Normen
ORF-G 2001 §36 Abs1 Z1 lita;
ORF-G 2001 §36 Abs1 Z1 litb;
ORF-G 2001 §37 Abs1;
ORF-G 2001 §36 Abs1 Z1 lita;
ORF-G 2001 §36 Abs1 Z1 litb;
ORF-G 2001 §37 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Beschwerde wegen Verletzung des § 10 Abs 5 und 7 ORF-Gesetz abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichteten Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien (die Erstbeschwerdeführerin ist eine seit dem Jahr 2009 anerkannte Religionsgesellschaft (vgl BGBl II Nr 139/2009), der Zweitbeschwerdeführer ist ihr Vorstandsmitglied) "gemäß § 37 i. V.m. § 36 Abs. 1 Z 1 lit. a sowie gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b i. V.m. § 10 ORF-Gesetz" ab.
In dieser Beschwerde hatten die beschwerdeführenden Parteien beantragt, "der Bundeskommunikationssenat wolle 1. der Beschwerde stattgeben; 2. gemäß § 37 Abs 1 ORF-G feststellen, dass der ORF durch die Ausstrahlung der Sendung 'Zeit im Bild 2' vom 29. März 2006 gegen § 10 Abs 1, 2, 5 und 7 ORF-G verstoßen hat; sowie 3. dem ORF auftragen, binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung zu Beginn einer Sendung 'Zeit im Bild 2' folgende Sätze … zur Verlesung zu bringen: 'Der Österreichische Rundfunk hat durch die in der Sendung 'Zeit im Bild 2' vom 29. März 2006 im Rahmen eines Berichtes aufgestellten Behauptungen a) im Otto-Wagner-Spital in Wien hätten die Eltern eines Zehnjährigen als Mitglieder der Erstbeschwerdeführerin eine lebenswichtige Bluttransfusion verweigert; b) die Ärzte hätten über den Richter die Eltern entmündigen lassen und dann trotzdem transfundiert, sowie c) dies hätte dazu geführt, dass die Eltern das Kind dann zur Adoption freigegeben haben, gegen § 10 Abs 1, 2, 5 und 7 ORF-G verstoßen. Diese Behauptungen und die damit in Verbindung stehende Moderation entsprachen nicht dem für alle Sendungen des ORF geltenden Gebot, sachlich zu sein. Diese Behauptungen beruhten nicht auf nachvollziehbaren Tatsachen, waren nicht sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft überprüft, verletzten das Gebot, die Menschenwürde und die Grundrechte anderer zu achten und waren geeignet, zu Hass und Vorurteilen auf Grund der Religion aufzureizen."
Dem angefochtenen Bescheid legte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt zugrunde:
"Am 29.3.2006 wurde in der Sendung 'Zeit im Bild 2' ein Beitrag ausgestrahlt, welcher sich mit dem Tod eines Patienten anlässlich seiner Behandlung im SMZ Baumgartner Höhe, Otto-Wagner-Spital am 22. März 2006, somit eine Woche vor der Ausstrahlung des Beitrages beschäftigt hat. Ursache für den Todesfall war, dass der Patient nach den Darstellungen des Beitrags eine 'Erklärung unterschrieben' hatte, 'mit der er eine möglicherweise notwendige Bluttransfusion im Zuge der Operation verweigerte'. Der Bericht führt weiter wörtlich aus: 'und so mussten ihn die Ärzte einfach verbluten lassen.'
In dem Beitrag kam der behandelnde Arzt, Oberarzt Dr. W. mehrfach zu Wort. Er führte aus, dass es für einen Arzt schrecklich sei, wenn er die Patientenautonomie wahren muss und so bei einer schweren Blutung zusehen müsse, wie jemand verstirbt.
In dem Bericht kam weiters ein Vertreter der J, A. H., zu Wort, der ausführte, warum Mitglieder J Bluttransfusionen ablehnen und forderte, dass medizinische Alternativen zu Bluttransfusionen genützt werden sollten.
Der Bericht endete wie folgt:
Redakteur: 'Er war aber nicht der erste J, der hier operiert wurde. Einmal verweigerten die Eltern eines 10-jährigen eine lebenswichtige Bluttransfusion.'
