VwGH 2011/07/0039

VwGH2011/07/003930.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft K, vertreten durch Univ.Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 2. Dezember 2010, Zl. LAS - 1033/4-10, betreffend Feststellung von Gemeindegut (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde U, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2), zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §15;
FlVfLG Tir 1952 §36 Abs1 litb;
FlVfLG Tir 1952 §36 Abs2 litd;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc idF 2010/007;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FlVfGG §15;
FlVfLG Tir 1952 §36 Abs1 litb;
FlVfLG Tir 1952 §36 Abs2 litd;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc idF 2010/007;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) stellte mit Bescheid vom 28. Juni 2010 von Amts wegen fest, dass die Grundstücke des Regulierungsgebietes der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft in EZ 702 GB U unter Anführung einzelner Grundstücke Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Agrargemeinschaft Berufung, in welcher sie die Feststellung begehrte, dass der politischen Gemeinde kein Restitutionsanspruch im Sinne des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses VfSlg 18.446/2008 zukomme. In eventu beantragte sie die Feststellung, dass es sich beim Regulierungsgebiet um Liegenschaften gemäß § 33 Abs. 2 lit. a und lit. b TFLG 1996 handle bzw. kein Gemeindegut vorliege.

Mit Eingabe vom 16. November 2010 legte die Agrargemeinschaft ein umfangreiches Konvolut an Unterlagen vor. Weiters brachte sie vor, dass die Einverleibung eines bestimmten Eigentumsträgers im Grundbuch für sich allein kein Eigentum verschaffe; auch der Verfassungsgerichtshof habe 1982 ausgeführt, dass aus Maßnahmen der Servitutenablösung kein Eigentum der politischen Ortsgemeinde habe entstehen können.

Mit Eingabe vom 24. November 2010 erstattete die Agrargemeinschaft weiteres Vorbringen und stellte mehrere Beweisanträge.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 2010 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides legte sie dar, dass mit Bescheid der AB vom 26. März 1965 das Verfahren zur Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für den sogenannten K-Wald in U (EZ 702) eingeleitet worden sei. In der Begründung dieses Einleitungsbescheides sei festgehalten, dass der Wald in bücherlichem Eigentum der Gemeinde stehe und von den Besitzern alteingesessener Liegenschaften in näher bezeichneten Fraktionen gemeinschaftlich genutzt worden sei. Aus der Begründung des Bescheides gehe hervor, dass der sogenannte K-Wald Gemeindegut im Sinne des § 73 der Tiroler Gemeindeordnung und sohin ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des "§ 36 Abs. 1 lit. d TFLG 1952" sei.

Mit dem Bescheid "Liste der Parteien" vom 10. März 1966 sei das Regulierungsgebiet festgelegt und die gemeinschaftlichen Grundstücke als solche im Sinne der Bestimmung des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 qualifiziert worden. Als mögliche Nutzung des Regulierungsgebietes sei die Holznutzung bestimmt und am Gemeinschaftsgebiet nutzungs- und anteilsberechtigt seien insgesamt 213 Stammsitzliegenschaften festgestellt worden. Der politischen Gemeinde sei kein Anteilsrecht zugesprochen worden, dies mit der Begründung, dass sie an den Nutzungen des K-Waldes nicht teilgenommen habe, sondern daraus bezogenes Holz zum normalen Kaufpreis habe erstehen müssen.

Mit Bescheid der AB vom 12. Dezember 1967 sei festgestellt worden, dass die Liegenschaft EZ 702 im Eigentum der Agrargemeinschaft stehe.

Mit dem Regulierungsplan vom 30. August 1968 seien die Festlegungen der vorangegangenen Bescheide hinsichtlich des Regulierungsgebietes und der Qualifikation der Gemeinschaftsgrundstücke als solche nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 übernommen worden, ebenso sei die Eigentumsfeststellung zugunsten der Agrargemeinschaft wiederholt worden. Die Nutzungsmöglichkeit sei um die Weidenutzung erweitert und die Anzahl der nutzungsberechtigten Stammsitzliegenschaften auf 211 reduziert worden.

