VwGH 2011/04/0144

VwGH2011/04/014421.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in 4707 Schlüßlberg, Marktplatz 4, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wels vom 20. Juni 2011, Zl. DI-Ge-5816- 2011, betreffend Vorverlegung der Sperrstunde (weitere Partei: Bundesministerin für Wirtschaft, Familie und Jugend), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2011 zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
GewO 1994 §113 Abs5;
AVG §37;
GewO 1994 §113 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.433,35 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Juni 2011 schrieb der Stadtsenat der Stadt Wels (als letztinstanzliche Behörde nach § 64 Abs. 2 Statut der Stadt Wels 1992 iVm § 7 Abs. 6 Bundes- Gemeindeaufsichtsgesetz) gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 für das Gastlokal I. der Beschwerdeführerin in W. eine Vorverlegung der Sperrstunde von 4.00 Uhr auf 24.00 Uhr vor.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Stadtpolizeikommando W habe in einem Bericht vom 11. April 2011 aufgrund schwerer sicherheitspolizeilicher Bedenken bei der Gewerbebehörde eine Vorverlegung der Sperrstunde des angeführten Lokals angeregt und zu diesem Gastlokal die folgenden Feststellungen angeführt:

"2008:

1 x Anzeige wegen Körperverletzungen verübt im Lokal (Tz.:

00.30 Uhr)

1 x Anzeige wegen aggressivem Verhalten gegenüber einem

Beamten (Tz.: 08.05 Uhr)

1 x Anzeige wegen Störung der Ordnung (Tz.: 08.05 Uhr)

2009

2 x Anzeige wegen Sperrstundenüberschreitung

1 x Anzeige wegen Körperverletzung verübt im Lokal (Tz.:

00.45 Uhr)

2010

4 x Anzeige wegen Lärmerregung verübt vor dem Lokal (1x

Tz 01.30 Uhr, 1 x Tz.: 03.15 Uhr)

3 x Anzeige wegen aggressivem Verhalten gegenüber einem

Beamten (1xTz.: 01.35 Uhr)

1 x Anzeige wegen sexueller Belästigung einer Besucherin

5 x Anzeige wegen Körperverletzung (2xTz.: 04.25 Uhr, 1xTz.:

01.00 Uhr)

2 x Anzeige wegen schwerer Körperverletzung (1xTz.:

01.12 Uhr, 1x Tz.: 04.00 Uhr)

1 x Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt mit

schwerer Körperverletzung des Beamten (Tz.: 01.12 Uhr)

2011 bis dato

2 x Anzeige wegen aggressiven Verhaltens gegenüber einem

Beamten (1xTz.: 02.05 Uhr, 1xTz.: 04.28 Uhr)

1 x Anzeige wegen Sachbeschädigung (Tz.: 00.04 Uhr)

1 x Raufhandel (Tz.: 04.17 Uhr)

4 x Anzeige wegen Sperrstundenüberschreitung

1 x Anzeige wegen schwerer Nötigung"

Daraus sei Folgendes besonders hervorzuheben:

Im Jahr 2010 sei während einer Amtshandlung bei einer

Rauferei ein Polizeibeamter schwer verletzt worden, als er vor dem Lokal über die Stufen geworfen worden sei.

Am 28. Februar 2011 um 00.04 Uhr hätten 20 Personen mit Baseballschlägern vor dem Lokal randaliert und Auslagenscheiben zerschlagen; gefährdete Personen hätten sich in der Toilette des Lokals verschanzt.

Am 2. April 2011 habe sich um 04.17 Uhr im und vor dem Lokal eine Massenschlägerei mit Waffengewalt (etwa Pfefferspray) ereignet, bei der sieben Personen verletzt worden seien und ein "Riesenaufgebot von Polizei, Rettung und Notarztteams" eingeschritten sei.