OT W., Oberarzt: … 'Wir haben über den Richter die Eltern entmündigen lassen und dann trotzdem transfundiert. Das hat dann eben dazu geführt, dass die Eltern das Kind zur Adoption freigegeben haben.' …
Redakteur: 'Das eigene Kind … Entscheidungen gibt es, die mag man nicht glauben'
Die Moderatorin I T ging nach Ausstrahlung des Berichts nochmals auf diesen Fall ein und fragte in einem Interview mit dem Vorsitzenden der Bioethik-Kommission nach dessen Meinung: 'Dann kann es aber auch so weit kommen, wie in diesem anderen Fall, den wir in diesem Bericht zitiert gehört haben. Ein 10-jähriges Kind, wo sich die Ärzte über das Verbot einer Transfusion hinweggesetzt haben, das dann von den Eltern weggegeben wird. Was wiegt am Ende ethisch schwerer?' Die Frage blieb unerörtert."
Im Folgenden führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführenden Parteien hätten mit Schriftsatz vom 10. Mai 2006, sohin gemäß § 36 Abs 4 ORF-G fristgerecht, Beschwerde gemäß § 36 Abs 1 Z 1 lit a und b ORF-G erhoben. Zur Unterstützung der Beschwerde gemäß § 36 Abs 1 Z 1 lit b ORF-G hätten sie Unterstützungserklärungen vorgelegt. Eine Überprüfung durch die GIS-Gebühren Infoservice GmbH habe ergeben, dass wenigstens 140 weitere Personen, welche die Beschwerde unterstützen, Rundfunkteilnehmer im Sinne des § 36 Abs 1 Z 1 lit b ORF-G seien.
Die beschwerdeführenden Parteien hätten im Wesentlichen vorgebracht, dass durch den inkriminierten Beitrag § 10 ORF-G, die Menschenwürde und die Grundrechte anderer verletzt sowie zum Hass gegen die J aufgereizt worden sei. Dabei liegt die Rechtsverletzung durch den inkriminierten Beitrag nach Ansicht der Beschwerde darin, dass der Bericht, ein zehnjähriges Kind sei aufgrund einer am Otto-Wagner-Spital verabreichten Bluttransfusion zur Adoption freigegeben worden, objektiv unwahr sei. Die Unwahrheit des Berichtes sei auf ein Verschulden des ORF zurückzuführen, zumal der Bericht sich ausschließlich auf den Interviewpartner Dr W gründe und dessen Aussagen nicht ordnungsgemäß nachgegangen worden sei. Dadurch sei auch gegen die Programmrichtlinien verstoßen worden. Im gegenständlichen Fall sei ein "möglichst reißerischer Bericht" für die "Zeit im Bild" zusammengestellt worden. Dies werde nach dem Beschwerdevorbringen noch dadurch belegt, dass auf der Homepage des ORF der Bericht mit den Worten beworben worden sei: "Nur so viel: Es geht um einen Todesfall, der mit Sicherheit für ein enormes Aufsehen sorgen wird, weil die Umstände so unglaublich sind". Durch den inkriminierten Bericht werde nach dem Vorbringen der Beschwerde die Menschenwürde anderer Eltern, die J seien, verletzt und es würden die Grundrechte anderer missachtet. Der Bericht habe auch zum Hass aufgerufen. Dazu verweise die Beschwerde auf Angriffe gegen J, die in den Tagen nach "Aussagen" (gemeint: Sendung) des Berichtes vorgefallen sein sollen.