Mit Bescheid der AB vom 2. Jänner 1973 seien hinsichtlich der Stammsitzliegenschaften mehrere Änderungen vorgenommen worden und mit Bescheid vom 18. August 1982 sei schließlich das Regulierungsverfahren abgeschlossen worden.

Die belangte Behörde legte in ihrer rechtlichen Begründung dar, dass sich kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass es zwischen der politischen Gemeinde und der Agrargemeinschaft zu einem Teilungsverfahren gekommen sei. Nun liege ein Widerspruch zwischen der Qualifizierung des Regulierungsgebietes als Gemeindegut im Einleitungsbescheid vom 26. März 1965 zum einen und in den agrarbehördlichen Bescheiden vom 10. März 1966 sowie 30. August 1968 zum anderen vor, wo eine Kategorisierung nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 vorgenommen worden sei. Für den konkreten Berufungsfall sei daher aus der im Regulierungsverfahren durchgeführten Kategorisierung für die zu lösende Rechtsfrage, ob die gemeinschaftlichen Grundstücke als Gemeindegut zu qualifizieren seien oder nicht, nichts zu gewinnen.

In weiterer Folge ging die belangte Behörde auf den aktuellen Grundbuchstand und die der Grundbuchsanlegung zu Grunde gelegenen Eigentumstitel näher ein und vertrat die Ansicht, dass im Augenblick sieben Berufungsfälle von Agrargemeinschaften aus der mitbeteiligten Gemeinde anhängig seien, deren rechtliches Schicksal in Hinblick auf die zwischen diesen Fällen gegebenen Zusammenhänge vergleichbar wäre.

Aus einer Gesamtschau der U-er Agrargemeinschaften ergebe sich, dass aus der Vertragsurkunde vom 19. Oktober 1849 nicht abgeleitet werden könne, es wäre das Eigentum an den vertragsgegenständlichen Waldungen an mehrere historische Agrargemeinschaften übertragen worden. Vielmehr zeige der Vertragsinhalt der Urkunde, dass die Eigentumsübertragung im Gegenteil an eine Rechtsperson, nämlich an die Gemeinde, vorgenommen worden sei, was letztlich auch den Zustimmungsvermerk des Tirolischen Guberniums als Kommunalkuratelbehörde erkläre.

Diese Ausführungen zum Eigentumstitelvergleichsprotokoll vom 19. Oktober 1849 korrespondierten mit dem historischen Grundbuchsauszug vom 21. November 1963 und mit dem Grundbuchsanlegungsprotokoll zur Postnummer 313 KG U, in welchem die politische Gemeinde als grundbücherliche Eigentümerin der Regulierungsliegenschaft vermerkt worden sei. Damit im Einklang stehe weiters der von der Gemeinde vorgelegte Kaufvertrag betreffend das Grundstück Nr. 806/5 aus der Liegenschaft in EZ 702, womit die politische Gemeinde Siegfried F. das genannte Grundstück in den Jahren 1963/1964 verkauft habe. Daraus sei zu ersehen, dass die politische Gemeinde als Eigentümerin über den Grundbuchskörper verfügt habe. Diese klare Eigentümerhandlung in Ansehung der späteren Regulierungsliegenschaft könne nicht als bloße Verwaltungs- und Vertretungstätigkeit für die vermeintliche historische Agrargemeinde abgetan werden.