Im Zeitraum von 2008 bis April 2011 sei es wegen zahlreicher Vorfälle wie Körperverletzung, sexueller Belästigung, schwerer Nötigung, Ordnungsstörung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und anderer strafbarer Handlungen im gegenständlichen Lokal bzw. in dessen unmittelbarem Nahebereich zu 31 Anzeigen gekommen. Dabei sei signifikant, dass bei dem gegenständlichen Lokal fast ausschließlich stark betrunkene Personen, bei denen eine Hemmschwelle wegen des übermäßigen Alkoholkonsums "fast nicht mehr vorhanden" sei, gewalttätige Handlungen vornähmen. Insbesondere sei es im Jahr 2011 in drei Monaten bereits zu neun Anzeigen gekommen.

Auch sei die vorgeschriebene Sperrstunde häufig überschritten worden; insbesondere sei sie am Wochenende (7. auf 8. April 2011 sowie 9. auf 10. April 2011) erst um 6.48 Uhr bzw. 6.10 Uhr vollzogen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit Blick auf die festgestellte Zahl der Vorfälle und die Art der gesetzten Delikte bestünden sicherheitspolizeiliche Bedenken im Sinn des § 113 Abs. 5 GewO 1994; die Vorverlegung der Sperrstunde auf 24.00 Uhr sei, da sich die festgestellten Vorfälle fast durchwegs nach 24.00 Uhr ereignet hätten, jedenfalls eine taugliche Maßnahme, um den festgestellten sicherheitspolizeilichen Missständen wirksam zu begegnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat die Gemeinde eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "sicherheitspolizeiliche Bedenken" das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, wobei sowohl die Anzahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen können, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine ausreichende Grundlage geben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2010/04/0056, mwN).

2. Die Beschwerde bringt in diesem Zusammenhang lediglich vor, die belangte Behörde habe sich "nicht ausreichend" mit § 113 GewO 1994 auseinandergesetzt und bei ihrer Entscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass in einem Lokal Alkohol konsumiert werde und es von Zeit zu Zeit Probleme mit den Gästen gebe.

Dieses Vorbringen ist allerdings angesichts der oben wiedergegebenen konkreten Feststellungen der belangten Behörde sowohl über die Zahl als auch über die Art der angezeigten Vorfälle nicht geeignet, die im angefochtenen Bescheid vertretene Annahme von sicherheitspolizeilichen Bedenken im Sinn des § 113 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 in Zweifel zu ziehen.

3. Zu den Beschwerdeausführungen, wonach die dargestellten Vorfälle der Beschwerdeführerin nur hinsichtlich der Sperrstundenüberschreitungen vorwerfbar seien, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Rechtsprechung nicht entscheidungsrelevant ist, inwiefern dem Gastgewerbetreibenden ein Verschulden am Eintritt von Sachverhaltsumständen anzulasten ist, welche die Annahme sicherheitsbehördlicher Bedenken im dargestellten Sinn rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2003/04/0080, mwN).

4. In ihrer Verfahrensrüge führt die Beschwerdeführerin aus, die belangte Behörde hätte die Akten des Stadtpolizeikommandos W beischaffen, "genauere Feststellungen" zu den Vorfällen treffen und die Beschwerdeführerin persönlich befragen müssen, ohne jedoch darzulegen, zu welchen konkreten Ergebnissen diese weiteren Erhebungen geführt hätten; damit aber legt die Beschwerde die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dar (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).

5. Auch mit Blick auf die in der Beschwerde - in Schlagworten - genannten Grundrechte war die belangte Behörde nicht dazu verhalten, im Weg einer verfassungskonformen Interpretation der anzuwendenden Rechtsvorschriften zu einem anderen Bescheid zu gelangen. Im Übrigen ist es nach der hg. Rechtsprechung nicht wesentlich, inwiefern der Beschwerdeführer durch eine erforderliche Maßnahme nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 wirtschaftlich beeinträchtigt wird (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, mwN). Die getroffene Maßnahme kann auch angesichts der festgestellten Vorfälle nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Dezember 2011

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