Die mitbeteiligte Partei habe (als Beschwerdegegnerin) die Abweisung der Beschwerde beantragt. Nach ihrem Vorbringen entspreche es den Tatsachen, dass ein damals zehnjähriger Bub von seinen Eltern nach einer Bluttransfusion zur Adoption freigegeben worden sei. Es bestehe keine Erfolgshaftung für die Wahrheit einer Berichterstattung, wenn der Redakteur nicht erkennbar falsch oder unvollständig informiert werde. Als Zeugen habe die mitbeteiligte Partei den Interviewpartner, Oberarzt Dr W und zwei weitere Mitarbeiter des SMZ Baumgartner Höhe, Otto-Wagner-Spital, genannt. In der ersten Stellungnahme im Verfahren vor der belangten Behörde habe die mitbeteiligte Partei angekündigt, noch weitere Unterlagen zur Feststellung des Wahrheitsgehaltes nachzureichen. Auf Aufforderung der belangten Behörde habe sie jedoch mit Äußerung vom 25. Oktober 2006 mitgeteilt, dass laut Aussage von Herrn Oberarzt Dr W und einer namentlich genannten Oberschwester die Freigabe zur Adoption unmittelbar nach der Operation erfolgt sei, während der junge Patient eine Bluttransfusion erhalten habe. Entsprechende Unterlagen seien jedoch im Krankenhaus nicht mehr auffindbar, da diese nicht so lange aufbewahrt würden. Weiters habe die mitbeteiligte Partei angegeben, dass weitere Recherchen nicht angestellt hätten werden können, zumal aufgrund des Berufsgeheimnisses der interviewte Oberarzt die Namen der leiblichen Eltern sowie der Adoptiveltern nicht bekannt geben habe können. Aufgrund der mittlerweile vernichteten Unterlagen sei es zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht mehr möglich, die Namen zu erfahren. Die mitbeteiligte Partei habe weiters ausgeführt, dass mit einem Vertreter der J ein Interview geführt und dieses auch in wesentlichen Punkten in der Sendung ausgestrahlt worden sei. Da der Österreichische Rundfunk im Übrigen objektiv Richtiges berichtet habe, seien auch die übrigen Beschwerdegründe nicht erfüllt.
Abschließend zog die belangte Behörde folgende Schlussfolgerungen:
"… § 36 ORF-G legt die Voraussetzung für Beschwerden an den Bundeskommunikationssenat fest. Nach § 36 Abs. 1 Z 1 lit. a ORF-G entscheidet der Bundeskommunikationssenat über Beschwerden einer Person, die behauptet, durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein. Unmittelbare 'Schädigung' iS dieser Bestimmung umfasst nach mittlerweile ständiger Spruchpraxis des Bundeskommunikationssenats neben materieller auch eine immaterielle Schädigung, die zumindest im Bereich des Möglichen liegen muss. Immaterielle Schäden begründen dann eine Beschwerdelegitimation, wenn der Schaden aus der Rechtsordnung unmittelbar ableitbare rechtliche Interessen betrifft, denen der Gesetzgeber Rechtsschutz zuerkennt.
In der Beschwerde wurde nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführer durch den inkriminierten Bericht selbst unmittelbar geschädigt seien. Auch Beschränkungen der Religionsausübung oder in sonstigen Rechten aufgrund des inkriminierten Berichts wurden nicht angegeben, sondern lediglich auf einen anderen Bericht aus dem Jahr 1993 verwiesen, nach dem es zu Übergriffen gekommen sein soll. Es fehlt daher an der gesetzlich geforderten Möglichkeit einer unmittelbaren Schädigung des Beschwerdeführers, weswegen der Beschwerde einerseits schon mangels Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. a ORF-G der Erfolg zu versagen war.
… Aber auch der Beschwerde gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ORF-G (für die die ausreichende Anzahl an Unterstützern belegt ist) ist nicht Folge zu geben:
Die Beschwerde macht im Wesentlichen eine Verletzung der einzelnen Regelungen des § 10 ORF-G und im Besonderen des Objektivitätsgebots geltend. Nach § 10 Abs. 5 ORF-Gesetz hat die Information umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachrichten und Kommentare deutlich voneinander zu trennen.
Der Bundeskommunikationssenat hat in seiner Spruchpraxis (vgl. Bescheid vom 13.2.2003, GZ 611.915/001-BKS/2003) bereits festgehalten, dass eine Prüfung der Nachrichten und Berichte auf Wahrheit und Herkunft erforderlich ist. Dem Auftrag der sorgfältigen Prüfung auf Wahrheit und Herkunft iSd § 10 Abs. 5 ORF-G sowie dem Erfordernis des Beruhens auf nachvollziehbaren Tatsachen gemäß § 10 Abs. 7 ORF-G ist hinlänglich nachzukommen.