Eine die Berufungsfälle der U Agrargemeinschaften zusammenschauende Betrachtungsweise des Vergleichsprotokolls vom 19. Oktober 1849 könne mit der Annahme der Agrargemeinschaft, die politische Gemeinde wäre rechtsirrig als Eigentümerin im Grundbuch anstelle der tatsächlich berechtigten Agrargemeinde angeschrieben worden, nicht in Einklang gebracht werden. Beinahe alle U-er Agrargemeinschaften verfügten heute eigentumsmäßig zumindest zum Teil über einen Gutsbestand, welcher sich auf das zitierte Vergleichsprotokoll zurückführen lasse. Dieser Urkunde lasse sich aber nur ein Vertragspartner des Ärars entnehmen, welcher mit Gemeinde U bezeichnet worden sei. Es sei nun nicht nachvollziehbar, wenn sich fast alle U-er Agrargemeinschaften auf das Vergleichsprotokoll beriefen und behaupteten, diese Urkunde würde ihr Eigentum belegen, wenn es doch nur einen Vertragspartner gegeben habe. Auch der Zustimmungsvermerk der Kommunalkuratelbehörde zum Vergleichsprotokoll vom 19. Oktober 1849 sei mit der Argumentation der Agrargemeinschaft nicht vereinbar, weil ein solcher bei einem Vergleichsabschluss mit einer historischen Agrargemeinde nicht notwendig gewesen wäre. Dies entspreche auch der im Zusammenhang mit der Tiroler Forstregulierung 1847 zu beachtenden Instruktion, wonach die Holzbezugsrechte und Gnadenholzbezüge in das volle Eigentum nicht einzelner Untertanen sondern der betreffenden Gemeinden, soweit es nur immer zulässig gewesen sei, abzulösen gewesen wären. Aus Maßnahmen der Tiroler Forstregulierung 1847 sei demnach sowohl Eigentum der politischen Gemeinden als auch Eigentum einer Mehrheit von Berechtigten (§ 33 Abs. 2 lit. a TFLG 1996) hervorgegangen, was eben im Einzelfall zu prüfen sei. Im Fall der Agrargemeinschaft sei auf Grundlage des Vergleichsprotokolles aber Eigentum der politischen Gemeinde entstanden.

Entgegen der Ansicht der Agrargemeinschaft könne auch aus dem Erkenntnis VfSlg 9336/1982 nicht abgeleitet werden, dass auf Grund von Maßnahmen in Vollziehung der kaiserlichen Entschließung vom 6. Februar 1847 kein Gemeindegut habe entstehen können. Vielmehr habe der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der damals zitierten Stellungnahme der Salzburger Landesregierung ausgeführt, dass die angesprochene Erscheinung des Eigentums einer Mehrheit von Berechtigten aus Servitutenablösungsmaßnahmen von seinen Überlegungen zum Gemeindegut nicht betroffen sei. Im vorliegenden Fall sei aber eben gerade nicht Eigentum einer Mehrheit von Berechtigten, sondern Gemeindegut im Eigentum der politischen Gemeinde entstanden. Bei ihrer Argumentation, wonach nur die Rechtsvorgänger der heutigen Agrargemeinschaftsmitglieder im ärarischen Wald holzbezugsberechtigt gewesen seien, sodass auch nur diese aus dem Vergleichsabschluss Rechte ableiten könnten, übersehe die Agrargemeinschaft, dass nach der kaiserlichen Entschließung nicht nur Holzbezugsrechte, sondern auch Gnadenholzbezüge abgelöst werden sollten. Wenn die Agrargemeinschaft darauf hinweise, sie sei deshalb seit jeher Eigentümerin des Gebietes, weil die politische Gemeinde im Regulierungsverfahren für Holzbezüge aus dem K-Wald Stockgeld in Höhe des normalen Kaufpreises habe bezahlen müssen, sei sie darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg 9336/1982 und 18.446/2008 davon ausgegangen sei, dass bei Gemeindegut auch Fälle vorstellbar seien, wo bei der normalen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des Gemeinschaftsgebietes für die politische Gemeinde nichts übrig bleibe, da die land- und forstwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten zur Gänze den Nutzungsberechtigten zustünden. Die Bezahlung eines Stockgeldes in Höhe des normalen Kaufpreises für Holz sei bei einer derartigen Fallkonstellation ohne Weiteres erklärbar.

Insoweit mit dem agrarbehördlichen Bescheid vom 30. August 1968 Eigentum am Gemeindegut für die Agrargemeinschaft festgestellt und verbüchert worden sei, sei im Sinne des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses vom 11. Juni 2008 Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen worden, ohne dass dadurch die Eigenschaft von Gemeindegut untergegangen sei.

