VwGH 2011/16/0020

VwGH2011/16/002024.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. Lutz Moser, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Herzgasse 61/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 10. Dezember 2010, Zl. RV/4222-W/09, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung einer Berufung gegen einen Haftungsbescheid, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs2;
BAO §308 Abs1;
BAO §308 Abs3;
VwGG §28 Abs1 Z4;
BAO §115 Abs2;
BAO §308 Abs1;
BAO §308 Abs3;
VwGG §28 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer am 11. April 2004 der Haftungsbescheid des (damaligen) Finanzamtes in Wien vom

5. d.M. im Wege der Hinterlegung zugestellt wurde, mit welchem der Beschwerdeführer als Haftpflichtiger nach den §§ 9 und 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der M Bau GmbH im Betrag von EUR 200.597,67 in Anspruch genommen und aufgefordert wurde, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Bescheidzustellung zu entrichten.

Am 19. August 2009 brachte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen diesen Haftungsbescheid (verbunden mit einer Berufung, einem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung und einem Antrag auf Aussetzung nach § 212a BAO) ein: Sein damaliger Vertreter, Rechtsanwalt Dr. H, damit beauftragt, gegen den Haftungsbescheid zu berufen, habe zwar zweimal die Verlängerung der Rechtsmittelfrist beantragt, jedoch keine Berufung eingebracht, was zur Folge gehabt habe, dass der Haftungsbescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 wies das Finanzamt Wien diesen Wiedereinsetzungsantrag ab, weil - zusammengefasst - der Beschwerdeführer auffallend sorglos gehandelt habe und der Antrag zudem verspätet wieder eingebracht worden sei.

Mit einem weiteren Bescheid vom 15. Oktober 2009 wurde die Berufung gegen den Haftungsbescheid als verspätet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Bescheide Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung einer Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 5. April 2004 als unbegründet ab, änderte jedoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde, weil - so die Begründung im Kern - dem Beschwerdeführer spätestens im April 2006 nach Verrechnung seines Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung mit der gegenständlichen Haftungsschuld die Versäumung der Berufungsfrist hätte erkennbar sein müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - unter Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung - beantragt wird.

Die darin formulierten "Beschwerdepunkte" lauten:

"Die Berufungsentscheidung der belangten Behörde verletzt den Bf. in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO und seinem Recht auf amtswegige Ermittlung der für die Abgabenpflicht und die Abgabenerhebung wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sowie in seinem Recht auf Parteiengehör gemäß § 115 BAO."

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Beschwerde u.a. die bestimmte Bezeichnung des Rechtes zu enthalten, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2010/16/0144, mwN) kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Bescheides dem Beschwerdepunkt nach § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Beschwerdeführer behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. dazu Steiner in Holoubek/Lang, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 61 ff).

Wird der Beschwerdepunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht mehr zugänglich (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 8. September 2010).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Anwendung des § 308 Abs. 3 BAO als verspätet zurückgewiesen. Dabei handelt es sich um einen ausschließlich verfahrensrechtlichen Bescheid, mit dem (lediglich) die Entscheidung in der Sache - nämlich über den Wiedereinsetzungsantrag - abgelehnt wurde. Im Hinblick auf diesen normativen Gehalt des angefochtenen Bescheides käme vorliegend allein die Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Entscheidung in der genannten Sache, d.h. auf meritorische Erledigung seines Wiedereinsetzungsantrages, in Betracht, nicht jedoch in einem (subjektiven) Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0116).

Schon im Hinblick auf den normativen Gehalt des angefochtenen Bescheides konnte der Beschwerdeführer auch nicht in seinen Rechten auf amtswegige Ermittlung der für die Abgabenpflicht und die Abgabenerhebung wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse verletzt sein.

Soweit der Beschwerdepunkt schließlich auch ein "Recht auf Parteiengehör gemäß § 115 BAO" nennt, ist dem entgegen zu halten, dass es kein abstraktes Recht auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften schlechthin gibt (vgl. die bei Steiner, aaO 71, wiedergegebenen Beispiele aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Die Durchführung einer solchen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 EMRK erforderlich, weil Abgabenangelegenheiten nicht "civil rights" betreffen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Februar 2011

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