... Im vorliegenden Sachverhalt hat der ORF von dem
behandelnden Arzt die Mitteilung bekommen, dass der letztlich gesendete Sachverhalt tatsächlich passiert ist. Der Auskunft gebende Arzt hat außerdem selbst im Fernsehinterview diese Aussagen gemacht und hat damit den Sachverhalt öffentlich gemacht. Diese Angaben des Oberarztes wurden von einer weiteren Mitarbeiterin des Krankenhauses bestätigt. Den Namen des Kindes bzw. der leiblichen Eltern und Adoptiveltern hat der Arzt unter Hinweis auf sein Berufsgeheimnis nicht bekannt gegeben.
Unter den gegebenen Umständen wäre es dem Beschwerdegegner unzumutbar gewesen, weitere Nachforschungen anzustellen. Es kann § 10 Abs. 5 ORF-G nicht der Inhalt unterstellt werden, dass im Fall glaubwürdiger Aussagen eines Arztes, die von einem weiteren Mitarbeiter des Krankenhauses bestätigt werden, der Beschwerdegegner zu weiteren Nachforschungen verpflichtet wäre, die zu einer Umgehung des Berufsgeheimnisses des Arztes führen müssten. Andererseits durfte die Beschwerdegegnerin von der Richtigkeit der Aussagen des behandelnden Arztes des Krankenhauses, der außerdem öffentlich seine Ausführungen wiederholte, ausgehen. Eine Verletzung des Objektivitätsgebotes liegt im vorliegenden Fall daher nicht vor. Eine gründlichere Recherche wäre dem Redakteur sohin nicht zumutbar gewesen.
Ein anderes Ergebnis würde dann vorliegen, wenn nicht der behandelnde Arzt, sondern irgendein Arzt sozusagen vom Hörensagen eine Stellungnahme abgegeben hätte. Dies lag im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor.
… Auch die weiteren Beschwerdevorwürfe sind nicht begründet. Der Beitrag wurde nach Ansicht des Bundeskommunikationssenates nicht in einer Weise gestaltet, die die Menschenwürde verletzen konnte oder zum Hass aufgereizt hätte, sodass auch keine Verletzung des § 10 Abs. 1 und 2 ORF-G vorliegt. Dass es 1993 zu Übergriffen aufgrund einer Medienberichterstattung gekommen sein soll, hat dabei im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung. Auch hat die Redakteurin I T nicht die Objektivität verletzt, zumal sie eine persönliche Meinung lediglich in dem Umfang geäußert hat, als dies durch den Sendungsinhalt gedeckt ist.
... Die Beschwerde erweist sich auch insofern als nicht
begründet, als sie dem ORF vorwirft, dieser habe die Bekenntnisgemeinschaft nicht zu dem Sachverhalt befragt. Damit wird offensichtlich ein Verstoß gegen das Gebot des 'Audiatur' geltend gemacht. Ein solcher Anspruch auf eine Replikmöglichkeit liegt nur dort vor, wo Vorwürfe erhoben werden (vgl. etwa BKS vom 21. November 2003, Zl. 611.924/003-BKS/2003). Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben."
Gegen diese Entscheidung erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2007, B 31/07-7, ablehnte und sie mit Beschluss vom 31. August 2007, B 31/07-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, sofern in der Beschwerde eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 EMRK) geltend gemacht werde, sei auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das in Rede stehende Administrativverfahren vor der belangen Behörde von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 EMRK falle (zu gleich gelagerten Beschwerden VfSlg 13.513/1993, 16.523/2002). Es könne auch der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, die belangte Behörde habe ihre Schutzpflichten nach Art 9 EMRK verletzt, nicht gefolgt werden, wenn man den Gesamtkontext des Beitrages, in dem einzelne in Beschwerde gezogene Formulierungen gefallen sind, und das nachfolgende differenzierte Studiogespräch zum Thema mit dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission berücksichtige.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten die beschwerdeführenden Parteien die abgetretene Beschwerde mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2007 und beantragten, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichte Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs 1 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-G) müssen alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.
Nach § 10 Abs 2 leg cit dürfen die Sendungen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion und Nationalität aufreizen.