Nach Ausführungen dazu, dass § 73 lit. d TFLG 1996 die in verfahrensrechtlicher Hinsicht zutreffende Rechtsgrundlage für den genannten Feststellungsbescheid sei, hielt die belangte Behörde zusammenfassend fest, dass das Gemeinschaftsgebiet vor der erfolgten Regulierung unzweifelhaft im Eigentum der politischen Gemeinde gestanden sei und diese auch sehr wesentlich Anteil an der Verwaltung der gemeinschaftlichen Grundstücke genommen habe, und zwar aus dem Titel ihres Eigentums. Es erübrige sich grundsätzlich eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, das rechtsgeschichtliche Entwicklungen und rechtshistorische Vorgänge vor der Eigentumsübertragung betreffe. In Bezug auf die mit dem Rechtsmittel der Agrargemeinschaft beantragten Feststellungen vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass der Gegenstand eines Berufungsverfahrens durch den Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung bestimmt werde und dass ihr aus diesem Grund diesbezüglich keine Zuständigkeit zum Abspruch darüber zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Agrargemeinschaft erachtet sich in ihrem "Recht auf Negativfeststellung des Restitutionsanspruches der politischen Gemeinde" verletzt; zusätzlich werde sie in ihrem "Recht auf Negativfeststellung des Gemeindegutregals" gemäß TFLG-Novelle 2010 und in ihrem Recht auf "Negativfeststellung von Gemeindegut" nach § 32 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 verletzt.

Dazu meint die mitbeteiligte Gemeinde in ihrer Gegenschrift, diese Beschwerdepunkte fänden im Gesetz keine Deckung und ließen sich auch aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht ableiten. Solche Rechte seien daher nicht Sache des Berufungsverfahrens gewesen. Diese Mängel der Beschwerde seien aber einer Verbesserung nicht zugänglich, weshalb sie (schon aus diesem Grund) abzuweisen gewesen wäre.

Mit diesem Vorbringen verkennt die mitbeteiligte Gemeinde, dass bei einer Feststellung, wonach Gemeindegut nach § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 idgF vorliegt, vor dem Hintergrund des § 33 Abs. 5 TFLG 1996 idgF auch der Restitutionsanspruch der politischen Gemeinde feststeht (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2010, B 639/10, B 640/10). Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass mit dem angefochtenen Bescheid (auch) über den Restitutionsanspruch der Gemeinde abgesprochen wurde.

Daraus folgt, dass die von der Agrargemeinschaft gewählte Bezeichnung des Beschwerdepunktes im Rahmen des § 28 VwGG ihre Deckung findet.

2. Die Agrargemeinschaft macht unter anderem die Verfassungswidrigkeit der TFLG-Novelle 2010 geltend (Seite 29f der Beschwerde) und stellt den Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens, dies allerdings "nur für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht sei, dass die verfassungswidrigen Bestimmungen der TFLG-Novelle 2010 zur Anwendung zu bringen seien."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein Ausspruch nach § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 in der Fassung der TFLG-Novelle 2010 getroffen. Die Rechtmäßigkeit dieses Ausspruches ist Prüfungsgegenstand im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof; daher ist im vorliegenden Fall die genannte Bestimmung des TFLG 1996 in der Fassung der TFLG-Novelle 2010 präjudiziell.

Angesichts dessen, dass der Verfassungsgerichtshof in der Zwischenzeit mit Erkenntnissen vom 10. Dezember 2010, B 639/10, B 640/10, und vom 28. Februar 2011, B 1645/10-9, die Verfassungskonformität der § 33 Abs. 2 lit. c Z 2, § 33 Abs. 5, § 35 Abs. 7 und § 36 Abs. 2, 6, 7 und 8 TFLG 1996 in der Fassung der genannten Novelle unter mehreren Gesichtspunkten geprüft und bejaht hat, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, einen Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu stellen.

3. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass keine Hauptteilung stattgefunden hat und dass die agrargemeinschaftlichen Grundstücke der Deckung des Haus- und Gutsbedarfs von Stammsitzliegenschaften gedient haben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/07/0092, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zum Ausdruck gebracht hat, kommt es bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 auf die Art des Bescheides, mit dem das Eigentum an die Agrargemeinschaft übertragen wurde, nicht entscheidend an. Der vom Gesetzgeber gewählte Begriff "durch Regulierungsplan" in § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 ist weit zu verstehen; alle Bescheide, die derartige Übertragungen beinhalten, erfüllen gleichermaßen die Voraussetzung des § 33 Abs. 2 lit. c

Z 2 TFLG 1996.

