VwGH 2010/21/0382

VwGH2010/21/038215.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des V, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 27. Juli 2010, Zl. 1/01-1120/1/1-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1 impl;
FrÄG 2011;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44b Abs2;
VwRallg;
AVG §7 Abs1 impl;
FrÄG 2011;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44b Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste am 3. Dezember 2001 nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag. Dieser wurde durch das Bundesasylamt mit Bescheid vom 26. Februar 2002 abgewiesen, zugleich wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Vietnam für zulässig erklärt. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. September 2008 keine Folge. Die Behandlung der Beschwerde gegen diese Entscheidung lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Dezember 2008 ab.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 9. Februar 2009 gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ausgewiesen. Gegen den diese Entscheidung bestätigenden Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 25. August 2009 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der diese mit Erkenntnis vom 9. November 2011 zur Zl. 2009/22/0287 als unbegründet abwies.

Bereits im Juli 2009 hatte der Beschwerdeführer den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) gestellt, den der Bürgermeister der Stadt Salzburg (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 27. Juli 2010, gestützt auf die genannte Bestimmung (in der Fassung vor dem FrÄG 2011), abwies.

Die belangte Behörde, die ua. - noch 2009 - eine Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg eingeholt hatte, führte aus, dass der bis 30. September 2008 auf Basis des Asylgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer die (zeitlichen) Voraussetzungen des § 44 Abs. 4 Z 1 und 2 NAG erfülle. Es seien auch (so die belangte Behörde im Ergebnis) die Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG gegeben, weil der Beschwerdeführer aufrecht krankenversichert sei und bei seinem österreichischen Bruder wohne, der ihn überdies versorge und für ihn eine Patenschaftserklärung abgegeben habe. Zwischen Dezember 2002 und Oktober 2008 sei der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - in näher genannten Hotelbetrieben und näher dargestellten Zeiträumen (insgesamt rund 45 Monate) einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Eine Integration am Arbeitsmarkt sei jedoch nicht ersichtlich, da "die kurzen Arbeitsverhältnisse durch die langen Zwischenräume ohne Beschäftigung aufgewogen" würden, zumal der Beschwerdeführer nur über bis zu sechs Monate gültige Saisonbeschäftigungsbewilligungen verfügt habe. Von seiner letzten Arbeitsstelle habe er eine Bestätigung vorgelegt, wonach er "eine Jahresstelle als Beikoch, Küchenhilfe in Vollzeit angeboten" bekommen habe, wenn er die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschäftigung erfülle. Der Beschwerdeführer habe aber kein Einkommen, keine eigene Unterkunft, keine arbeitsrechtliche Bewilligung und hätte auch nach Erteilung einer Niederlassungsbewilligung keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis. Seine Selbsterhaltungsfähigkeit "durch eine rechtmäßige Beschäftigung" sei somit zu bezweifeln, da bislang nur eine bedingte Integration - lediglich kurzfristige Beschäftigungsbewilligungen als Saisonarbeitskraft - am Arbeitsmarkt habe festgestellt werden können. Er sei auf die Unterstützung seiner Familie angewiesen und es könne davon ausgegangen werden, dass er auch in Zukunft nicht selbsterhaltungsfähig sein werde. Seine bisherige Aufenthaltszeit in Österreich habe der Beschwerdeführer weder für eine schulische noch für eine berufliche Ausbildung genützt. Was seine Sprachkenntnisse anlange, so habe er lediglich eine Kursbestätigung "Deutsch als Fremdsprache 1" im Ausmaß von 54 Übungseinheiten vorgelegt, obwohl für das niedrigste Sprachen-Niveau "A1" bereits mindestens 100 Übungseinheiten notwendig seien. Es habe (demzufolge) bei einer niederschriftlichen Einvernahme im August 2009 betreffend seine familiären Bindungen im Bundesgebiet seine Schwägerin als Dolmetscherin beigezogen werden müssen.

Insgesamt reiche daher der Grad der Integration nicht aus, um einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG zu begründen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

§ 44 Abs. 4 NAG (in der oben erwähnten Fassung) lautet wie folgt:

"Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44. …

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Die belangte Behörde hat die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 4 Z 1 und 2 NAG als erfüllt erachtet. Sie hat den Antrag des Beschwerdeführers aber deshalb abgewiesen, weil sie mangels ausreichender Integration das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles verneinte.

In der Beschwerde wird demgegenüber zusammenfassend auf den knapp neunjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, auf die bisher von ihm ausgeübte Berufstätigkeit, auf seine familiären Bindungen zum österreichischen Bruder und dessen Familie und auf die Bemühungen zur Verbesserung der Sprachkenntnisse verwiesen.

Was zunächst den letztgenannten Gesichtspunkt anlangt, so bleibt allerdings unbestritten, dass die (bisherigen) Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers nur mangelhaft sind. Unbestritten bleibt auch, dass der Beschwerdeführer - als Saisonnier in der Tourismusbranche - Beschäftigungszeiten von insgesamt nur knapp vier Jahren aufweist, wobei das letzte Arbeitsverhältnis bereits im Oktober 2008 endete. Angesichts der vorgelegten Einstellungszusage des letzten Arbeitgebers kann dem Beschwerdeführer zwar - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - Selbsterhaltungsfähigkeit zugebilligt werden. Eine ausgeprägte berufliche Integration liegt allerdings schon im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit seit Oktober 2008 nicht vor. Auch die in der Beschwerde angesprochene Mitarbeit im Haushalt des Bruders begründet eine derartige Integration nicht.

Auf eine schulische oder berufliche Aus- oder Weiterbildung in Österreich beruft sich der Beschwerdeführer gar nicht. Von daher erreichen die im Beschwerdefall vorliegenden integrationsbegründenden Umstände aber - auch unter Bedachtnahme auf die geltend gemachte Aufenthaltsdauer und auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Haushalt seines Bruders lebt und von diesem versorgt wird - noch keinen solchen Grad, dass von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall auszugehen wäre. An dieser Beurteilung vermögen die aus der Beschwerde zur Zl. 2009/22/0287 übernommenen Ausführungen, die sich auf die Ausweisungsentscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg beziehen, nichts zu ändern. Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich auf die von der belangten Behörde noch 2009 angeforderte Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg bezieht und dazu ausführt, deren Einholung hätte keine Rechtsgrundlage gehabt, so ist er auf den Wortlaut des § 44 Abs. 4 NAG zu verweisen, der die Beischaffung einer solchen Stellungnahme (bis zum Inkrafttreten des FrÄG 2009 am 1. Jänner 2010 durch Verweis auf § 44b Abs. 2 NAG) ausdrücklich anordnet. Dass die Sicherheitsdirektion bereits - als Berufungsbehörde - die Ausweisung des Beschwerdeführers ausgesprochen hatte, ist, anders als der Beschwerdeführer meint, irrelevant und vermag nicht deren Befangenheit zu begründen.

Zusammenfassend erweist sich die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers nach § 44 Abs. 4 NAG somit als zutreffend, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. Dezember 2011

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