Gemäß § 10 Abs 5 leg cit hat die Information umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.
Gemäß § 10 Abs 7 leg cit haben Kommentare, Analysen und Moderationen sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen.
Nach § 36 Abs 1 ORF-G (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 50/2010) entscheidet die belangte Behörde (ua) über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Grund von Beschwerden einer Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet (lit a) oder eines die Rundfunkgebühren entrichtenden oder von dieser befreiten Rundfunkteilnehmers im Sinne des Rundfunkgebührengesetzes, sofern die Beschwerde von mindestens 120 solchen Personen oder Personen, die mit einem die Rundfunkgebühr entrichtenden oder mit einem von dieser Gebühr befreiten Rundfunkteilnehmer im gemeinsamen Haushalt wohnen, unterstützt wird (lit b). Die Entscheidung der belangten Behörde besteht gemäß § 37 Abs 1 leg cit in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Gesetzes verletzt worden ist.
2. Zur Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Parteien, die von der belangten Behörde hinsichtlich § 36 Abs 1 Z 1 lit b ORF-G bejaht, hinsichtlich § 36 Abs 1 Z 1 lit a ORF-G aber verneint worden ist, bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht behauptet, dass eine unmittelbare Schädigung der beschwerdeführenden Parteien durch den inkriminierten Bericht nicht dargelegt worden sei. Im Folgenden wiederholen die beschwerdeführenden Parteien ihr diesbezügliches Vorbringen vor der belangten Behörde und folgern daraus, dass sie durch die gegenständliche Sendung unmittelbar immateriell geschädigt worden seien.
Diesem Vorbringen ist Folgendes zu erwidern:
Stützt derselbe Beschwerdeführer seine Beschwerde an die belangte Behörde auf die Beschwerdelegitimation nach § 36 Abs 1 Z 1 lit a ORF-G ("Individualbeschwerde") und auf § 36 Abs 1 Z 1 lit b ORF-G ("Popularbeschwerde") und liegt die Beschwerdelegitimation nach einer dieser Bestimmungen - wie im vorliegenden Fall - unzweifelhaft vor, braucht die Beschwerdelegitimation nach der anderen gesetzlichen Norm nicht weiter geprüft zu werden. Es liegt in diesem Fall nämlich nur eine Beschwerde (gestützt auf mehrere die Beschwerdelegitimation vermittelnde Tatbestände) vor, mit der dasselbe Ziel, nämlich eine Feststellung nach § 37 Abs 1 ORF-G, erreicht werden soll und kann.
Aus diesem Grund ist es im vorliegenden Fall nicht erforderlich, auf das Beschwerdevorbringen der beschwerdeführenden Parteien in Bezug auf ihre behauptete Beschwerdelegitimation nach § 36 Abs 1 Z 1 lit a ORF-G, die am Maßstab der vom Verwaltungsgerichtshof geteilten und in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Rechtsgrundsätze zu messen wäre (vgl dazu etwa VfSlg 18.744/2009 mwN), näher einzugehen.
3. Soweit die beschwerdeführenden Parteien - mit den gleichen Argumenten wie im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof - eine Verletzung der Menschenwürde, des Rechtes auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK und einen Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit nach Art 9 EMRK behaupten, ist auf die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in dem gegenständlichen Ablehnungsbeschluss zu verweisen, mit dem diese Grundrechtseingriffe verneint wurden.
Ausgehend davon erweist sich auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, die mitbeteiligte Partei habe durch die strittige Sendung gegen § 10 Abs 1 ORF-G verstoßen (Missachtung der Menschenwürde und der Grundrechte anderer), als nicht zielführend (vgl zum Schutzbereich dieser Norm auch Punkt 3. der Erwägungen im hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2011/03/0012, auf das gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird).
4. Im Zusammenhang mit dem behaupteten Verstoß gegen § 10 Abs 2 ORF-G führt die Beschwerde aus, sie habe vorgebracht, dass Fernsehsendungen wie die gegenständliche grundsätzlich geeignet seien, Hassgefühle zu erwecken.