4. Mit Bescheid der AB vom 26. März 1965 wurde im vorliegenden Fall das Regulierungsverfahren eingeleitet.

Mit Bescheid der AB vom 10. März 1966 (Liste des Parteien) wurde spruchgemäß festgestellt, dass das Regulierungsgebiet ein agrargemeinschaftliches Grundstück nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 darstelle.

Mit Bescheid der AB vom 12. Dezember 1967 wurde festgestellt, dass die EZ 702 im Eigentum der Agrargemeinschaft stehe. Aus der Begründung dieses Bescheides geht unter anderem hervor, dass aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen aller Verfahrensparteien feststehe, dass es sich beim Gemeinschaftsbesitz um ein agrargemeinschaftliches Grundstück handle, das der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten eigentümlich zustehe, wenn auch die Gemeinde als Eigentümerin im Grundbuch aufscheine.

Der Regulierungsplan vom 30. August 1968 wiederholt diese Feststellungen gemäß § 38 Abs. 1 TFLG 1952, wonach das Regulierungsgebiet ein agrargemeinschaftliches Grundstück in der Qualifikation des § 36 Abs. 1 lit. b leg. cit. darstellt und im Eigentum der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft steht. Ein Gemeindeanteil an den Nutzungsrechten wurde damals nicht festgelegt.

Die Feststellung, wonach Grundstücke in der Qualifikation des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 vorlägen, wurde bereits mit Bescheid der AB vom 10. März 1966 (Liste der Parteien), die Feststellung, dass die EZ. 702 im Eigentum der Agrargemeinschaft stehe, wurde bereits mit Bescheid der AB vom 12. Dezember 1967 getroffen. Der Regulierungsbescheid wiederholte diese bereits rechtskräftig erfolgten Feststellungen.

§ 36 Abs. 1 und 2 TFLG 1952 (in der Fassung vor der Novelle LGBl Nr. 33/1969) hatte folgenden (auszugsweisen) Wortlaut:

"§ 36. (1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des Gesetzes sind solche,

a) an welchen zwischen bestandenen Obrigkeiten und Ortsgemeinden (Ortschaften) oder ehemaligen Untertanen sowie zwischen zwei oder mehreren Gemeinden (Ortschaften) gemeinschaftliche Besitz- und Benutzungsrechte bestehen oder

b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Ortsgemeinde (Ortschaft), eines oder mehrerer Gemeindeteile (Ortsteile), einer oder mehrerer Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitz verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benutzt werden.

(2) Zu diesen Grundstücken sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, ferner zu zählen:

  1. a)
  2. d) das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut, bzw. ehemalige Ortschafts- oder Fraktionsgut

    e) …"

    Mit dem Bescheid der AB vom 10. März 1966 wurde die Qualifikation des Gebietes als ein solches nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952, also als Gebiet, das "von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Ortsgemeinde (Ortschaft), eines oder mehrerer Gemeindeteile (Ortsteile), einer oder mehrerer Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitz verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benutzt" wird, bestimmt. Mit einem danach ergangenen Bescheid vom 12. Dezember 1967 wurde das Eigentum der Agrargemeinschaft an diesen Grundstücken festgestellt.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/07/0091, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, mit der Qualifikation von Grundstücken als solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 beschäftigt und näher begründet ausgeführt, dass damit auch die Qualifikation als Gemeindegut nach den Gemeindeordnungen feststehe. Als Gegensatz dazu hat er die Bestimmung des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 herangezogen und die Ansicht vertreten, damit sei das gemeinsame Gut von Nutzungsberechtigten zB eines Ortsteiles (einer Fraktion), auf dem die Nutzungsberechtigungen einzelner Stammsitzliegenschaften lasteten, umschrieben. Wird eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft als eine solche nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 qualifiziert, so ist damit nicht das Gemeindegut der politischen Gemeinde sondern das Gut einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten gemeint.

