009/13/0078).

Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden, richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2010, Zl. 2005/13/0086).

Dass in der K. GmbH eine Aufgabenteilung dergestalt stattgefunden hätte, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern seine Mitgeschäftsführerin J.N. für die steuerlichen Angelegenheiten zuständig gewesen wäre, hat er weder im Verwaltungsverfahren behauptet noch trägt er dies in der Beschwerde vor.

Hat im Beschwerdefall jedoch keine Aufteilung der Geschäftsführeragenden bestanden, so war der Beschwerdeführer verpflichtet, die ihn treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtung zu erfüllen oder zu überwachen, dass die auch vom anderen Geschäftsführer zu erfüllenden abgabenrechtlichen Pflichten erfüllt werden. War ihm dies aus in der Person des anderen Geschäftsführers gelegenen Gründen - wie behauptet - unmöglich, so hatte er die Geschäftsführung zurückzulegen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 10. August 2005, Zl. 2005/13/0089).

Daher durfte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, dass den Beschwerdeführer die oben aufgezeigte abgabenrechtliche Pflicht und die haftungsrechtliche Verantwortung trifft, weil er bei Zutreffen seiner Behauptung, ab 8. Juli 2008 wäre die andere Geschäftsführerin, mit der gemeinsam er die K. GmbH hätte vertreten können, für ihn nicht mehr greifbar gewesen, unverzüglich die erforderlichen Schritte hätte setzen müssen und mit der Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion nicht bis 22. Oktober 2008 hätte zuwarten dürfen.

Mit der Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei ihrer Begründungspflicht nach § 60 AVG nicht nachgekommen und habe nicht berücksichtigt, dass "zur Zeit des Verkaufes der K. GmbH keinerlei Abgabeforderungen bestanden" hätten, übersieht der Beschwerdeführer einerseits, dass die belangte Behörde nicht das AVG sondern die Bestimmungen der BAO anzuwenden hatte, und vernachlässigt er, dass er dem Vorhalt der belangten Behörde zur Höhe des Rückstandes von 1,62 EUR für 2007 im Verwaltungsverfahren nicht mehr entgegengetreten ist.

Zum Ermessen hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein Vorbringen erstattet, weshalb er mit der bloßen Erwähnung einer die Behörde im Falle der Ermessensausübung seiner Ansicht nach treffenden erhöhten Begründungspflicht auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. Dezember 2011

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