Dem ist zu erwidern, dass die strittige Sendung - ungeachtet ihres kritischen Untertons - nicht geeignet war, einen (maßgeblichen) Durchschnittsbetrachter unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks zu Hassgefühlen gegen die Glaubensgemeinschaft der
J und ihre Mitglieder aufzureizen (vgl zum "Aufreizen" als Tatbestandsmerkmal auch § 283 StGB und dessen Auslegung etwa Fabrizy, StGB9 (2006), § 283 Rz 2; Hinterhofer in Trifterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum StGB (2001), § 283 Rz 19 mwN). Daran vermag auch der Umstand, dass nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien in der Vergangenheit (nach kritischer Berichterstattung über diese Glaubensgemeinschaft) Übergriffe durch einzelne Kriminelle stattgefunden haben, nichts zu ändern. Auch einen Verstoß gegen § 10 Abs 2 ORF-G hat die belangte Behörde daher zu Recht verneint.
5. Soweit die Beschwerde aber eine Verletzung der § 10 Abs 5 und 7 ORF-G (als Elemente des Objektivitätsgebotes; vgl zum Ganzen das hg Erkenntnis vom 23. Juni 2010, Zl 2010/03/0009, mwN) geltend macht, zeigt sie im Ergebnis relevante Verfahrensmängel auf, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides in diesem Umfang führen müssen:
5.1. In der Beschwerde an die belangte Behörde erblickten die beschwerdeführenden Parteien die Verletzung der genannten Bestimmungen darin, dass eine unrichtige Nachricht (Verweigerung einer Bluttransfusion für ein Kind, dessen Eltern der Glaubensgemeinschaft der J angehörten; anschließende "Entmündigung" der Eltern und Durchführung der Bluttransfusion gegen deren Willen; darauffolgende "Freigabe" des Kindes zur Adoption durch die Eltern) gesendet worden sei. Vor der Ausstrahlung der Sendung sei "offenbar überhaupt kein Versuch unternommen" worden, die Richtigkeit der gesendeten Information zu überprüfen, wozu es nach Ansicht der beschwerdeführenden Parteien insbesondere gehört hätte, die beschwerdeführenden Parteien mit den zur Sendung vorgesehenen Vorwürfen zu konfrontieren. Der ORF habe somit durch die Ausstrahlung einer unwahren und tatsachenwidrigen Äußerung, deren mangelnden Wahrheitsgehalt er durch die Außerachtlassung der gebotenen journalistischen Sorgfalt schuldhaft nicht erkannt habe, und durch die Identifikation, Verallgemeinerung und Verstärkung der wahrheitswidrigen Behauptungen gegen § 10 Abs 5 und 7 ORF-G verstoßen.
5.2. In einer zu diesem Vorwurf erstatteten Stellungnahme vom 6. Juni 2006 brachte die mitbeteiligte Partei vor, es entspreche den Tatsachen, dass ein damals zehnjähriger Bub von seinen Eltern nach einer Bluttransfusion zur Adoption freigegeben worden sei. Zum Beweis dafür berief sie sich auf drei namentlich genannte Zeugen (aus dem Bereich des betroffenen Krankenhauses), darunter den interviewten Oberarzt Dr W H und eine Oberschwester S H. Im verfahrensgegenständlichen Beitrag sei im Übrigen auch ein Vertreter der Erstbeschwerdeführerin zu Wort gekommen.
Über Nachfrage der belangten Behörde, ob die leiblichen Eltern oder die Adoptiveltern des Kindes, das nach der Bluttransfusion angeblich zur Adoption freigegeben worden sei, dazu befragt worden seien oder ob sonstige Recherchen angestellt worden seien, um die Richtigkeit des Interviews mit Oberarzt Dr W H zu überprüfen, teilte die mitbeteiligte Partei der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 mit, dass mit den leiblichen Eltern bzw den Adoptiveltern des Kindes von der Redakteurin kein Kontakt aufgenommen werden konnte, weil in der Zeit der Berichterstattung der Arzt auf das Berufsgeheimnis verwiesen habe. Erst im Zuge des gegenständlichen Verfahrens habe sich herausgestellt, dass weder der Arzt, Dr W H, noch die Krankenschwester, Oberschwester S H, die den Vorfall im Zuge der Recherchen bestätigt hätten, aufgrund der mittlerweile vernichteten Operationsunterlagen den Namen des operierten Kindes noch wüssten. So war und sei es der Redakteurin auch nicht möglich, zu einem der Betroffenen Kontakt aufzunehmen.