    Diese Qualifizierung in Bezug auf die hier verfahrensgegenständlichen Grundstücke findet sich - wie dargestellt - in den Bescheiden der AB vom 10. März 1966 und vom 30. August 1968. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht wurde mit dem Einleitungsbescheid der AB vom 26. März 1965 keine anderslautende Bestimmung des Gebietes vorgenommen. Die diesbezüglich von der belangten Behörde herangezogenen Zitate aus diesem Bescheid beziehen sich nicht auf dessen - allein rechtskraftfähigen - Spruch, sondern finden sich lediglich in der Bescheidbegründung, die nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Abgesehen davon wird dort eine Bestimmung des § 36 Abs. 1 lit. d TFLG 1952 genannt, die es im TFLG 1952 gar nicht gab. Es bleibt unklar, ob die AB damit die Bestimmung des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 oder aber diejenige des § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 meinte; dies ist aber ohne Belang, weil diese Qualifizierung nicht in Rechtskraft erwuchs. Es kann daher im hier vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass nicht gesichert feststehe, welche Qualifikation der agrargemeinschaftlichen Grundstücke bescheidmäßig festgelegt worden wäre.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Spruch eines Bescheides nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv auszulegen. Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist weder maßgeblich, wie sie die Behörde oder der Verfasser des Bescheidtextes verstanden wissen wollte noch wie sie der Empfänger verstand.

    Dem Spruch des rechtskräftigen Bescheides vom 10. März 1966 ist nun ohne Zweifel zu entnehmen, es handle sich bei den agrargemeinschaftlichen Grundstücken um solche nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass eine der Rechtswirkungen des genannten Bescheides die rechtskräftige Qualifizierung dieser Grundstücke als Gut einer Gemeinschaft von Berechtigten und nicht als Gemeindegut im Sinne der TGO darstellt. Hätte die Agrarbehörde Gemeindegut im Sinne der TGO feststellen wollen, hätte sie dies - wie in vielen anderen Fällen - mit einer entsprechenden bescheidmäßigen Qualifizierung nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 tun können.

    Mit diesem Bescheid (vom 20. März 1966) erfolgte noch keine Zuordnung des Eigentums. In der Urschrift des Bescheides vom 10. März 1966 fällt auf, dass der ursprünglich vorgesehene Satz "Das Regulierungsgebiet steht im Eigentum der politischen Gemeinde" durchgestrichen wurde; demgemäß scheint er im Bescheid auch nicht mehr auf. Auch dieser Umstand passt ins Gesamtbild, wonach hier festgestellt wurde (und werden sollte), dass Grundstücke nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952, also kein Gemeindegut, vorliege. Die rechtskräftige Feststellung, dass die EZ. 702 kein Gemeindegut nach der TGO darstellt, bindet in der weiteren Folge die Agrarbehörden, aber auch den Verwaltungsgerichtshof.

    Die Feststellung im Bescheid vom 12. Dezember 1967, die schließlich im Regulierungsplan wiederholt wurde, wonach die Agrargemeinschaft Eigentümerin dieser Grundstücke ist, konnte daher nicht dazu führen, dass damit das Eigentum an diesen Grundstücken an die Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Eigenschaft als Gemeindegut übertragen wurde, weil die betroffene Liegenschaft zu diesem Zeitpunkt kein Gemeindegut war.

    Der Verfassungsgerichtshof wollte in seinem Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 nur solche Fälle und die dort ergangenen Bescheide verfassungskonform interpretieren, in denen Gemeindegut vorlag, das an die Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Qualifikation als Gemeindegut übertragen wurde. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 umfasst - wie bereits oben dargestellt - aber nur die Fälle, die der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vor Augen hatte.

    Es ist daher ohne Belang, dass die politische Gemeinde am Beginn des Regulierungsverfahrens als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war (zur Widerlegbarkeit von Grundbuchseintragungen siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2010, B 639/10, 640/10). Die rechtskräftig erfolgte Qualifikation der Liegenschaft EZ. 702 als eine solche nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 (vor der Feststellung des Eigentums der Agrargemeinschaft an diesen Flächen) schloss eine solche als Gemeindegut und damit eine Feststellung nach § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 aus.

    Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, wonach die Grundstücke des Regulierungsgebietes der Agrargemeinschaft in EZ. 702 Gemeindegut nach § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 seien, verletzte daher Rechte der Agrargemeinschaft.

    5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

    Ein Eingehen auf die übrigen Beschwerdeargumente erübrigte sich daher.

    6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 30. Juni 2011

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