Die Verwaltungsakten lassen nicht erkennen, dass der letztgenannte Schriftsatz den beschwerdeführenden Parteien vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht worden wäre.
5.3. Die belangte Behörde ließ in ihrer Entscheidung dahingestellt, ob die berichteten Tatsachen richtig waren.
Sie sah die Vorgaben des § 10 Abs 5 und 7 ORF-G dadurch als erfüllt an, dass der ORF die strittigen Tatsachen "von dem behandelnden Arzt bekommen" hätte, der den Sachverhalt im Interview öffentlich gemacht habe. Seine Angaben seien "von einer weiteren Mitarbeiterin des Krankenhauses bestätigt" worden; die Namen des Kindes, der leiblichen Eltern und der Adoptiveltern habe der Arzt unter Hinweis auf sein Berufsgeheimnis nicht bekannt gegeben. Unter diesen gegebenen Umständen sei es dem ORF nicht zumutbar gewesen, weitere Nachforschungen anzustellen.
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung damit das Vorbringen der mitbeteiligten Partei in ihrem Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 über die vorgenommenen Recherchen zugrunde gelegt, ohne Beweise aufzunehmen und ohne in der angefochtenen Entscheidung darzulegen, warum sie dieses Vorbringen für glaubwürdig erachtete.
Da den beschwerdeführenden Parteien nach der Aktenlage auch keine Gelegenheit gegeben wurde, zu diesem Vorbringen der mitbeteiligten Partei im Verfahren vor der belangten Behörde Stellung zu nehmen, unterliegt ihr in diesem Zusammenhang in der Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof erstattetes Vorbringen auch nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Wenn die beschwerdeführenden Parteien daher ausführen, die belangte Behörde habe in obigen Zusammenhängen ihr Parteiengehör verletzt bzw erforderliche Beweise nicht aufgenommen und die Relevanz dieser Verfahrensmängel damit begründen, dass es ihnen im Falle eines mängelfreien Verfahrens gelungen wäre unter Beweis zu stellen, dass vor Ausstrahlung der gegenständlichen Sendung "überhaupt kein Versuch unternommen" worden sei, die Richtigkeit der gesendeten (behauptetermaßen unrichtigen) Information zu überprüfen, zeigen sie entscheidungswesentliche Verfahrensmängel auf.
Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren - anders als bisher - nachvollziehbare Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der ORF die Nachricht mit einem solchen Maß an Sorgfalt auf den Wahrheitsgehalt geprüft hat, dass er ihn als wahr annehmen durfte. Dazu wird es allenfalls auch erforderlich sein darzutun, aus welchen Gründen die belangte Behörde davon ausgeht, dass es sich bei dem Interviewpartner der Redakteurin des ORF, Dr W H, überhaupt um den behandelnden Arzt des damals operierten Kindes gehandelt hat, der demnach aus eigener Beobachtung - und nicht nur vom Hörensagen - Auskunft über das Geschehen geben konnte (aus der gesendeten Nachricht allein lässt sich diese Annahme nämlich nicht ableiten). Auch wird zu prüfen sein, aufgrund welcher Umstände bzw Informationen die Redakteurin des ORF davon ausgehen durfte, dass dieser Arzt und/oder anderes medizinisches Personal über die postoperative Freigabe des Kindes zur Adoption Auskunft geben konnte. Erst anhand dieser Ermittlungen ließe sich nämlich beurteilen, ob die für ihre Entscheidung tragende (und in ihrer rechtlichen Konsequenz nicht zu beanstandende) Annahme der belangten Behörde, dass im gegenständlichen Fall nicht "irgendein Arzt sozusagen vom Hörensagen", sondern der "behandelnde Arzt", der der ärztlichen Schweigepflicht unterlegen sei, Auskunft gegeben habe, zutrifft.
Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit die Beschwerde auch wegen Verletzung des § 10 Abs 5 und 7 ORF-G abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im Übrigen aber war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 3 und Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am 17. März 2011
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